Die Museen an der Moldau

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Die Neueröffnung des Palais Schwarzenberg setzt einen Meilenstein in der reichen Museenlandschaft von Prag.

Besucher der Goldenen Stadt kehren zumeist mit leuchtenden Augen heim, aber von Museen wissen sie selten zu berichten. Gewiss, über einen Louvre oder eine Museumsinsel verfügt Prag nicht, aber was generell für die Stadt gilt, das gilt auch für ihre Museen: Es gibt unendlich viel zu entdecken.

Aktuell etwa das Palais Schwarzenberg am Hradschiner Platz. Über und über mit Sgraffiti bedeckt und dank seiner beherrschenden Lage entgeht es dem Touristen nicht, aber den Burgberg abwärts wandernd werden seine Blicke vom Veitsdom angezogen, und wenn gar die Wachablöse auf dem Programm steht, bleibt alles andere liegen - links der unscheinbare Zugang zum Palais Sternberg, in dem die Nationalgalerie ihre Bestände an europäischer Kunst von der Antike bis zum Ende des Barock präsentiert, und rechts jener zum Palais Schwarzenberg, in dem die Národní galerie seit Ende März ihre Barockschätze zur Schau stellt.

Gebäude wie Sammlung haben wie alles in Prag eine bewegte Geschichte hinter sich. Erbaut wurde das Palais von der Familie Lobkowicz, kam aber bald danach in den Besitz der Schwarzenberg. Ab 1910 war hier das Technische Museum untergebracht, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Krumauer Linie enteignet und im Gebäude das Militärhistorische Museum installiert (der tschechische Außenminister gehört der Orliker Linie an, die einen Teil ihres Besitzes zurückerhielt). Im Jahr 2002 wechselte das Objekt das ministerielle Ressort und wurde generalsaniert.

Barock in Böhmen

Die 1938 gegründete Barocksammlung wurde in den 1960er Jahren im Georgskloster hinter dem Veitsdom untergebracht, wo derzeit gerade die böhmische Kunst des 19. Jahrhunderts einzieht. Letztere hatte unter Hammer und Sichel im Agneskloster Unterschlupf gefunden, wechselte nach der Samtenen Revolution in den Messepalast und soll nach dem Interimsaufenthalt im Georgskloster im noch zu renovierenden Palais Salm gleich neben dem Schwarzenberg ihre dauernde Bleibe finden.

Die Erleichterung ist Vít Vlnas, dem in der Nationalgalerie die alte Kunst untersteht, anzumerken, dass zumindest die Odyssee der Barocksammlung ihr Ende gefunden hat und zumal die riesigen Skulpturen die Übersiedlung unbeschadet überstanden haben. Auch dass die Neuaufstellung nicht mehr auf ideologische Vorgaben Rücksicht nehmen musste, erfüllt ihn mit unverhohlener Freude, und selbst die nationaltschechische Verteufelung des Barock als habsburgische Kunstrichtung bekümmert ihn nicht mehr: "Diese Fragen sind gelöst."

Unverkrampft wird also in den geräumigen Gängen und Sälen die Kunst des Barock in Böhmen präsentiert, sei sie nun Tschechen zu verdanken wie dem Maler Karel Škréta oder dem aus Sautens im Ötztal gebürtigen Bildhauer Matthias Bernhard Braun. Geschickt das Raumangebot ausnützend hat man etwa in einem Saal eine barocke Galerie von dicht gehängten Kleinformaten nachempfunden und in einem anderen Künstlerporträts zusammengestellt (eines davon als Leihgabe der Brüder Ivan und Václav Havel). Und immer wieder bieten sich atemberaubende Ausblicke durch die Fenster, auf der einen Seite auf den Hradschiner Platz mitsamt der erwähnten Wachablöse und auf der anderen hinunter auf das Dächergewirr der Kleinseite und das die deutsche Botschaft beherbergende Palais Lobkowitz, in dessen Garten 1989 Tausende DDR-Flüchtlinge kampieren durften.

Politische Umbrüche

In einem anderen Palais Lobkowitz, das den Burgkomplex an seinem unteren Ende abschließt und das 1992 der Raudnitzer Linie restituiert wurde, hat diese vor einem Jahr die wertvollsten Stücke ihrer Familiensammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wo jahrzehntelang die Kommunisten den Besuchern ihre Sicht der tschechoslowakischen Geschichte aufoktroyiert und die slawische Brüderschaft hochgejubelt hatten, machen die im 20. Jahrhundert zweimal enteigneten und zweimal wieder zu ihrem Besitz gelangten Fürsten kein Hehl aus dem Stolz auf ihre weit vor Marx zurückreichende Geschichte und beschriften die Objekte englisch und tschechisch. Das "best museum of Prague" haben sie wohl nicht geschaffen, aber Breughels "Heuernte" und die beiden London-Veduten von Canaletto sowie Autografen von Mozart und Beethoven stellen ohne Zweifel eine Bereicherung des Burgkomplexes dar.

Dem zuvor hier eingenisteten Nationalmuseum bleibt immerhin das Recht verbürgt, als Untermieter den barocken Festsaal mit Sonderausstellungen zu bespielen, und es macht davon in einfühlsamer Weise Gebrauch. Bis zum 27. Juli ist derzeit eine Exposition zum 100. Todestag des Architekten Josef Hlávka zu sehen, der in Wien als Baumeister der Staatsoper und des Akademischen Gymnasiums Furore gemacht und in Prag als Gründer der Akademie der Wissenschaften sowie einer nach ihm benannten Stiftung Geschichte geschrieben hat.

Josef Hlávka-Ausstellung

Kurator der exquisiten kleinen Schau ist Karel Ksandr, der als Stellvertretender Generaldirektor des Nationalmuseums nicht nur für die zahllosen Außenstellen dieses größten Imperiums der tschechischen Museumslandschaft zuständig ist, sondern auch für deren größten Relaunch, die Renovierung des Hauptgebäudes am oberen Ende des Wenzelsplatzes. Vor zwei Jahren hat das Národní muzeum das moderne Gebäude links vom Hauptgebäude zugesprochen erhalten, in dem nacheinander die Börse, die Föderalversammlung und Radio Free Europe residiert hatten. Dort werden sukzessive sämtliche Bestände zwischengelagert, und nach der für 2015 geplanten Wiedereröffnung des Hauptgebäudes sollen hier große Sonderausstellungen stattfinden, für die bisher kein Platz war - nicht nur ein Meilenstein, sondern Höhepunkt einer Umbruchszeit, die Prag auch als Museumsstadt derzeit so spannend macht.

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