6736899-1966_24_15.jpg
Digital In Arbeit

Die Orchester der Bundesländer

Werbung
Werbung
Werbung

Das Grazer Philharmonische Orchester unter Berislav Klobucar hinterließ sehr positive Eindrücke, zunächst dank des ambitionierten Programms, mit dem es zu den Wiener Festwochen gekommen war, aber auch durch die Ausführung. Alban Bergs überaus schwierigen Drei Orchesterstücke op. 6 von 1914 (deren Stimmaterial neulich von einem Wiener Orchester nicht entziffert werden konnte) wurden ebenso einwandfrei dargeboten wie Franz Schmidts IV. Symphonie von 1933. In beiden Werken erfreute der volle Klang des Blechbläserchores und das ausdrucksvolle Spiel der Streicher. Bel der Begleitung der 1948 In der Schweiz entstandenen „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss konnten sich die Holzbläser wiederholt auszeichnen, und auch als Begleiter ließen Orchester und Dirigent kaum einen Wunsch offen. Teresa Stich- Randall fanden wir noch nie so schön und intensiv singend (und so gut aussehend) wie bei diesem Konzert, (Als das weitaus avancierteste Werk erwies sich das älteste, al das konservativste das „jüngste" I)

Das Mozarteum-Orchester Salzburg ist vielen von den Salzburger Festspielen und einigen hunderttausend Hörern durch Rundfunkübertragungen bekannt. Auch Mladen Basic brachte ein interessantes Programm: Außer Mozarts „Prager Symphonie" und dessen Klavierkonzert F-Dur KV 459 Schönbergs 1. Kammersymphonie op. 9 und Sieben leichte Stücke für Streichorchester von Ernst Krenek, in die — von der Dumbastraße und vom Karisplatz her — Trommeln und Trompeten der im Fackelzug vorüberziehenden katholischen Jugend hereintönten Das Klaviersolo im Mozart-Konzert spielte Inger Wik- ström — kein Nachwuchspianist, sondern eine bildhübsche junge Schwedin, die vom überraschten Publikum mit Auftrittsapplaus empfangen wurde. — Das war gut so, denn nach

dem Konzert blieb man ein wenig ratlos: Es war alles da und doch fehlte etwas Entscheidendes.

H. A. F.

Daß sich das Bruckner-Orchester Linz bei seinem Gastspiel im Großen Musikvereinssaal mit einer Bruckner- Symphonie (es war die vierte, die romantische) vorzustellen wünschte, ist begreiflich. Doch kann, wenigstens unter diesem Dirigenten (Kurt Wöss), über seine Qualifikation, den großen Namen des Meisters von St. Florian zu tragen, nicht entschieden werden. Obwohl auch technisch einiges an der Interpretation auszusetzen war (die stark exponierten Blechbläser, besonders die Hörner, waren vom Glück weniger begünstigt, als ihre übrigen Kollegen), lag es vor allem an der Direktion, daß man an diesem Bruckner wenig Freude hatte. Besser gelang Gottfried von Elnėms Konzert für Klavier und Orchester op. 20, 1955 geschrieben und zwei Jahre später auch In Salzburg aufgeführt. Freilich steckt In den drei abwechslungsreichen Sätzen mehr Witz und Leichtigkeit, als in der Wiedergabe durch die Linzer zur Geltung kam. Sollst des Soloparta, den seinerzeit Gerty Herzog kreiert hatte, war Hans Kann. —ter

Ungetrübte Freude bescherte uns der Kammerchor „Walther von der Vogelweide'' (Innsbruck) mit der Wiedergabe alter und neuer Chormusik a cappella. Gesängen von Paul Hofhaymer, Heinrich Isaac, Ludwig Senfl und Leonhard Lechner standen solche von Joh. Nep. David, Zoltan Kodäly und Carl Orff gegenüber, und die Verwandtschaft des 16. Jahrhunderts mit unserer Gegenwart erwies sich in überzeugender Weise. Der rund 30 Stimmen starke Ohor ist sorgfältig geschult, die Intonation ist blitzsauber jeweils durch das ganze Stück hindurch, homogene Ausgewogenheit der Stimmen und rhythmische Prägnanz lassen kaum einen Wunsch

offen. Die Textaussprache (in drei Sprachen: Latein und Ungarisch neben Deutsch) ist vorbildlich zu nennen, die dynamischen Schwebungen, stets stilistisch bedingt, sind subtilste Kunst. Bis in die vollkommen gleichmäßige Verneigung bei Applausempfang reichende Disziplin ist wohl die Voraussetzung für solch rundes Können. Einen Chor loben heißt seinen Leiter loben, und so konnte der junge Dirigent Othmar Costa sich mit vollem Recht mit dem Ensemble in den begeisterten Beifall teilen. F. K.

Ein Abend, an den man die höchsten Maßstäbe anlegen konnte, war das Gustav-Mahler-Konzert der Wiener Symphoniker. Statt des erkrankten Josef Krips dirigierte Hans Swarowsky, aber er war alles andere als ein „Einspringer“, sondern erwies sich — wieder einmal — als ausgezeichneter Mahler-Interpret. Nur ab und zu tat er einen Blick in die Partitur der IX. Symphonie, dieses in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Riesenwerkes. Vielleicht wäre es dem Orchester leichter gewesen, wenn Prof. Swarowsky mit Stab dirigiert hätte, doch waren die kleinen Ungenauigkeiten, die unterliefen, angesichts der enormen künstlerischen und physischen Leistung von Orchester und Dirigent kaum der Rede wert. Mit den „Liedern eines fahrenden Gesellen“, aufmerksam und sensibel begleitet, hatte Hermann Prey einen wohlverdienten Erfolg. Glanz der Stimme, absolute Wortvenständlich- kelt und intensivster Ausdruck rechtfertigen das Prädikat „großartig“.

Unter der Leitung seines ständigen Dirigenten, des auch in Wien hochgeschätzten Karl Richter, spielte das Münchener Bach-Orchester im überfüllten Großen Musikvereinssaal an einem Abend alle sechs Brandenburgischen Konzerte: Wunderwerke der Kompositionstechnik, der Form und der Ökonomie (um nur von ihren rational faßbaren Qualitäten zu sprechen). Hört man sie alle sechs nacheinander, so mag man keinem den Kranz zuerkennen, wohl aber jeweils den Kopfsätzen der einzelnen Concerti, deren Partitur 1721 beendet und dem Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg dediziert wurde. Richter läßt sie recht „zügig“ und mit jenem natürlichen Ausdruck spielen, der zwar von genauen stilistischen Kenntnissen kontrolliert ist, aber trotzdem nichts von seiner Unmittelbarkeit verloren hat. — Wollte man besonders Eindrucksvolles hervorheben, so wäre es etwa die große Kadenz im 1. Satz des 5. Konzerts, die Richter selbst exekutierte (unvergeßlich, wie Furtwängler, der das große Streicherensemble vom Flügel aus leitete, hier den Bösendorfer aufrauschen ließ), oder das halsbrecherische Trompetensolo in den Ecksätzen des 2. Konzerts, auf einer kleinen Bach-Trompete von Maurice Andri virtuos und ohne einen einzigen Glckser geblasen. Hocherfreulich auch Wolfgang Schneiderhan am 1. Pult nicht nur der Violinen, sondern auch, nicht weniger gewandt, im 6. Konzert die Viola spielend. (Die wohlbedachte, sich bestens bewährende Reihung war: Konzert Nr. 3, 1, 4 und 6, 5, 2 im zweiten Teil.)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung