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Jeder gegen jeden C

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Aus Torheit und aus Eitelkeit , 8ind wir in uns zerfallen.“ Das schrieb 1848 einer der besten Kenner der österreichischen Seele, der nach Herkunft und Geist geradezu plakativ verkörperte, was er selbstquälerisch kritisierte: Franz Grill-parzer. Verloren haben wir seit Grill-parzers Tagen diese Eigenschaften nicht, obgleich Österreich heute kein Vielvölkerstaat ist und nicht mehr in böhmisch, magyarisch, slowakisch, serbisch, toskanisch oder piemontesisch denkt, dafür aber parteipolitisch und in „Bundesländern“.

Anders als etwa die „Grande Nation“ mit ihrem 2OO-Jahr-Jubiläum der französischen Revolution beginnen sich die verantwortlichen Politiker auch erst allmählich darauf zu besinnen, daß es 1996 den tausendjährigen Bestand Ostarrichis zu feiern gilt und man in Selbstdarstellung sich selbst und der Welt in entsprechender Form aufzeigen solle, was aus der babenbergischen Keimzelle, die von der Erms abwärts bis zum Wienerwald und Alpenvorland reichte, erwachsen ist.

Wie das allerdings zu realisieren sei, darin gehen in aller Zerfallen-heit die Meinungen auseinander. Einer der Vorschläge bezieht sich auf Wien als Hauptstadt der Alpenrepublik und Zentrum der Prestige-Manifestationen Er beinhaltet einen Austausch einiger Weltausstellungsprojekte mit jenen der Millenniums-Feierlichkeiten, falls sich Budapest tatsächlich von einer gemeinsamen Exposition zurückziehen sollte und Österreich allein die Kosten für eine internationale Lei-stungsschau nicht tragen könnte und wollte.

Zieht man die Projekte für die eigentliche Fachmesse ab, bleibt für das Ostarrichi-Gedenkjahr der kulturelle Rahmen der Weltausstellung übrig.

Zu diesem gehört - wieder im Unterschied zu Frankreich, wo in der Seine-Metropole Großbauvorhaben aus dem Boden gestampft worden sind, die von einer neuen Oper über ein neues Theater bis zu neuen Wohnkomplexen reichen -eine weitere Sanierung von Kulturbauten und von einigen Altstadtvierteln. Dazu zählt die Generalsanierung des Kunsthistorischen und des Naturhistorischen Museums, des Museums für angewandte Kunst und des Bundesmobiliendepots. Ausgebaut wird in diesem Zusammenhang auch das unter der Direktion von Peter Rebernik als Stätte der Präsentation von Werkzeugen und Maschinen aus seinem Dämmerschlaf erwachte Technische Museum und das Palais Lobkowitz, das zum Theatermuseum umfunktioniert wird.

Wie es allerdings hinter den Kulissen der meisten Großmuseen weitergehen wird, stellt eine Preisfrage dar: Herrscht doch im Kunsthistorischen Museum nicht erst seit Hermann Fillitz' angekündigtem Ausscheiden - jetzt allerdings noch mehr - Verunsicherung und Chaos, lauern schließlich im Museum für Völkerkunde mehrere „Kronprinzen“ auf die Pensionierung Hans Manndorffs, leiden im Museum für angewandte Kunst viele Angestellte unter den „Umkrempelungsmaß-nahmen“ Peter Noevers, können manche ruhelosen Geister kaum die Stunde von Hubert Adolphs Abgang aus der österreichischen Galerie erwarten und erweist sich letztendlich das Museum moderner Kunst durch die unvorhergesehene Übersiedlung Dieter Rontes als empfindlich geschädigt.

Was wird nämlich unter einem neuen Direktor mit den Sammlungen des Palais Liechtenstein und des „Zwanzgerhauses“ geschehen, denen das Wissenschaftsministerium nicht einmal unter dem konstruktiv an der Adaptierung des Messepalastes mitarbeitendenRon-te genügend Raum zugestand?

Wie wird die „Jahrhundertchance“ Messepalast angesichts dieser neuen Konstellation aussehen?

Bessere Aussichten auf einen großzügigen Umbau hat die jahrelang als österreichische Variante zum Pariser Centre Pompidou gepriesene „Museumsinsel“ wohl selbst dann nicht, wenn sie statt im Jahr 1995 erst zur Millenniumsfeier eröffnet werden sollte. Zudem hält die Wiener Messe AG an ihrem Vorsatz fest, das Feld nicht vor 1992 zu räumen. Und nach wie vor hat die von Bürgermeister Helmut Zük favorisierte Stadträtin Ursula Pasterk anderes mit der im Messepalast projektierten Ausstellungshalle im Sinn als Erhard Busek.

Der Minister hingegen hat zumindest bislang ebenso wie Wirtschafte -minister Wolfgang Schüssel keine Stellung dazu bezogen, ob er bei einem NichtZustandekommen der Weltausstellung ein größeres Budget für die Messepalastnutzung bereit hätte.

Das einst große Vorbild für das Jahrhundertprojekt, das bereits zwischen 1972 und 1976 errichtete Centre PompLdoumitseinemMusee National d'Art Moderne, seiner Informationsbibliothek mit mehr als einer halben Million von Büchern, etwa ebenso vielen Dokumenten, Tonträgem, Mikrofilmen, Foto-, Dia-, Zeitschriften- und Tageszeitungsbeständen, einer permanenten Ausstellungshalle für Industrie-Design, einem wissenschaftlichen Studio für elektronische Musik, einem Theater und einer Buchhandlung ist jedenfalls nicht erst während der Revolutionsfeierlichkeiten neben dem als Eingangsbauwerk zur Pariser Weltausstellung von 1890 geschaffenen Eiffelturm zum zweiten Wahrzeichen der Stadt geworden Es hat die hundert Jahre alte ingenieurtechnische Pionierleistung des eisernen Turmes in der touristischen Aufmerksamkeit schonlängst überflügelt.

Noch höhere Besucherzahlen weist jedoch der eben zum größten und mo dernsten Museum umgestaltete Louvre samt seiner Glaspyramide auf. Denn wenn auch die Franzosen zunächst die „Pyramide des Präsidenten“ nicht goutierten, ihren Bau verhindert hat kein Politiker, da sie der Ehre der „Grande Nation“ gewidmet ist.In Österreich dagegen folgt auf ein Konzept ein Gegenkonzept. Der Wettbewerb kommt nicht zu Ende, weil sich jeder gegen jeden querlegt.

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