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Dürnstein: eine Ruine ?

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Die großen Bauwerke des Barock sind in Gefahr: Wenn man die notwendigen Sanierungsmaßnahmen weiter hinauszögert, ist auch Stift Dürnstein nicht zu retten.

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Die großen Bauwerke des Barock sind in Gefahr: Wenn man die notwendigen Sanierungsmaßnahmen weiter hinauszögert, ist auch Stift Dürnstein nicht zu retten.

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Stift Dürnstein ist ein besonders qualitätvoller Gebäudekomplex aus der besten Zeit des österreichischen Barock und wird, wenn man nichts dagegen unternimmt, bald verfallen. Es ist eine Verpflichtung, alles zu unternehmen, um Stift und Kirche, Juwele barocker Architektur, zu retten.

Die Erweiterung des alten Augustiner Chorherrenstiftes wurde nach Plänen von Joseph Munggen-ast ab 1711 in Angriff genommen. Dabei ist Dürnstein unter allen barocken Neubauten der Zeit schon aus räumlichen Gründen der kleinste, aber der Qualität nach den anderen nicht zurückstehend. Die Grundidee ist die gleiche.

Das Zentrum sollte der rechtek-kige Innenhof werden, um den herum die Prunkräume gelegen sind. Die Bibliothek fehlt völlig. Die Kirche bleibt an alter Stelle, und der große Saal ist hinter die Kirche in das alte Gebäude hineingestellt.

Die gotische Kirche wurde ba-rockisiert, die neuen Trakte der Prälatur und des Festsaales sind teils auf einem freien Platz, teils in die alten Gebäude hineingebaut, um einen rechteckigen, wohlproportionierten neuen Hof entstehen zu lassen. Das Glanzstück aber ist der barocke Turm der Kirche, der weit an die Spitze der felsigen kleinen Halbinsel in die Donau vorgeschoben gelegen ist und, weithin sichtbar, wie ein Wahrzeichen steht.

Dieser Turm, wahrscheinlich von Matthias Steindl, ist eine der großartigsten Leistungen des österreichischen Hochbarock überhaupt und steht, wie auch der Innenraum der Kirche, in Nachfolge der Ideen des großen römischen Architekten Francesco Borromini.

Darin liegt aber auch die kunsthistorische Bedeutung von Dürnstein. Sicherlich steht der Komplex im Rahmen des großen imperialen Konzeptes. Aber auch wenn das Stift viel kleiner und in vielem auch bescheidener ist als die anderen, so steht seine künstlerische Bedeutung doch an erster Stelle.

An allen österreichischen Gebäuden der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist die Nachfolge des römischen Hochbarock völlig evident. Der bedeutendste österreichische Architekt dieser Zeit, Johann Bernhard Fischer von Erlach, war schließlich Lorenzo Berninis Schüler. Aber wie das durchgeführt wurde, ist bedeutend. Denn diese Bauwerke sind keine Kopien, sondern konsequente Fortführungen. Die hiesigen Architekten dachten weiter, und so bilden die österreichischen Bauwerke des frühen 18. Jahrhunderts eigentlich die Vollendung der in Rom ein Jahrhundert vorher angesetzten Ideen.

Daß man eine gotische Kirche, wie hier in Dürnstein, so großartig „barock” machen und die „musikalische” Schwingungsarchitektur Borrominis so zur Vollendung bringen konnte, ist eine unbestreitbare Meisterleistung. Den Höhepunkt aber bildet, wie gesagt, der Turm, der statuenbesetzt aufsteigt wie eine vollendete Vereinigung von Architektur und Plastik.

Um so ein Gebäude zu erhalten, muß eigentlich ständig gearbeitet werden. Das geschah in den meisten Klöstern auch. In Dürnstein aber nahezu nicht, weil es im Grunde verlassen war.

Der Erhaltungszustand des ganzen Gebäudekomplexes ist sehr schlecht, aber bei weitem nicht unrettbar. Wartet man aber noch längere Zeit ab, werden die Schäden immer schlimmer, und letztendlich wäre das Stift verloren, was für Österreich, vor allem für die berühmte Wachau, ja für die gesamte europäische Barockarchitektur, ein entsetzlicher Verlust wäre. Sieht man die Einzelschäden im Detail, so wie ich, der dort wohnt und ständig daran vorbeigeht, so erkennt man erst, daß für eine Rettung schon der letzte Moment gekommen ist.

Wie aber jährlich Tausende Besucher dorthin kommen und Dürnstein als eine ganz besondere Attraktion preisen, so sollen auch Tausende helfen, diese Kostbarkeit des Barock nicht verfallen zu lassen. Deshalb unser Ruf: Rettet Dürnstein!

Der Autor, langjähriger Direktor des Museums für angewandte Kunst, ist Universitätsprofessor.

Gekürzte Fassung einer Studie, die in der Juni-Nummer der Kulturzeitschrift „Morgen” erscheinen wird.

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