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Herzog Blaubarts Burg Persephone Catulli Carmina

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Den Stilwandel des musikalischen Theaters seit der Jahrhundertwende konnte man an drei Werken studieren, die Höhepunkte dieser ersten Musikfestwoche markierten — oder doch hätten werden können. Bela Bartoks einzige, bereits 1911 beendete einaktige Oper .Herzogs Blaubarts Burg“ auf einen Text des bekannten Filmschriftstellers Bela Baläsz ist — vor allem ihrem Sujet und dessen Gestaltung nach — noch ganz im Bann des symbolistischen Theaters, etwa im Stile Maurice Maeterlincks. Bartoks Musik wurde an dieser Stelle anläßlich der Grazer Premiere des Werkes ausführlich gewürdigt. Die Wirkung ist stark, zuweilen elementar, und wird immer mit einwandfreien künstlerischen Mitteln erzielt. Ilona Steingruber und Heinz Rehfuß waren die vorzüglichen Interpreten der beiden Solopartien; Henry Swoboda hatte das Orchester sehr sicher in der Hand. Weniger erfreulich war der zweite Teil des Programms. Von jedem der Komponisten, die hier zu Wort kamen, haben wir Besseres gehört: Bergers aphoristisches .Motto“ fällt merklich gegen sein „Rondo Ostinato“ ab; M a r t i n u hat in dem von Pierre Fournier glänzend interpretierten Cellokonzert, das vor mehr als zehn Jahren entstanden ist, nicht den Eigenstil etwa seines Doppelkonzerts; M e n o 11 i ist uns als Opernkomponist entschieden lieber wie als Autor eines sehr improvisatorisch wirkenden Klavierkonzerte (Solist Paul Badura-Skoda), dessen Unbedenklichkeit fast schon entwaffnend wirkt.

Das bisher eindrucksvollste Konzert vereinigte drei Meisterwerke und wurde von Paul Sacher geleitet. Philharmoniker, Staatsopernchor und Sängerknaben waren die Ausführenden. Von dem klardisponierten II. Konzert für Steichorchester op. 40 von J. N. Da v i d über Frank Martins brillantes, im letzten Satz auch stärkere Effekte nicht vermeidendes „Concerto“ für sieben Bläser und Orchester, führte die Linie steil aufwärts — und zeitlich zurück — zu dem 1933 komponierten Melodrama .Persephone“ von Igor Strawinsky. Dem Text Andre Gides liegt eine homerische Demeter-Hymne zugrunde, die ihren Höhepunkt in der Schilderung der Wiedergeburt der Persephoneia und des Frühlings erreicht. Die Chöre der Schatten und der Danaiden werden durch den Chor der Nymphen und der Kinder abgelöst, deren herbe Schönheit ergreifend ist. .Ich muß darauf aufmerksam machen“, sagte Strawinsky anläßlich der Premiere seines Werkes, „daß ich Orchestereffekte als Mittel zur Verschönerung hasse. Man soll nicht erwarten, von verführerischen Klängen berückt zu werden ...“ Aber anscheinend sdienkt sich die sublimste Schönheit gerade jenen, die nicht immer von süßen und saftigen Klängen schwärmen. — Es ist die Sphäre des „Sacre“ von 1913, die nochmals beschworen wird; aber diesmal mit den Mitteln des reifen Meisters, gleichsam im Zeichen Apolls. Was alles in diesem Ballett geschieht, konnte im Rahmen einer konzertanten Aufführung nur ungefähr geahnt werden. Daß die geplante szenische Darstellung nicht möglich war, ist sehr zu bedauern, zumal die Trägerin der Titelpartie, (Judith Holzmeister) nicht glücklich gewählt schien. Julius Patzak war als Eumol-pos vorzüglich wie immer; die Sängerknaben etwas zaghaft.

Dem „Zwölftonwerk“ Hanns Jelineks war ein ganzer Abend gewidmet. In der Tat nimmt dieser umfangreiche Zyklus aus einer .Reihe“ entstandener Kompositionen eine Sonderstellung auch innerhalb der Zwölftonmusik ein, als ein Werk des Brückenschlagens, als ein großangelegter Versuch, Dodeka-phonik durch Vermeidung allzu scharfer Reibungen auch traditionellen Ohren klanglich faßbar zu gestalten. Die dadurch erreichte stellenweise überraschende .Tonalität“ des Klanges führt allerdings gelegentlidi zu geistreichen Spielereien (Verbeugung vor Debussy im. Epilog der Suite in E), vermag aber vielleicht gerade dadurch ihrer vermittelnden Aufgabe überzeugend zu dienen, soweit sie nicht von den Traditionalisten selbst als „zu tonal für Zwölftonik“ abgelehnt wird, was des Humors nicht entbehrt. Den konzertanten Höhepunkt des Werkes bilden die „Vier Toccaten“, in deren einer (Toccata funebre) aus der eigenen Reihe entwickelte Motive aus Alban Bergs „Wozzek“ zitiert werden.

Ein anderer Abend brachte neben dem „Con-certino für Streicher“ op. 17 desselben Komponisten, einer frischen gesunden Spielmusik, das „Kammerkonzert für Violine, Klavier und 13 Bläser“ von Alban Berg. Hier steht die zwölftonige Kunst auf einem Gipfel. An Ausführende und Hörer werden hohe Anforderungen gestellt, die weder diese noch jene ganz zu erfüllen vermochten, Anton Heiller ausgenommen, dessen meisterhafte Interpretation des Klavierparts ihm den bewundernden Dank des Komponisten eingetragen hätte, weilte dieser noch unter den Lebenden.

Zwischen beiden Zwölftonwerken hörten wir ein „Konzert für Fagott und Orchester“ von S. C. Eckhardt-Gramatte, leicht, spielfreudig, von musikalischem Schwung und gewandter Kontrapunktik — und Felix P e-t y r e k s „Gethsemane“ für Altsolo und Streichtrio, das in seiner noblen, doch relativ spannungslosen Musik zwischen den atonalen Hochspannungen trotz seiner Länge blaß und schmächtig wirkte. — Gegenteilig in seiner Frische und seinem Draufgängertum mutete das „Kammerkonzert für sieben Bläser, Schlagzeug und Streicher“ von Karl S c h i s k e an, das in seinem Mittelsatz, der eine Melodie Neidhardts von Reuenthal verarbeitet, symphonische Tiefenwirkung im kleinen erreicht, im übrigen wie alle Musik Schiskes von eigenartiger Plastik ist, was diesmal nicht so sehr auf der thematischen als auf der instrumentalen Anlage beruht. Als kontrapunktische Spielerei bei harmonischer Dürftigkeit erwies sich Armin Kaufmanns „Musik für Viola d'amore und Kammerorchester“, freundlich, nett und unterhaltend, obwohl sich das Soloin6trument wieder klanglich noch aussagemäßig durchzusetzen vei-mochte. Friedrich G u 1 d a s .Galgenlieder“ zeigen zwar eine gewisse Geschicklichkeit des 21jährigen Komponisten, bedeuten jedoch künstlerisch viel Lärm und wenig Wolle und ziehen außerdem, nicht gerade zum Triumph des guten Geschmacks, den Bachschen Bußchoral „Aus tiefer Not“ karikierend heran. Wer aber mit Bach spielt, kommt darin um. Egon Kornauths Streichquartett op. 25 Ist stilmäßig durch des Komponisten späteres Schaffen selbst überholt. Nicht überholt aber ist das darin lebendige gesunde Musizieren, das in jedem Stil recht ist, schon seiner Seltenheit wegen, und die klare, nicht überbauschte Aussage eines im Grunde fröhlichen Herzens. Bela Bart6ks VI. (letztes) Streichquartett hingegen erstrebt und erreicht eine Entmaterialisierung des Klanges, die trotz formaler Geschlossenheit vielfach in der Blutleere der Abstraktion landet.

Mit Vokalwerken kamen in einem Programm des Wiener Kammerchcres David, Hindemith und Orff zu Wort. Paul H i n d e-miths .Weihnachtsmotetten“, in der Oster-zeit nicht gerade günstig placiert, erwiesen sich, von Irmgard Seefried gesungen, gleichwohl als das stärkste des Abends. Der Mut zur Einfachheit, von je der Genialität vorbehalten, vermittelt das höchste künstlerische Erleben. Die Chöre J. N. Davids zeigen einen sakral gebundenen, an Palestrina wie J. S. Bach gleicherweise gewachsenen Stil persönlichster Profilierung, dem jedoch jene gewisse Sprödigkeit anhaftet, die seine Variabilität begrenzt. Höhepunkt schien uns die Motette „Victimae paschali laudes“ in ihrer glücklichen Verbindung gregorianischer und deutscher Melodien. Carl Orffs „Catulli Carmina“ sind die Musik eines Erzmusikan-ten, der Humor genug hat, auf jedes Pathos und jede Schulweisheit (einschließlich Poly-phonie) zu verzichten, dem Chore zu geben, was des Chores ist und dabei noch aus der harmonischen Armut eine Tugend zu machen. Das „Placet, optime!“ aber sei in Anbetracht der reichhaltigen Programme und der mutigen Tat ihrer Durchführung vor allem an die Unternehmerin des Musikfestes, die Wiener Konzerthausgesellschaft, gerichtet.

Die letzten Konzerte des Musikfestes: 12. April, Chor und Orchesterkonzertl Britten: Serenade und Frühlingsymphonie. 13. April, Krenek: Karl V. 14. April, Mahler • VIII Symphonie, Dirigent Scherchen. Alle Veranstaltungen im Großen Konzerthaussaal, Beginn 20 Uhr. Sonntag, 15. April, 10 Uhr, Franzis kanerkirche: Lechtahler: Missa Gaudens gau-debo“ und Tittel-.Te-Deum“.

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