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Das antike Grabmal in der Lagerhalle

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Der Druck der Türken wird immer stärker: „Stellt das Heroon aus oder gebt es zurück”, lautet ihre Forderung an Österreich. Ob sie selbst das Grabmal eines lykischen Herrschers aus Trysa, nahe dem heutigen Dorf Gölbasi im Südwesten der Türkei, denkmalpflegeri-schen und musealen Kriterien entsprechend ausstellen würden, darf schon aus finanziellen Gründen bezweifelt werden. Dessen ungeachtet bleibt es mehr als unverständlich, daß man in Österreich - unter anderem für Guggenheim - ein mit Objekten unbekannter Qualität zu bestückendes Museum bauen möchte und bis vor kurzem beabsichtigt hat, auf dem Areal der ehemaligen Hofstallungen einen unnützen und dem Ensembleschutz Hohn sprechenden Leseturm zu errichten, das 22 mal 26 Meter große Fürstengrab aus dem vierten Jahrhundert vor Christus hingegen seit 1882 in Depots lagert. Es ist schlichtweg eine Schande.

Trotzdem: Einen rechtlichen Anspruch auf Rückgabe dieses Kulturgutes gibt es für die Türkei nicht. Denn der Wiener Ordinarius für Klassische Archäologie Otto Benndorf hat das von griechischen und einheimisch-lykischen Künstlern geschaffene Monument mit den ersten perspektivischen Darstellungen der Kunstgeschichte einst legal erworben und legal ausgeführt. Die Kosten der Expeditionen in den Jahren 1881/82 beliefen sich nachweisbar auf 65.000 Gulden, was einem heutigen Wert von 5,2 Millionen Schilling entspricht.

Für den Transport der ursprünglich die Innenwände des Heroons umspannenden, 211 Meter langen Relieffriese sowie des mit Stierköpfen geschmückten Eingangstores und eines außerhalb des eigentlichen Grabbezirks postierten Sarkophages mußte Renndorf eine Straße vom Berg hinunter zur Küste bauen. An der Küste wurde die viele Tonnen schwere Fracht über eine zu diesem Zweck errichtete Holzbrücke auf das Schiff verladen.

Zwei Monate später landeten die Reliefs mit ihren aus dem Kalkstein gemeißelten 0,69 Meter bis 1,24 Meter großen 600 Figuren in Triest, zwei Wochen später in Wien.

Tor und Sarkophag kamen erst 1883/84 an - lädiert, da beim Abtransport ein Schlitten umgefallen und der Türsturz über einen Steilhang gekollert war. Sie wurden in der Restaurierwerkstätte des k. k. Münz- und Antikenkabinetts - des Vorgängers der Antikensammlung -restauriert. Weil das Kunsthistorische Museum aber im Rohbau fertig war, besaß es keinen Platz für das an Umfang und Mannigfaltigkeit der Darstellungen reichste Denkmal griechischer Reliefkunst in Lykien.

Architekt George Niemann, Teilnehmer an Benndorfs Gölbasi/ Trysa-Kampagne, legte einen Plan für ein Museum der „provisorisch” gelagerten lykischen Altertümer vor, das zwischen dem Kunsthistorischen Museum und dem Messepalast entstehen sollte. Das Oberstkämmereramt lehnte ab. So überlegte Niemann eine Präsentation im zweiten Hof des Kunsthistorischen Museums, ließ den Gedanken aber fallen, da dieser große Hof für eine originalgetreue Aufstellung nicht groß genug ist. Sinn aber macht einzig und allein die Rekonstruktion der Gesamtanlage -nicht die Wiederaufstellung der von den Heldentaten des Bestatteten, dem Sturm auf Troia, dem Freiermord des Odysseus, dem Kampf der Sieben gegen Theben sowie den Kentauren- und Amazonenkämpfen erzählenden Reliefs allein.

Endlich, rund hundert Jahre später, hieß es im Zusammenhang mit der projektierten musealen Nutzung der ehemaligen Hofstallungen des Fischer von Erlach, in einem der Höfe solle das Heroon einen Platz erhalten. Doch schon in der zweiten Phase des Architektenwettbewerbes blieb das Heroon unberücksichtigt. In der letzten Phase erst recht.

1989 schlug deshalb der Direktor der Antikensammlung, Wolfgang Oberleitner, Wissenschaftsminister Erhard Busek vor, einen Ausstellungsraum für das lykische Monument unter dem Niveau des Maria-Theresien-Platzes zu schaffen.

1990 genehmigte der Ministerrat den Bau - allerdings nicht unter dem Maria-Theresien-Platz, sondern unter dem Heldenplatz mit einem Zugang vom Ephesosmuseum in der Neuen Hofburg. Geschehen ist bislang da und dort nichts; dafür wurden 1992 die in viele Teile zerschnittenen Friesbänder aus dem Depot im Kunsthistorischen Museum in eine Lagerhalle an der Wiener Peripherie verlegt.

Wilfried Seipel, der seit seiner 1990 erfolgten Bestellung zum Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums weit über die von Hermann Fillitz eingeleiteten Maßnahmen hinaus zur baulichen Sanierung des Hauptgebäudes am Ring und den Außenstellen in der Neuen Burg zahlreiche Verbesserungen durchgesetzt und durchgeführt hat, gibt sich hinsichtlich der unterirdischen Präsentation im Umkreis des Maria-Theresien-Platzes zuversichtlich.

Der mit 1. Jänner 1995 als Direktor der Antikensammlung in Pension gegangene Wolfgang Oberleitner, wie kein zweiter mit dem Schicksal der Begräbnisstätte eines namentlich unbekannten lykischen Fürsten vertraut, äußert sich eher skeptisch und meint: „Wir haben doch kein Geld!” In einer Sondernummer der Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte „Antike Welt” vom Dezember 1994 stellt er seine Vision der Präsentation dieses fernab der griechischen Hochkultur in einem unzugänglichen Bergland entstandenen Denkmals vor.

Und während er vor einem Sparprogramm mit ausschließlicher Ausstellung der unterschiedlich gut erhaltenen Relieffriese und des stark verwitterten Tores warnt, zerstreut er eventuelle Bedenken gegen die Aufstellung unter der Erde: „Der Heroonsaal wird nicht unmittelbar von außen betreten. Im Fall Maria-Theresien-Platz ist der Ausgangspunkt das Kunsthistorische Museum. Stiegen und Lifte führen nach unten. Da dies im Gebäudeinneren vor sich geht, wird dem Besucher kaum bewußt, daß er sich ausschließlich auf Kellerniveau befindet. Dort setzt sich der Weg fort in Korridoren, die durch Exponate und Dokumentationen belebt sind, vorbei an Schaudepots und Ausstellungsräumen zum Höhepunkt: dem Heroonsaal.

Dessen Helligkeit muß so stark sein, daß sie dem Tageslicht weitgehend entspricht, damit das Gesamtdenkmal und die Reliefs annähernd in den Lichtverhältnissen zur Geltung kommen, für die sie geschaffen wurden. Angestrebt werden sollte Tageslicht in Verbindung mit Kunstlicht: eine kleine Tageslichtöffnung im Zentralpunkt der Decke (Lichtöffnungen im römischen Pantheon und im Planetarium der Diokletiansthermen!) würde genügen, um dem Raum jegliche Gruftatmosphäre zu nehmen.”

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