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Hier war die Wachau

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Nach bisher unbestätigten Informationen, sollen verantwortungsbewußte Beamte des Handelsministeriums den Beschluß gefaßt haben, auf Grund der um sich greifenden Proteste gegen die Zerstörung der Wachau alle weiteren Arbeiten an der „Weinstraße“ mit „sofortiger Wirkung“ auf ein Jahr einzustellen, um in Ruhe und unter Zuziehung der Oeffentlichkeit das gesamte Vorhaben zu überprüfen. Ein solch erfreulicher Beschluß könnte durch den nachfolgenden Beitrag nur urgiert werden. Die Redaktion

Entgegen den Versicherungen ist die Wachauer Straße für die gesamte Länge festgelegt und verläuft überall am Ufer: Das ist der lähmende Eindruck, der den Leser eines apologetischen Sonderberichtes, der kürzlich in einer Tageszeitung erschien, ergreift. Dieser verficht eine Trasse für eine „Donauuferrollbahn“, die von allen Fachleuten abgelehnt wurde. Sie ist heute auch schon für Dürnstein in der Natur abgesteckt, und trotz der Versicherungen des Herrn Ministers DDDr. Iiiig selbst, vor Baubeginn die Fachleute und die Oeffentlichkeit zu hören und sich nicht festzulegen, sind sogar die Termine für die Grundeinlösungsverhandlungen festgelegt worden.

Darnach verläuft die „Donauuferrollbahn“ bis 200 Meter (!) vor Dürnstein unmittelbar am Ufer, obwohl die alte Straße teilweise in nur 30 bis 50 Meter Entfernung vorhanden ist, und geht unbekümmert und rücksichtslos bis zur sogenannten „Mayreder-Villa“ vor Dürnstein. Dort soll durch eine ganz unglaubwürdig verlaufende S-Kurve die Landschaft mit Feldern und Weingärten ohne Rücksicht auf Verluste zerstört werden, ehe man sich „in den Fels“ einbohrt. Daß es andere Lösungen genug gibt, hat man bereits zugegeben, als in einer Veröffentlichung von etwa sieben Trassen gesprochen wurde! Aber alle diese beginnen schon in Rothenhof und benützen wahrscheinlich die alte Straße so weit wie möglich oder gehen ins Oedland, dort als Gut er weg neue Kulturen erschließend! Die Straße hat ja auch noch andere Aufgaben zu erfüllen, als an drei Sonntagen im Jahr (Baumblüte!) eine Verkehrsspitze auf schnellstem Wege abzuleiten! Welch wirtschaftlicher Unsinn ist das, um hunderte Millionen eine „Rollbahn“ für ein paar Tage im Jahr zu bauen!

Apropos, „Donauuferrollbahn“! Diesen Namen gibt nicht etwa ein mißgünstiger Kritiker diesem Vorhaben aus Ignoranz oder Geringschätzung, sondern so nennen es die Fürsprecher des Projekts selber! Ein vernichtendes Urteil haben sie da ihrem Werk gesprochen. Rücksichtslos ist Emmersdorf durch die Erhöhung der Trasse um zwei Meter vom Strom getrennt, bedenkenlos hat man in Weißenkirchen das Wahrzeichen am Strom, eine herrliche Pappel, gefällt und als neuen Blickpunkt das Symbol der „Rollbahn“, einen an einen Bohrturm erinnernden Rollfährenmast, eingeführt. Nun sollen die beiden Loiben zerstört werden und Spitz den letzten Rest an Schönheit und Ruhe am Strom verlieren, und nach dem erhofften Bürgermeisterwechsel in Dürnstein will man sein Herz für die Landschaft und die Wirtschaft entdecken und die Weingärten schonen, damit die „Donauuferrollbahn“ überall am Ufer alles niederrollt

Die Folgen für die Wachau werden katastrophal sein: Der Fremdenverkehr wird ausbleiben, weil die einzige Ruhezone am Ufer zerstört ist, dadurch gibt es keinen Heurigenschank mehr, die zum größten Teil kleinen Weinhauer sind jeder Schwankung der Konjunktur ausgeliefert und können auch die kleinste Krise nicht überdauern, Wirtschaft und Gastgewerbe werden vernichtet. Und was bietet man dafür? Stein und Zement und Tingeltangel, wie bengalische Beleuchtung, Bade-, Camping- und Tennisplätze. Wo sie angelegt werden sollen, u n-gestört vom Verkehr, wissen die Projektanten nicht, das ist aber auch nicht ihre Aufgabe, werden sie sagen, sondern die der Architekten, die nach der Anlage der Straße geholt werden! — Das stimmt nicht ganz. Der Bericht sagt wörtlich: „Auch die Künstler werden ein Wort bei der Ausgestaltung mitzureden haben. In Emmersdorf soll ein Donauweibchen aufgestellt werden ... und zahlreiche Tafeln sollen an allen Stellen der Wachau auf die Wichtigkeit dieses alten Kulturbodens hinweisen.“ Also ein paar Plastiken, damit die Künstler beschwichtigt werden und auf einen Auftrag hoffen, und Tafeln, Tafeln! Tafeln für die vernichtete Landschaft, die gefällten Bäume, und dazu Bilder, wie es einmal war! Daß in allen Kulturstaaten heute Architekten schon zur Planung einer Trasse zugezogen werden, das weiß man im Herzen Europas anscheinend noch nicht! Es ist aber klar: Ein Architekt käme mit ganz anderen Vorschlägen, als man sie gerne hört, und gerade die will man nicht.

Darum ist die Diskussion über die ganze Straße — Verzeihung, „Donauuferrollbahn“ — so dringend nötig. Darum sollte auch der Herr Minister für Handel und Wiederaufbau endlich sein Wort einlösen und die öffentliche Diskussion eröffnen! Was brauchen wir denn dazu? Ein paar Wände, die sofort in einem Raum aufgetrieben werden, und ein paar Reißnägel, um die Pläne an den Wänden zu befestigen, einen Tisch, zum Auflegen der technischen Berichte, und ein paar Bänke, damit man schreiben kann! Modelle interessieren erst viel später! Und die Fachleute, die berufen sind, zu bauen, nicht solche, die es aus Geschäftsrücksichten tun, brauchen wir. Und in ihrer Gesellschaft die Vertreter der öffentlichen Meinung.

Sonst bleibt uns von der Wachau nichts anderes als eine von den Straßenerbauern gestiftete bronzene Gedenktafel mit der Aufschrift: „Hier war einmal die Wachau. Sie war sehr schön. Ehre ihrem Gedenken.“

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