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Maderna und Sir Adrian am Pult

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Ein Konzert der Wiener Symphoniker unter Bruno Maderna war sowohl vom Programm her als durch die Persönlichkeit des Dirigenten gleichermaßen spannend. Es begann mit Igor Strawinskys Symphonie für Bläser in memoriam Claude Debussy. Das 1920 komponierte und 1947 „revidierte“ Werk geht allen traditionellen Klängen weit aus dem Weg, besteht aus kurzen rezitativähnlichen Teilen verschiedener Instrumentengruppen, die durch noch kürzere Ensemblestellen getrennt (oder verbunden) sind. Keimzelle ist ein den Schluß bildender Choral ohne Worte. Von seiner „Modernität“ hat das Opus, das natürlich keine Symphonie im herkömmlichen Sinn sein will, nichts eingebüßt. Karl Engel und Hans Petermandl waren die Solisten des Konzerts für zwei Klaviere und Orchester, KV 365, von Mozart, dessen klassische Ausgewogenheit der Teile in der Ausgewogenheit der Wiedergabe sein Spiegelbild fand. Arnold Schönbergs „Verklärte Nacht“, op. 4. in der Fassung für Streichorchester, überraschte durch seine „traditionelle“ Ausdrucksweise. Spätromantik reinsten Wassers, Übersubjektivismus, dem schwulstigen Gedicht Demels nächetnp-funden, doch musikalisch von meisterlicher Arbeit. Schließlich „La Valse“ von Maurice Ravel, das wir nie so wienerisch hörten als eben von Maderna, dessen Intentionen das wohldisponierte Orchester gerne folgte.

Bei der Programmwahl des 4. Konzertes im Zyklus „Barockmusik“ (Mozart-Saal) wurde naturgemäß die neue Orgel weitgehend herangezogen. Hans Hasel-bock spielte Werke von Scheidt, Brünns und Buxtehude, zu deren Interpretation das Instrument seinem Können alle stilistischen.- und klanglichen Mittel bot. Man hatte von der Orgel her den Eindruck, solche Musik in Wien noch kaum gehört zu haben. Der Wiener Kammerchor, mit der Orgel alternierend, blieb dem vor-bachschen Programm treu und sang Werke von Michael Praetorius, Heinrich Schütz und Jakob Weckmann. Auch diese Kompositionen sind kaum in den Wiener Konzertprogrammen zu finden, es war richtiggehend ein neues Programm alter Musik, dem auch das mitwirkende Wiener Kammerorchester seine Stimmet und Farben lieh. Bei aller Neuheit der Orgel und aller Seltenheit des Programms: mit der Choralmotette für achtstimmigen Doppelchor a cappella, „Ein Kindelein zu lobe-lieh“ von Michael Praetorius, erreichte der Wiener Kammerchor sowohl den Höhepunkt des Abends als eine seiner schönsten Leistungen überhaupt. Homogenität des Klanges, rhythmische Präzision und vorbildliche Textbehandlung dienten einer Vergeistigung des Ausdrucks, wie sie auch diesem Chor nicht oft gelingt. Dirigent und Chorleiter Hans Gillesberger konnte ebenso wie der Orgelmeister Haselböck für begeisterten Beifall der Zuhörer danken. Franz Krieg

Am vergangenen Sonntag leitete im Großen Sendesaal des österreichischen Rundfunks Sir Adrian Boult ein Konzert der Wiener Symphoniker, das zur gleichen Zeit auch im II. Programm zu hören war und geeignet schien, unsere Vorstellung vom Stil der englischen Gegenwartsmusik zu revidieren: vor allem geschah dies durch das im Mittelpunkt des Programms stehende Orgelkonzert von Malcolm Wiüiamson, geboren 1931. Der Anfang mit dröhnenden Pauken, Harfen und Xylophonen, die die Orgel begleiten und kontrapunktieren, ist wirklich originell. Auch in den langsamen Teilen gibt es interessante Klänge, und nicht nur das: Dieses 1961 geschriebene und dem englischen Meisterdirigenten gewidmete Werk zeigt eine eigene Handschrift und vorzügliches kompositorisches Können. Der Autor, der auch der Ausführende des virtuosen Orgelparts war. wurde sehr lebhaft gefeiert. — Zu Beginn des Konzerts hörte man die bereits 1935 in Salzburg uraufgeführte „Musik für Streicher“ von Arthur Bliss (dessen Ballett „Schachmatt“ augenblicklich im Repertoire der Staatsoper ist). Kein Wunder, daß Dirigenten und Orchester dieses solid und effektvoll gearbeitete Werk gerne spielen. Der 1891 in Amerika geborene A. Bliss gilt übrigens als das „Enfant terrible“ der englischen Musik. Er stand in seiner Jugend unter dem Einfluß Strawinskys und der Pariser Gruppe der „Six“, dann wandte er sich vom Neoklassizismus ab,schrieb 1932 eine Farbensymphonie und wird seither in England als „moderner Romantiker“ bezeichnet. Weniger originell erschien uns das letzte Stück mit dem Titel „Job. A Masque for Dancing“ von Ralph Vaughan-Williams. Er studierte bei Max Bruch und Maurice Ravel, schrieb seine besten Werke erst nach dem 60. Lebensjahr und bevorzugt das national-englische Idiom, etwa in der Nachfolge Elgars. Die neun Szenen illustrieren, zuweilen mit großem orchestralem Aufwand, die Leidensgeschichte Hiobs nach Illustrationen Blakes (Pastorale, Vision Gottes, Siegestanz Satans, Hiobs Traum, seine Leiden und seinen Fluch, einen Tanz der himmlischen Heerscharen, den Sturz Satans und so weiter). Sir Adrian Boult, der 1930 das BBC-Orchester gründete und seit 1950 die Londoner Philharmoniker leitet, ist in der Tat be rufen, die Musik seiner Landsleute zu interpretieren und zu propagieren.

Im Mozart-Saal des Konzerthauses spielte George Malcolm einen kurzen Abend lang Cembalomusik aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert. Gibbons, Far-naby, Byrd, Händel, Bach, Rameau und Scarlatti waren nicht nur erfindungsreiche Virtuosen dieses kostbaren Instruments, sondern auch bemerkenswerte Komponisten, deren Individualität sich freilich nicht so stark voneinander unterscheidet wie etwa die der Zeitgenossen Brahms und Tschaikowskys. Um diese Musik richtig aufzufassen, bedarf es größerer Ruhe und Konzentration, als man sie gewöhnlich im Konzertsaal aufbringt.Aber George Malcolm — technisch hervorragend — ist durchaus der Mann, der zu fesseln versteht, weil er an das, was er macht, glaubt. Daß man auch heutzutage noch für das Cembalo schreiben kann, erwies in seiner amüsanten öteili-gen Miniatursuite „Insectarium“ der 1912 geborene französische Komponist Jean Franqaix, — Das Publikum dieses Konzerts schien besonders fachlich interessiert und beteiligt.

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