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Ende und Beginn

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Im Abklingen des Jahres spürte man es deutlich, wie auch die “Kirchenmusik einem Abklang verfallen ist, dem Ende einer Entwicklung, die nicht mehr weiter kann und mehr und mehr zum „Betrieb“ geworden ist. Pastoralmessen, Hirtenlieder und Krippenspiele vermochten dem Weihnachts-erlebnis kein neues Gesicht zu geben. Dies aber wäre ihre Aufgabe gewesen, denn aus der großen Drangsal kommend, stehen wir Heutigen anders zum „Friede auf Erde“ als frühen: Generationen, deren tänzelndes Pastoral in uns nicht mehr widerhallt. Schüchtern nur manifestierte sich ein Wille zu jieuem Beginn in den ernsteren Klängen, die da und dort an Stelle der Hirtenflöten und Neisontrompeten die Ankunft des Herrn feierten, so in der fünfstimmigen Messe William Byrds, des Zeitgenossen Shakespeares, die in der Burgkapelle eHdang — in ihrer strengen Linienführung , ein Meisterwerk alter Kontrapunktik und mächtiger Impuls einer an Not und Wirrsal der unseren verwandteren Zeit als die geruhsamen Alt-Wiener Tage. Die stilvolle Wiedergabe litt leider an der Unzulänglichkeit der Tenöre.

— Statt d^r üblichen Haydn-Messen brachten mehifere Wiener Kirchen Beethovens C-dur-Messe, eine Radioaufführung unter Dr. Lippe sogar die „M issa solemni s“, die doch ihr Tiefstes nicht offenbarte. Dagegen gelang dem von Dr. Gillesberger geleiteten Chor der Maria-Treu-Kirche in der Wiedergabe der Parodiemeiise Ernst Tittels über „Innsbruck, ich muß dich lassen“ eine Meisterleistung schlechthin. Anerkennenswert der Mut, die strenge Polyphonie mitten in das Schalmeienregime zu tragen; der Wille, ein Ende zu machen und zu beginnen. —

Deutlicher als in der eigentlichen Kirchenmusik zeigte sich dieser Wille in den geistli einen Konzerten, vor allem im Weihnachtskonzert des Wiener Jugendchors unter Karl Ernst Hoffmann, der sein Programm von Palestrina zu J. S. Bach spannte. Die junge Chorgemeinschaft sang die sdiwierigen Motetten in kristallheller Klarheit und sozusagen mit tönendem Herzen, was ihr die Herzen der Zuhörer irji Sturm, eroberte. Hildegard und Alois Forcr führten als Solisten den Abend zu glanzvollen Höhepunkten.

— Der nun hundertjährige „Elias“ wurde durch die Wiener Kammerkonzerte wjeder zu neuem Leben erweckt und erwies] sich uns näher als vieles Neuere. Einer Kanimeraufführung allerdings wenig günstig, geriet seine Wiedergabe mehr ins Laute als ins Wuchtige. Doch gelang es dem Dirigenten Franz Krauß, im zweiten Teil eine sehr beachtliche Leistung zu erzielen und Solisten (Rokyta, Burgstaller-Schuster, Majkut, Braun, letzterer die Spitzenleistung des Abends), Chor und Orchester zu jener Einheit zu steigern, die den Hörer bannt. — Kurt Rapf führte in einem Orgelkonzert die höchste Linie strenger Kunst von J. S Bach bis in die

Gegenwart herüber. Mittelpunkt war die große Phantasie und Fuge op. 135 b Max Regers, darin der Künstler sich ausgab, so daß Franz Schmidts C-dur-Präludium und Fuge, obwohl zeitlich am nächsten, uns seelisch ferner blieb, vielleicht auch, weil der „neue Beginn“, den uns Hindemith überzeugender vermittelt hätte, sich darin nicht aussprach. — Bachs „Weihnachtsoratorium“, als Veranstaltung der Bach-Gemeinde diesmal im Großen Musikvereinssaal einem zahlreichen Publikum vorgeführt, erwies sich wieder als das genialste Werk weihnachtlichen Musizierens, als Triumph der Weihnachtsfreude in höchster künstlerischer Vollendung, der die Aufführung unter Julius Peter gerecht wurde, während sie durch das — an sich wertvolle — Beiprogramm eher Abbruch als Steigerung erfuhr.

Noch fehlt die neue Weihnachtsmusik, besonders die neue Weihnachtsmesse. Zeitgenössische Kompositionen liegen vor der großen Drangsal, haben den neuen Ton nicht, den wir suchen, den neuen Sinn nicht, den die Christnacht für uns bekam, die uns nicht mehr Symbol bürgerlichen Behagens ist, sondern zum Fest der Heimatlosigkeit wurde. Flüditlinge waren es, die im Stall zu Bethlehem Gott als ihren Gast empfingen. Ausgestoßene, die wie wir in verlorene Fernen schritten, nur durch einen Vorhang von Augenblicken von der Er-sdieinung des Herrn getrennt. Nie mehr wird Weihnachten für uns diesen Ernst verlieren, immer wird uns die Ankunft Christi mit dem Gedanken an seine nahe Wiederkunft verbunden sein. Den Ausdruck dieser seelischen Einstellung erwarten wir von der neuen Weihnachtsmusik, die kommen muß, soll nicht das schönste Fest der Christenheit zu musealem Klang erstarren. Die Heimkehr zu Palestrina und Bach ist der schönste Beginn dieses neuen Weges.

Ausstellungen in Wien

I, Bezirk

Albertina: „Das schöne Wien“, (Mo, Di, Do, Fr 10—14; Mi, Sa 10—13, '15—18).

Altes Rathaus: „Schätze aus dem Schutt“ (9—13, 17—19; So 9—13).

Erzbisdiöfliches Palais: „Dom- und Diözesan-museum“ (Di, Do, So 9—12).

Galerie Welz, Weihburggasse 9: „Vilma Eckl“ (9—17; Sa 9—13).

Hofburg, Michaelerplatz: „Meisterwerke der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums“ (10—16, Fr. geschlossen; So 10—13).

Museum für Völkerkunde, Hofburg, Ringtrakt: „österreichische Forscher in aller Welt“ (9—13; So 10—13; Mo geschlossen).

Neues Rathaus, Feststieee 1: „Neuerwerbungen der städtischen Sammlungen feit April 1945“ (9—13; Mo geschlossen).

österreichischer Werkbund, Kärntnerstraße 15: „Luxusausgaben französisdicr Bücher“ (10—17).

Ausstellungsräume Opernring 11: „Verhüte Verkehrsunfälle“ (9—12, 13—18; So 9—17).

Wirtschaftsgenossenschaft der bildenden Künstler, Opernring 17: „Junge Kunst“ (8—13, 14—16; Sa 8—13).

HI. Bezirk

Konzerthaus: Verkaufsausstellung „Wiener Malerei zu Weihnachten 1946“ (9—17).

VI. Bezirk

Kulturreferat Mariahilf, Getreidemarkt 8: „Er-win-Dom-Osen-Aquarelle“ (9—17; So 9—13).

Local France, Mariahilfer Straße 47: „Französische Volkskunst auf dem Gebiet der Graphik und Plastik“ (9—12, 14—17).

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