6616654-1955_35_10.jpg
Digital In Arbeit

Krems sind die Wachau

Werbung
Werbung
Werbung

Ob man Krems oder Melk mit dem Schlagworte „Tor der Wachau“ bezeichnen will, hängt von der Richtung ab, aus welcher man sich diesem landschaftlich bevorzugten Abschnitt des Donautales nähert. Folgt man dem Stromlauf, dann käme allerdings Melk mit größerem Recht diese Bezeichnung zu; im Wesen aber ist dies ein Streit um des Kaisers Bart, zumal die Bezeichnung Wachau erst ein Kind der Romantik und demnach nicht gerade sehr alt ist. Vordem verstand man unter Wachau nur den zwischen zwei Felsvorsprüngen gelegenen Teil von Sankt Michael bis zum Wattstein oberhalb Dürnsteins mit Weißenkirchen als Hauptort. Der Name selbst geht wohl noch auf karolingische Zeit zurück; er wird mit den Zügen Karls des Großen gegen die Awaren und mit den dabei notwendigen Wachen in Verbindung gebracht.

Geschichtlich besitzt die Wachau eine reiche Ueberlieferung, die um 830 einsetzt und zunächst die Besitzungen der Benediktinerabtei Nieder-Alteich (Bayern), Aggsbach-Markt und Spitz, also am Jauerling, betrifft. Auf dem anderen Donauufer erinnert die Bezeichnung des Fleckens Arnsdorf an den ersten Salzburger Erz-bischof Arno (um 800), wie denn überhaupt die Salzachstadt gleich Passau in der ganzen Gegend reich begütert war. Tegernsee saß wieder in dem weinberühmten Loiben bei Dürnstein. In der Folge sind es dann österreichische Stifter und Klöster, wie Kremsmünster, St. Florian und andere, welche hier Landbesitz erwarben. In neuerer Zeit ist in der ganzen Wachau neben dem Weinbau der Obstbau hinzugetreten, während die Landwirtschaft immer stärker zurücktritt. Auch der Wald besitzt naturgemäß in diesem Gelände eine nicht zu übersehende Bedeutung.

Was aber die Romantik der Wachau ausmacht, das sind die Burgen und Schlösser, die malerischen Ruinen und die hochragenden Kirchen und Klöster. Melk, Schönbühel, Aggstein, Hinterhaus, Spitz, Weißenkirchen, Dürnstein, Göttweig und die Schwesterstädte Krems und Stein sowie Hollenburg bezeichnen nur eine Auswahl dieser ununterbrochenen Kette historischer Erinnerungen und architektonischer Schönheiten. Auch landeinwärts treffen wir auf bedeutsame Spuren. In erster Linie ist da auf die romantische Burgkirche in Ranna, auf die alte Marienwallfahrt Maria-Laach mit ihrem spätgotischen Flügelaltar und dem Hochgrab des Johann Georg von Kuefstein von Alexander Colin (1607), auf den Flügelaltar zu Mauer bei Melk, den Renaissancehof der Schallaburg und die spätbarocke Wallfahrtskirche Maria-Lang-egg zu verweisen. D-;e großen Klosterburgen Melk und Göttweig sind in ihrer Bedeutung für die österreichische Kultur und für die barocke Kunst im besonderen. Im kleinen ist es das ehemalige Chorherrenstift Dürnstein, das sich als Ergebnis des Zusammenwirkens seines hochgesinnten Propstes Hieronymus Uebelbacher mit einer erlesenen Künstlerschar präsentiert, unter denen Jakob Prandtauer, Steindl und Mungen-ast an der Spitze stehen. Es ist selbstverständlich, daß auch einer der größten unter den österreichischen Barockmalern, Martin Johann Schmidt, genannt der Kremser Schmidt, mit Fresken und Altarbildern in Dürnstein vertreten ist, dessen skulpturaler Schmuck überwiegend von der Hand seines aus Hessen zugewanderten Vaters stammt.

Der Wachauausgang ist durch die drei Städte Mautern, Stein, Krems und den wichtigen Donauübergang mehr als genug bezeichnet, der hier seit 1463 über eine der ältesten Donaubrücken in Oesterreich führt: Mautern, das römische Favianis, bevorzugter Aufenthalt und Sterbeort des heiligen Severin — trotz aller dilettantischer Gegenstimmen; Stein, die Burg und der Markt der Rugenkönige des 5. Jahrhunderts, und Krems, das aus einer Fluchtburg gegen die Ungarn sich rasch zu einer Stadt des Handels und Gewerbes mit Münz- und Zollstätte entwickelte. Hand in Hand damit gingen große kulturelle Leistungen, vor allem auch auf dem Gebiete der Künste und der Schulen, so daß man heute mit Recht von einer Schulstadt spricht, die erst jüngst auch Sitz einer Handelsakademie wurde.

Für das ganze Gebiet der Wachau aber spielt der Fremdenverkehr eine namhafte Rolle. Ihn wieder auf den Vorkriegsstand zu bringen und vor allem die Straßenverhältnisse den Fortschritten der Motorisierung anzupassen, ist nächst einer entsprechenden Werbung und Ausgestaltung der Fremdenverkehrsbetriebe die Aufgabe der Zeit. Abgesehen von dem für heutige Verhältnisse wichtigen Massenverkehr ist es aber der Einzelreisende, welcher hier die Blume der Romantik zu pflücken sucht. Die Erhaltung von Landschaft und Ortsbild in ihrer überkommenen Art besitzt daher für die Wachau eine große volkswirtschaftliche Bedeutung. Der Sünden sind genug geschehen, allen in Betracht kommenden Stellen obliegt es nunmehr, diesem Gebiete nach zehnjähriger Besetzung endlich die Früchte des Friedens zu gewähren, einem Landstrich, der uns in jeder Hinsicht so reich beschenkt!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung