6766638-1968_37_15.jpg
Digital In Arbeit

Kultur in der Vitrine

Werbung
Werbung
Werbung

Niederösterreich ist In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg durch eine Anzahl spektakulärer Ausstellungen, deren Besucherzahlen ein bisher nicht gekanntes Ausmaß erreichten, in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten.

Niederösterreich ist nicht nur flächenmäßig das größte Bundesland der Republik Österreich, sondern auch museologisch gesehen das Land mit den meisten Museen; und das nicht nur, was ihre Zahl anlangt, es besitzt auch, wenn man so sagen will, die größte Dichte an öffentlichen und privaten Sammlungen. Denn hier lassen sich, vom Niederösterreichischen Landesmuseum in Wien abgesehen, heute nicht weniger als über 80 kulturgeschichtliche Sammlungen in öffentlichem Besitz aufzählen, die interessierten Besuchern offenstehen, wobei daneben schätzungsweise aber mindestens doppelt so viele Privatmuseen existieren, von denen sich manche bezüglich der Qualität der gezeigten Exponate bzw. Ihrer Vielzahl ohne weiteres mit einer Anzahl öffentlicher Sammlungen messen können.

Schon 1833 wurde das Stadtmuseum Retz gegründet, im selben Jahr wie das Oberösterreichische Landesmuseum in Linz, wobei von den größeren Landessammlungen übrigens nur das älteste derartige Institut in Österreich, das Joanneum in Graz, älter ist, dessen Gründung durch Erzherzog Johann 1811 erfolgte, während hier in Niederösterreich zur gleichen Zeit lediglich passionierte Privatsammler, wie der Badner Landgerichtsarzt Dr. Rollett, der 1842 starb, bedeutende Sammlungen zustande brachten. Im weiteren sind hier unter den ersten Pionieren Franz Kießling, Vinzenz Kudernatsch, Johann Krahuletz und Josef Höbarth zu nennen, die alle ihre ursprünglich privaten Sammlungen schließlich der Öffentlichkeit widmeten.

1879 ist dann das Gründungsjahr des Städtischen Museums St. Pölten, zwei Jahre später erfolgte die Eröffnung des Stadtmuseums Krems, das Diözesanmuseum St. Pölten existiert seit 1888. 1898 wurden dann schon drei Lokalmuseen eröffnet: Bad Vös- lau, Mistelbach und Mödling. Seit etwa derselben Zeit sind auch die Burgsammlungen auf Kreuzenstein, Rosenburg, Greifenstein und Seeben- stein zugänglich.

Allenthalben entstanden in der weiteren Folge eine Anzahl von Heimat- und Stadtmuseen, die mitunter sammlungsmäßig recht bedeutende Objekte erwerben konnten. Folgende Sammlungen wurden dann in den knapp anderthalb Jahrzehnten von der Jahrhundertwende bis zum ersten Weltkrieg der Reihe nach eröffnet: das Kaiser-Franz- Joseph-Museum in Baden bei Wien, das aus dem ganzen Land Bestände erwarb und insbesondere einen Teil der Waldviertier Sammlung Kieß

ling in seinen Besitz zu bringen vermochte, weiters die Museen in Kor- neuburg, Melk, Hollabrunn, Ybbs, Wr. Neustadt, Waidhofen a. d. Ybbs, Dreistetten, Klosterneuburg, Laa, Neunkirchen, Stockerau, Gmünd und Lunz am See.

Und nun erst in diesem Zeitraum, am 12. November 1902, erfolgte die Gründung des Niederösterreichischen Landesmuseums in Wien, das neun Jahre später, knapp vor dem ersten Weltkrieg, seine Tore aufschloß; mit ihm erstand das schon lange fehlende Zentralinstitut. Doch setzte diesem hoffnungsvollen Beginn der erste Weltkrieg jäh ein Ende.

Die Sammlungen von Poysdorf und Raabs begannen bald nach Kriegsende in Erscheinung zu treten; jene von Pögstall, Neulengbach, Traismauer, Waidhofen a. d. Thaya, Drosendorf, Pöchlarn, Fischamend und Hainburg schlossen sich ihnen an. Alle diese Museen hatten bis dahin Übersichten zu der Vielzahl von Themen vergangener Lebensbereiche ihrer Heimat zu geben versucht. Einzig das Niederösterreichische Landesmuseum hatte seinen Materialien nach überregionale Bedeutung, während erstmals das seit 1928 von Dr. Hans Plöckinger in Krems gegründete Weinmuseum eine historische und sachkundliche Gesamtschau über einen einzigen Wirtschaftszweig, den Weinbau in Niederösterreich, aufzeigte.

Für die weitere gedeihliche Entwicklung brachte der zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit allerdings wieder eine schmerzliche Zäsur, in deren Folge zunächst die Bergungen der meist sehr rasch und unzureichend verlagerten Bestände in die Wege zu leiten waren, die größtenteils starke Kriegs- und Nachkriegsschäden davongetragen und zum Teil leider auch unwiederbringliche Verluste erlitten hatten. Doch rasch schritt der Wiederaufbau voran, ja zu der vorhandenen Anzahl aus der Vorkriegszeit wuchsen noch fast dreißig meist kleinere kulturgeschichtliche Sammlungen hinzu.

So konnte bereits ein Jahr nach Kriegsende die erste volkskundliche Dependance des Niederösterreichischen Landesmuseums, die aus der Privatsammlung F. Grien hervorging, in Weikendorf im Marchfeld erstellt werden. Vielfach änderte man antiquierte und überladene Aufstellungen und gestaltete nach modernen, auf das Wesentliche hin ausgerichteten Gesichtspunkten. Eine ganze Anzahl von Sammlungen ließ sich dahingehend vom Niederösterreichischen Landesmuseum beraten, den Anfang machte 1948 bezeichnenderweise das älteste Museum, das Stadtmuseum Retz; es folgten dann die Sammlungen auf der Burg Greifenstein, in Waidhofen an der Thaya, Reichenau, das in seinem Rahmen erstmals auch für ein Spezialmuseum, ein Bergbaumuseum, Platz bot, dann in Waid

hofen an der Ybbs, Drosendorf, Neunkirchen, Traismauer und Mödling.

Der Erfolg blieb nicht aus. Allen diesen Institutionen gelang es, in der Öffentlichkeit lebhafte Zustimmung zu finden, besonders gefiel jedoch die Neuadaptierung der Sammlung im Stift Herzagenburg, als sich vor einigen Jahren das „Stift und seine Kunstschätze“ in neuem Gewand darboten.

Aber auch eine Anzahl neuer, vorerst kleiner lokaler Sammlungen entstand seit 1950.

Doch deutlich läßt sich museologisch ein neuer Zug seit dem Ende der fünfziger Jahre feststellen: Ausgehend vom Gedanken einer gezielten Konzentrierung, um dem groß- teils sich gleichenden Ausstellungsmodus in den meisten Bezirks- und Heimatmuseen gegenüberzutreten, entschloß man sich, Spezialmuseen einzurichten, deren Vorbild die äußerst positiv und nachhaltig wirkenden starken Anregungen und Aufsammlungshinweise der schon anfangs erwähnten, seit 1959 stattfindenden Großausstellungen waren, die gute Übersichten brachten, wie die Romanikausstellung in Krems, die Gotikausstellungen in Krems und Wr. Neustadt, die Barockausstellungen in Melk und im Stift Altenburg, weiter die für die Volkskultur so wichtige Gutensteiner und Miesenbacher Biedermeierausstellungen 1962.

Die ersten dieser Spezialmuseen entstanden in Petronell, Pöggstall und Marchegg, wobei die Renovierungen dieser drei Schloßgebäude eigentlich den Anstoß zur Etablierung von Museen gegeben hatten. Ähnlich war es mit dem Haydn- Haus in Rohrau und dem Wachau- museum im Telsenhoferhof, die sachlich geschlossene Themen beinhalten, aber doch Museen heimatkundlichen Charakters sind.

Der Beginn der sechziger Jahre bringt dann bezeichnenderweise keine so bedeutende Vermehrung der kleineren Sammlungen, ab 1960 wachsen dann nur noch Hadersdorf am Kamp und Orth an der Donau zu, das letztere allerdings in Verbindung mit einem Fischereimuseum. Die jüngsten Neuaufstellungen wurden 1965 in Lunz, im Kaiser-Franz- Joseph-Museum in Baden mit der Betonung von Handwerk und Volkskunst, in Gutenstein mit einer Spezialisierung auf die historische Holzwirtschaft und 1967 im Stadtmuseum Mistelbach vorgenommen. Im selben Jahr konnte übrigens auch in Gmünd das Stadtmuseum neu aufgestellt werden und sowohl ein Glasmuseum als auch heuer das Steinmuseum eröffnet werden, als Dokumentation für die bodenständige Frühindustrie dieser Landschaft. Wie man sieht, hält die Tendenz zur Spezialisierung also weiter an.

In diese neue Entwicklung musea

len Gestaltens fällt 1963 die Errichtung einer Dependance des Museums für Angewandte Kunst im Schloß Petronell, wo vor allem neuzeitliches Kunsthandwerk ausgestellt wurde. Einer ähnlichen Schau widmete man 1967 das Schloß Riegersburg, nachdem 1964 sowohl die barocken Expo- sita als auch das Kunsthandwerk dieser Epoche aus den Beständen des Niederösterreichischen Landesmuseums im Schloß Heiligenkreuz- Gutenbrunn einen neuen Platz gefunden hatten.

In ähnlicher Weise beherbergt auch seit dem Jahr 1966 das dem Stift Zwettl gehörige Schloß Gobelsburg bei Langenlois eine Sammlung altösterreichischer Volksmajolika aus den Beständen des österreichischen

Museums für Volkskunde in Wien. Schon einen Schritt weiter über die Dezentralisierung der Barocksammlung des Niederösterreichischen Landesmuseums führte dann die Verlegung einer ganzen Abteilung desselben Instituts, der „Altertümer österreichischer Strafrechtspflege“, die aus Raummangel seit 1964 nicht mehr im Stammhaus in der Herrengasse öffentlich gezeigt werden konnten, in das Schloß Greillenstein bei Horn, wo sie an den im Originalzustand erhaltenen Gerichtssaal der ehemaligen Herrschaft sinnvoll angegliedert werden konnten.

Damit halten wir in der Gegenwart, und es wird sich zeigen, inwieweit diese vielfältigen Bestrebungen weiter erfolgreich sein werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung