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Oesterreichs Weinhandel im Wandel der Zeilen

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Die Geschichte des Weinbaues in Oesterreich geht bis in die Römerzeit zurück. Bekanntlich wird Kaiser Probus als derjenige bezeichnet, der die Rebe nach Oesterreich brachte. Dies ist zwar nicht richtig, denn schon lange vor ihm gab es in unseren Gegenden Weingärten. Allerdings war Probus ein eifriger Förderer des Weinbaues, vermutlich deshalb, weil der Soldatenkaiscr ein Mittel darin erblickte, die Angehörigen der Besatzungsmacht vom Müßiggang abzuhalten, dem sie in den langen Jahren des Etappenlebens anheim zu fallen drohten.

So entwickelte sich der Weinbau und so entstanden jene Weinkulturen, die sich heute auf weiten Hügeln, auf steilen Ter-' rasten und an sonnenüberglänzten Abhängen erstrecken.

Der Wein und der Weinbau haben es vermocht, den Landstrichen, die sich mit ihnen beschäftigen, ihren Stempel aufzudrücken, das Volksleben, das Brauchtum und das Gesicht ihrer Städte und Dörfer zu formen, ihren Bewohnern in Charakter, Lebensauffassung und Sinnesart ein besonderes Gepräge zu verleihen. So ist es auch erklärlich, daß hierzulande der Weinbau und der Weinhandel nicht nur um des Broterwerbs wegen gepflegt werden. Es gehört viel Liebe und viel Hingabe zu diesem Beruf, der auf eine alte, mit dem Kulturleben eng verknüpfte Tradition zurückblicken kann.

Wenn wir die Weinorte Niederösterreichs

besuchen, so finden wir zahllose Zeugen der reichen Vergangenheit dieses Zweiges unserer Volkswirtschaft. Uralte Hauerkeller — einer der ältesten nimmt seit einem Jahrtausend den Weinsegen des Rohrendorfer Berges im Kamptal auf, vergilbte Pergamente und Handfesten, Häuser und Höfe, Geräte und Kunstwerke erzählen die reiche Geschichte unserer Weinwirtschaft. Ein Gang durch das Weinmuseum zu Krems vermittelt eine auf engstem Raum zusammengedrängte Schau der Entwicklung des Weinbaues und des Weinhandels. Rebmesser und Gefäße aus der Römerzeit, jahrhundertealte Weinpressen, kunstvoll geschnitzte Faßböden, Hauszeichen, Winzerkronen und Leutgebkränze, zahllose Utensilien aller Art, Bilder, Skulpturen und Geräte in verwirrender Vielfalt sind dort zu sehen. Eine von der Meisterhand des Kremser Schmidt bemalte Zunftfahne der Binder, Innungszeichen, Truhen und. Handwerkszeug weisen auf die enge Verbundenheit dieses Gewerbes mit der Weinwirtschaft hin.

Aber auch in den Häusern der Weinhauer und Weinhändler, die meist Generationen das Vätererbe treulich verwalten und auch heute noch das Werk ihrer Vorfahren fortführen, finden sich zahlreiche wertvolle Dokumente aus vergangenen Tagen. In den Weinorten mit ihren altersgrauen Mauern künden prachtvolle Kirchen, stolze Patrizierhäuser und mächtige Klöster von dem Reichtum, den voreinst der Weinhandel ins Land gebracht hat. Denn der Weinhandel ist kaum weniger alt als der Weinbau. Wenngleich dokumentarische Nachweise über den Weinhandel in alter Zeit nur sehr spärlich vorhanden sind, kann man füglich doch annehmen, tlaß diese Handelssparte schon frühzeitig eine bedeutsame Rolle gespielt hat. Allerdings wurde der Weinhandel bis etwa zu Beginn des 19. Jahrhunderts weniger als selbständiger Erwerbszweig, als vielmehr neben dem Großhandel mit anderen Waren, dem Weinbau oder dem Gastgewerbe ausgeübt. Auch die Donau-schiffer befaßten sich gelegentlich damit. Die ältesten Aufzeichnungen über den österreichischen Donauweinhandel finden wir in dem vom „kaiserlichen Mautgegenschreiber“ Felix Schlumperger zu Sarmingstein von 1480 bis 1487 geführten „Weinaufschlagregister“, das die Weinmengen, die Mauteinnahmen sowie Namen und Wohnort der Händler überliefert. Handlungsarchive fehlen jedoch bis in die Dreißigerjahre des vorigen Jahrhunderts.

Die Weinverschiffungen auf der Donau reichen weit zurück. Schon Ende des

12. Jahrhunderts ist Vorsorge für die Verfrachtung der Weinladungen getroffen worden, und aus der gleichen Zeit sind auch Nachrichten über die Kaperung von Weinschiffen überliefert sowie die Tatsache, daß die Weinschiffer in besonders gefährlichen Zeiten sich sammelten und unter dem Schutz einer Geleitmannschaft in förmlichen Konvois donauaufwärts fuhren.

Vor allem in der Wachau wurde damals schwunghafter Weinhandel getrieben. Waren doch hier viele Hektar Weingärten im Besitz vorwiegend bayrischer und oberösterreichischer Grundherren, die nicht nur die eigene Fechsung außer Landes brachten, sondern auch den ansässigen Winzern ihren Wein zum. Großteil abkauften. Ja, der Wein aus der „goldenen“ Wachau besaß schon vor Jahrhunderten weithin großes Ansehen, und es ist bezeichnend, daß auf der Hoftafel Kaiser Friedrichs IV. zu Linz 1490 Kremser Wein stand, und daß Kaiser Maximilian I., der „letzte Ritter“, seiner Muhme „ein Fäß-lein Pfaffenberger(< aus Stein nach München schickte.

Freilich dauerte diese Blütezeit nicht ununterbrochen an. Der Dreißigjährige Krieg, die Türken- und später die Franzosenkriege sowie die Zollschranken der Metternich-Aera hatten jeweils starke Absatzrückgänge zur Folge. In guten und in bösen Tagen aber hat sich der Weinhandel stets als ein überaus belebendes Element für die Produktion erwiesen. Er war es, der nicht nur als Bindeglied zwischen Erzeuger und Verbraucher fungierte, sein fördernder Einfluß machte sich auch in der Verbreitung besserer Weinbaumethoden, der Einführung neuer Rebsorten und neuer Veredlungsverfahren geltend. Man muß sich vor Augen halten, daß es erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit Wein-

bauschulen gibt und daß die moderne Kellereiwirtschaft zum großen Teil ihre Grundsätze von den, von Generation zu Generation vererbten Erfahrungen des Weinhandels herleitet, die von diesen im Laufe der Jahrhunderte dem Weinbau übereignet wurden.

Im vorigen Jahrhundert erfuhr der Weinbau eine wesentliche Förderung durch das Entstehen der Winzergenossenschaften, der Weinbauvereine und der Weinbauschulen. Man hatte erkannt, daß Jic Erziehung Her Rebe, die Weinbehandlung und die Kellertechnik überhaupt ein umfangreiches Fachwissen erfordert, soll die Qualität des Produktes so sein, daß sie mit ausländischen Erzeugnissen erfolgreich in Konkurrenz zu treten vermag. Die Erkenntnisse der Wissenschaft, vor allem der Gärungstechnik, führten zur Herstellung sinnreicher Kellcreimaschi-nen. Die Filtration, die Blauschönung, die Bekämpfung weinschädlicher Mikroben schufen neue Grundlagen; die Tore der Hauerkeller öffneten sich dem Fortschritt. Erst in jüngster Zeit haben auf diesem Gebiet umwälzende Neuerungen Eingang gefunden. Im Weinbau wurde die hohe Erziehung der Rebe praktisch erprobt, in der Kellereitechnik hat ein neues Gärverfahren, die sogenannte „gekühlte Gärung“ die Aufmerksamkeit der Fachwelt auf sich gezogen.

Alle diese Neuerungen setzen eine Vertiefung des Fachwissens voraus und werden, soweit sie ihre Bewährung erwiesen haben, auch bei uns bewußt und erfolgreich angewendet.

Gegenwärtig sieht sich die Weinwirtschaft in Oesterreich von argen Sorgen bedrängt, Die Absatzkrise, die schon seit geraumer Zeit besteht, bedroht die Existenz nicht nur zahlreicher Hauerfamilien. Man muß sich vergegenwärtigen, daß es in Oesterreich mehr als 93.QQ0 Wejnproduzenten, 27.000 Gast-und Schankwirtschaften und etwa 1000 Weinhändler gibt. Mit ihren Familienangehörigen schätzt man die Zahl derjenigen, die ganz oder zum großen Teil von der Weinwirtschaft leben, sicherlich mit Recht auf 400.000 Menschen. Ferner sind noch die Betriebe der Bedarfsindustrien für den Weinbau, für die Schank- und Kellereiwirtschaft usw. zu berücksichtigen. Faßbinder, Flaschenfabriken, Korkerzeuger, Hersteller von Kellereimaschinen- und -geraten, Druckereien für Weinetiketten, Transportunternehmungen und viele andere Gewerbezweige werden indirekt durch den Wein in die Lage versetzt, arbeitenden Menschen ihr Brot zu geben. Daraus können wir die Bedeutung der Weinwirtschaft für Oesterreich ermessen.

Nicht weniger bedeutungsvoll ist der österreichische Wein für den Fremdenverkehr. Die Gäste Oesterreichs haben an der Art des Weingenusses, wie er in Oesterreich kultiviert wird, immer großen Gefallen gefunden. Die Atmosphäre eines Wiener Heurigen zum Beispiel hinterläßt in dem Fremden unvergeßliche Eindrücke, die er, in sein Land zurückgekehrt, wieder weitergibt und

so dazu beiträgt, bei seinen Landsleuten den Wunsch zu einer Reise nach Oesterreich zu verstärken.

Es wird großer Anstrengungen bedürfen, die österreichische Weinwirtschaft wieder einer besseren Zukunft zuzuführen. Vor allem wird Oesterreich, dem Beispiel anderer weinbautreibender Länder folgend, es nicht unterlassen dürfen, eine intensive Werbung für den Weinabsatz durchzuführen. Der Beginn wurde mit der Gründung des Vereines „Oesterreichische Weinwerbung“ gemacht.

Es soll hier die Basis geschaffen werden, auf der Produktion, Handel und Gastgewerbe sich zu gemeinsamer Arbeit für die Hebung des Weinabsatzes finden. Wenn es aber gelingen soll, das gesteckte Ziel zu erreichen, dann kann dies nur geschehen, wenn alle Glieder der Weinwirtschaft mit großem Verständnis mitwirken. Dann wird aber auch der Tag kommen, da der österreichische Wein wieder den Platz einnimmt,—den er viele Jahrhunderte hindurch in unserem Lande innehatte.

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