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Historie des „Kremsers“

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Die Landschaft beiderseits des Donaustromes, beginnend oberhalb von Spitz bis Krems-Stein/Mautern, im Norden bis zu den Ausläufern des Manhartsberges, in südlicher Richtung bis zum Dunkelsteinerwald, wies schon in urgeschichtlicher Zeit eine dichte Besiedlung auf. Das Urgesteinsmassiv wurde in der Eiszeit mit einer zuweilen bis zu 25 Meter starken Lößschicht bedeckt, die, gepaart mit den günstigen klimatischen Verhältnissen, alle Voraussetzungen für menschliche Niederlassungen mit sich brachte.

Dieser Lößboden bewog die auf römischem Territorium lebenden Bewohner am rechten Donauufer, vornehmlich im Raum Mautern, nach Aufhebung des Weinbauverbotes in den Provinzen durch Kaiser Probus (276 bis 282), Weinreben zu pflanzen. Die erste schriftliche Nachricht vom Weinbau in der Umgebung Favianis finden wir ii der Vita Severihi/Kapitel IV, 6, wo es. heißt, daß der heilige Severin (t482) sich an einen Ort zurückzog, „qui ad vineas vocabatur“. Über drei Jahrhunderte schweigen sodann die historischen Quellen. Erst die Schaffung der karolingischen und ottonischen Mark führte zu einer planvollen Besiedlung des eingangs abgegrenzten Landstriches, getragen von Adeligen, Bischöfen und Klöstern. Die Abteien von Herrieden und Niederaltaich, das Stift Kremsmünster, die Erzbischöfe von Salzburg und die Bischöfe von Freising setzten sich im 9. Jahrhundert als erste in den Besitz von Weingärten in der Wachau, gefolgt vom Bistum Passau. In einer Urkunde von 893 werden auch erstmals „viniatores“ — Winzer — erwähnt.

Eine besondere Intensivierung erfuhr der Weinbau im 12. Jahrhundert, als die Stifte Göttweig (1083), Klosterneuburg (1120), Berchtesgaden (1133), Aldersbach (um 1135), Admont (1140), ferner Baumgartenberg und Reichersberg, Mondsee. Garsten, Raitenhaslach, Osterhofen, Waldhausen, St. Veit im Rottal, Herrenchiemsee und Baumburg (Bayern) in und um Krems bedeutenden Weingartenbesitz erhielten. Das Lesegut hatten die Abteien in ihre Höhe zu führen und durften dieses für den Eigenbedarf zum überwiegenden Teil mautfrei heimtransportieren. Aus dieser Zeit sind uns auch die ältesten Riednamen überliefert: 1135 Wein-zierlberg, 1120 Tailland, 1137 Wartberg, um 1180 Gebling und Windleiten, 1204 Frechau, 1208 Sandgrube und in Stein die Riedbezeichnungen Altenburg und Fülenbach 1188 sowie Pfaffenberg seit 1230.

Die Wichtigkeit des Weinbaues für die beiden landesfürstlichen Städte Krems und Stein wird in dem 1305 verliehenen Stadtrecht mit Nachdruck hervorgehoben, wo es heißt: „Seid der selben stet ze Chrems und Stain ere und gefüer aller maist an den Weingarten leit...“ Krems unterband in der Stadt selbst die Konkurrenz anderer'alkoholischer Getränke und erwirkte beispielsweise 1355 von Herzog Albrecht II. ein Verbot, welches das weitere Bierbrauen im Hof des Klosters Osterhofen untersagte.

Die Passauer Mautbücher um 1400 geben ein beredtes Zeugnis von dem umfangreichen Weinexport der Bürger beider Städte, welche mit ihrem Anteil von 15.000 Hektoliter Wein die Spitze der österreichischen Kaufleute einnahmen.

Die Tatsache, daß im Mittelalter über 75 Prozent der Bevölkerung von Krems und Stein vom Weinbau lebten, macht einen frühen handwerklichen Zusammenschluß der Hauer verständlich. rjje Hauerinnung von Krems und Stein, seit 1477 urkundlich nachweisbar, ist die älteste der bestehenden Winzerzünfte in Österreich. Sie geht vermutlich auf die aus dem Jahre 1330 stammende St.-Pauls-Zeche zurück und vereinigte sich mit der in Stein seit 1388 bestehenden gleichgearteten „Weinzierlzeche“.

Die wirtschaftliche Lage der Winzer verschlechterte sich im 15. Jahrhundert zusehends durch das Überhandnehmen von Weingärten, so daß schon Maximilian I., insbesondere durch die Weinordnung des Jahres 1498, versuchte, hier Abhilfe zu schaffen. Ferdinand I. ließ in der Offizin des Hans Singriener in Wien 1548 eine Weingartenordnung drucken, die für Krems und Stein sowie für die umliegenden Herrschaften, Städte, Märkte und Dörfer Gültigkeit hatte. Darin wurden die Verpachtung von Weingärten und die Wöngartenarbelt bei angemessener Entlohnung geregelt sowie das Verbot ausgesprochen, neue Weingärten auszusetzen. Die Durchführung dieser Bestimmungen oblag hierbei für das Gebiet von der mährischen Grenze bis zum Tullner-feld den beiden Städten, die zur Erfüllung des Auftrages sogenannte „Uberreiter“ bestellten. Wie schwierig sich diese Aufgabe gestaltete, beweist die Herausgabe einer neuen „Krembs und Stainerischen Weingart-Ordnung“ durch Kaiser Maximilian II. im Jahre 1576, weil nach der älteren „bishero gar wenig gelebt“ worden war.

Die Landesfürsten wußten übrigens den Kremser Wein besonders zu schätzen; er wurde 1490 bei der kaiserlichen Hoftafel in Linz getrunken, und Kaiser Maximilian I. hat der Pfalzgräfin Kunigunde von München mehrere Fässer „von unseren Weinen, so an dem Pfaffenberg bey Krembs wachsen“, schicken lassen. 1538 mundete das hiesige Gewächs König Ferdinand, und 1590 trank man in Bayern den Kremser Wein lieber als jenen aus Schwaben und Franken.

Das Schrifttum setzte sich verhältnismäßig früh mit dem Weinbau auseinander. 1513 erschien in Wien der Traktat des Hieronymus Emser über Wein, Bier und Essig. Recht ausführlich behandelt der Schottenschulmeister Johann Rasch in seinem „Weinbuch“ von 1580 den Weinbau, die Pflege der Weine und das Winzerbrauchtum. Stephan Sixsey zählt in seinem 1673 und 1749 gedruckten „Land-Compaß“ das Weinbaugebiet der Wachau zu den schlechtesten des Viertels ober dem Manhartsberg. Der berühmte schwäbische Prediger Abraham a Sancta Clara bezeichnete den Wachauer Wein als ausgesprochen sauer. Ja, selbst die Stadtverwaltung sah sich 1675 genötigt, die mindere Qualität mit den Worten einzugestehen: „Unsere Weine sind nur Wintter Trank, sich nit halten oder firtigen lassen und im Keller nur abnehmen.“ Weitaus kritischer ist die Feststellung von Andreas Stütz in seinem „Mineralogischen Taschenbuch“ aus dem Jahre 1807, wonach die „herkulische Arbeit“ in den Weinbergterrassen nur deshalb gemacht wird, „um einen Most zu erzielen, der mehr zu Essig als zu Wein gemacht wird“.

Die Ursachen für den Qualitätsrückgang lagen teilweise am Klima, teilweise am Verbot der Weinausfuhr beziehungsweise an den hohen Ausfuhrzöllen seit Rudolf IL

Trotz der wenig schmeichelhaften Feststellungen blieb der Weinbau die wichtigste Erwerbsquelle der Bevölkerung. Einer Zählung des Jahres 1745 ist zu entnehmen, daß 179 Kaufleute und Handwerker Weingartenbesitz aufzuweisen hatten und darüber hinaus noch 55 Weingartenbesitzer ohne sonstigen Beruf waren; nur 94 Händler und Handwerker besaßen keine Weingärten. Dazu kamen noch 120, Hauer und Inwohner mit Weingärten und 81 Inwohner ohne Eigenbesitz.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war es den beiden Persönlichkeiten Dr. Ferdinand Dinstl in Loiben und dem Kremser Franz Wertheim zu danken, daß die bisherigen Massenträger durch Edelsorten ersetzt wurden, wodurch wieder Qualitäts.vein auf den Markt gebracht werden konnte. Diese Bemühungen trugen bereits bei der Weltausstellung in London ihre Früchte, wo die Weine ihrer Güte wegen prämiiert wurden. Der Vorkämpfer des österreichischen Weinbaues, Freiherr von Babo, setzte sogar den Kremser Riesling dem Johannisberger vom Rheinland gleich.

Eine für den Weinbau umwälzende Erfindung gelang 1849 dem Kremser Zeugschmied Johann Keusch, als er an Stelle des Winzermessers die Rebschere verwendete. Eine wesentliche Erleichterung brachte auch die Konstruktion einer recht brauchbaren Kupfervitriolspritze zur Bekämpfung der Peronospora durch den Dürnsteiner Schlossermeister Schmidl im Jahre 1891.

Der Weinbau erfuhr nach dem Jahre 1945 eine besondere Pflege. Den gemeinsamen Anstrengungen aller Weinbauproduzenten ist es zu danken, daß der Kremser Wein ein Qualitätsbegriff geworden ist.

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