"Die Kuppel ein Gitterwerk"

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Eine Ausstellung dokumentiert die Geschichte des Kunsthistorischen Museums in den Jahren 1945-1955 und gedenkt derjenigen, die das Haus vor einer völligen Zerstörung bewahrt haben.

F rühjahr 1945! - Leere Säle in den Museen, in den verbliebenen Menschen eine Mischung von Angst, Überlebenswillen und Hoffnung, vor allem aber das quälende Warten auf das Unvermeidlichscheinende: wer von den Nachgeborenen kann die Stimmung des Kriegsjahres 1945 erfassen, ja nur erahnen? Jedes Gebäude hatte in diesen Monaten sein ganz eigenes Schicksal, doch nur selten wurde es so gut dokumentiert wie im Falle des Kunsthistorischen Museums. Das lag zum einen daran, dass sich unter den Frauen, die das Museum wie ihr eigenes Zuhause behüteten, auch die Museumsfotografhin Elisabeth Schwenk befand, ausgerüstet mit funktionierender Kamera und genügend Filmmaterial. Für die schriftliche Form der Dokumentation sorgte die "Luftschutzchronik", in der der Direktor der Antikensammlung, Fritz Eichler, als örtlicher Luftschutzleiter seit der Nacht vom 4. zum 5. September 1942 jeden einzelnen Alarm vermerkte. Die handschriftlichen Eintragungen sind von größtmöglicher Zurückhaltung und durch eine manchmal geradezu beklemmend wirkende Authentizität und Detailtreue gekennzeichnet, die angesichts der schrecklichen Wirklichkeit auf zusätzliche Emotionen verzichtet.

Ab November 1944 gab es fast täglich Fliegeralarm. Noch konzentrierten sich die Luftangriffe auf die Außenbezirke Wiens. Dies änderte sich im Jänner 1945. Ein dreieinhalbstündiger Bombenangriff beschädigte am 7. Februar das Parlamentsgebäude, die Universität und das Stadtpalais des Fürsten von Liechtenstein. Die Gefahr rückte immer näher, Teile der Innenstadt waren zerstört, viele Straßen durch Trümmerhaufen unpassierbar.

Wagenburg in Trümmern

Und dann die erste Schreckensnachricht: Beim Luftangriff auf das "Meidlinger Stöckl" in Schönbrunn am frühen Nachmittag des 21. Februars 1945 wurde die im Zuckerbäckerstöckel untergebrachte Wagenburg durch einen Volltreffer zerstört. Der "Imperialwagen" des Wiener Hofes, das Hauptstück der Sammlung, lag zwischen dem Schutt und den Holzteilen der eingestürzten Decke und des Daches in Trümmern!

Drei Wochen später, am 12. März 1945, verlagerte sich die Dramatik des Geschehens endgültig mitten in das Herz der Stadt. Frau Mathilde Pfannl, die 1945 als Direktionssekretärin im Kunsthistorischen Museum Dienst versah, war Augenzeugin und schildert in den "Erinnerungen" an ihre Dienstzeit ihren ersten Eindruck:

"Das Gelände rings um das Kunsthistorische Museum war durch viele Bombentrichter aufgewühlt, das Haus war schwerst getroffen. Die Kuppel ein Gitterwerk, Fenster zerschlagen, die Ecke Ring/Babenbergerstraße bis inklusive 1. Stock ein Trümmerhaufen. Im Nachhinein wurden mir die Geschehnisse des Vortags erzählt. Insgesamt sind 21 Bomben rings um das Museum gefallen, am Maria-Theresien-Platz legte eine Bombe rückwärts das Fundament des Maria-Theresien-Denkmals frei, das als einziges bedeutendes Denkmal nicht eingemauert war. Das Haus selbst wurde von vier Bomben getroffen: eine traf die Kuppel, eine zerstörte die Hausecke Ring/Babenbergerstraße mit dem davor stehenden Schwind-Denkmal, eine im 1. Hof vor der Säule (der darauf befindliche Kopf wurde zerstört) und eine ging durch ein Fenster der Antikensammlung rückwärts in die Tischlerei bis in den Keller." Unter heute kaum vorstellbaren Bedingungen war das im Museum verbliebene Personal um Schadensbegrenzung bemüht.

Gemäldegalerie in Brand

Doch alle Bemühungen schienen umsonst gewesen zu sein, als in Folge der Kampfhandlungen am Maria-Theresien-Platz durch sowjetischen Beschuss in den Sälen der Gemäldegalerie Brände ausbrachen, die sich schnell bis zur Decke ausbreiteten und auf das Münzkabinett im 2. Stock überzugreifen drohten. Noch waren die Flammen nicht unter Kontrolle als sich die ersten sowjetischen Soldaten dem Haus am Burgring näherten. Die Besetzung des Kunsthistorischen Museums durch Soldaten der Roten Armee erfolgte am Vormittag des 10. April. Die Hausfotografin, Frau Elisabeth Schwenk, hatte viel zu tun. Frau Pfannl berichtet: "Als sie [die russische Soldaten] erstmals mit dem Wunsch kamen, von ihr [Frau Schwenk] photographiert zu werden, bedeutete sie ihnen, daß ihr das nicht möglich sei, da der Photoapparat weggekommen' sei. Daraufhin erschien ein Russe und übergab ihr den museumseigenen Apparat. Natürlich mußte sie, um sich erkenntlich zu zeigen, Russen photographieren, einzeln, in Gruppen, im Haus, am Platz usw."

Mühevoller Wiederaufbau

Erst nach Tagen kam wieder so etwas wie "Normalität" auf. Die Frauen und Männer der ersten Stunde begannen auch im Kunsthistorischen Museum mit dem mühevollen, oft unbedankten Wiederaufbau. Erste Sicherungsmaßnahmen wurden gesetzt, alle Sorge galt dem ungewissen Schicksal der geborgenen Kunstwerke, die langsam, gleichsam Stück für Stück wieder heimkehrten. Ein erster emotionaler Höhepunkt war die symbolträchtige Übernahme der aus Nürnberg nach Wien zurückgebrachten Reichsinsignien und Reichskleinodien im Jänner 1946 durch die neu gewählte österreichische Regierung.

Die letzte Eintragung in der "Luftschutzchronik" stammt vom 13. April und gedenkt nicht zuletzt jener Frauen und Männer, die unter schwierigsten Bedingungen und nicht selten auch unter Einsatz des eigenen Lebens dazu beigetragen haben, dass das Kunsthistorische Museum im Frühjahr 1945 zwar getroffen, aber nicht zerstört wurde. Ihnen Dank zu sagen ist nicht allein deshalb eine selbstverständliche Verpflichtung, da vielen von ihnen dieser Dank zu Lebzeiten verwehrt geblieben ist.

Buch:

Herbert Haupt: "Getroffen, doch nicht vernichtet. Das Kunsthistorische Museum im Kriegsjahr 1945. Eine Chronologie der Ereignisse in Bildern"

Christian Brandstätter Verlag, Wien 2005, 152 Seiten, e 36,-

erhätlich im Museumsshop des KHM und im Buchhandel

Ausstellung:

"Getroffen, doch nicht vernichtet. Das Kunsthistorische Museum 1945 bis 1955", Kunsthistorisches Museum, Hochparterre, Saal XIX

8. November 2005 bis 29. Jänner 2006

Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr

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