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An der Limesstraße in Vindobona

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Das Haus Herrengasse 9, Sitz des am 9. Juni wiedereröffneten Niederösterreichischen Landesmuseums, ist das besterforschte Gebäude Wiens. Seine vorwiegend während der durch den U-Bahn-Bau bedingten Schließzeit von zwei Jahren aufgedeckte Geschichte büdet das Thema der ersten Sonderausstellung des größtenteils neu adaptierten Museums.

Sie beginnt Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts und wird unter anderem durch einen bei archäologischen Grabungen unter dem heutigen Hof gefundenen Bronzekessel veranschaulicht. Er gehörte Handwerkern, die hier in einem Bruchsteinhaus mit Front Limesstraße siedelten und arbeiteten. Denn genau an der Stelle, an der im Mittelalter eine Hochstraße mit Häusern der Adeligen und Ritterbürger entstehen sollte, verlief in römischer Kaiserzeit die wichtigste Verkehrsader zwischen Klosterneuburg und Vindobona.

Wie die Straße im Mittelalter beschaffen war, kann der Museumsbesucher gleich beim Eingang betrachten. Im ersten Schauraum im Parterre hat man die mittelalterlichen Pflasterungen Stein für Stein originalgetreu verlegt. Vom ersten Herrensitz in der späteren Herrengasse zeugen bemerkenswerte Dokumente. Aus ihnen geht hervor, daß ihn der reiche Ministeriale Seifried von Mödling im Jahr 1250 errichten ließ. Sein Besitz kann als eigentlicher Vorgängerbau des Palais Clary-Aldringen bezeichnet werden, jenes Stadtpalastes, der 1922 von der Anglo-Österreichi-schen Bank um 100 Millionen Schilling verkauft wurde und schließlich an das Land Niederösterreich kam.

Die „Vom Adelssitz zum Landesmuseum“ betitelte Sonderausstellung zeigt ab 1440 lückenlos das Schicksal des Hauses Herrengasse 9. Damals wurde das Haus vom „edlen Hans Pruckner und seiner Gattin Susanne“ erworben. Hochinteressant ist eine Inventarliste, die Pruckners Erben aufgestellt haben. Sie gestattet einen Einblick in die Vermögens- und Wohnverhältnisse eines reichen Bürgers des 15. Jahrhunderts.

Nicht weniger aufschlußreich sind die Beschreibungen beziehungsweise Pläne der Innenräume des Mollardschen und schließlich Claryschen Stadtpalastes. Den besten Eindruck liefern die ersten kürzlich in Teplitz in der CSSR entdeckten Aquarelle des , böhmischen Oberstjägermeisters Franz Wenzel Graf (Fürst) Clary und AI dringen, der das Palais 1760 erworben und zu einem Treffpunkt der Aristokratie gemacht hatte, wo sich auch Joseph II. zur „Tischrunde“ einfand.

Neben der bis 9. Jänner laufenden Sonderausstellung zeigt das Niederösterreichische Landesmuseum den Gelben Salon mit Gemälden und Plastiken von der Gotik bis zum Barock unverändert und die naturwissenschaftliche Sammlung nach modernen museumspädagogischen Gesichtspunkten neu gestaltet.

Viel Raum erhalten in der Summe die Exponate aus den primär nach 1945 etablierten Außenstellen: dem Donaumuseum in Orth an der Donau, dem Jagdmuseum in Marchegg, dem Afrika-Museum in Bad Deutsch Altenburg, dem Museum für Urgeschichte im Schloß Asparn/Zaya, dem in Planung befindlichen Museum für Frühgeschichte in Traismauer, dem bis Herbst 1989 geschlossenen Museum Carnuntinum in Bad Deutsch Altenburg, dem Barockmuseum in Schloß Heiligenkreuz-Gutenbrunn, dem Wachaumuseum in Weißenkirchen, dem Hanak-Museum in Langenzersdorf, dem Museum für Volkskultur im Meierhof Groß-Schweinbarth und dem Museum für Rechtsgeschichte in Schloß Pöggstall. All diese Exponate können aber nur als Kostprobe verstanden werden - bis vielleicht in ein bis zwei Jahrzehnten in St. Pölten ein neues niederösterreichisches Museumszentrum entstanden ist.

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