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„Rai buba“ und Kodäly-Symphonie

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Zum 60. Geburtstag von Hanns Jelinek veranstaltete der Österreichische Rundfunk in seinem großen Sendesaal ein öffentliches Orchesterkonzert, das unter der Leitung des Komponisten vom Rundfunkorchester (Radio Wien) ausgeführt wurde. Bereits 1934 35 schrieb der Schönberg-Schüler Jelinek sein 2. Streichquartett in strenger Reihentechnik, dessen zweiten, dritten und vierten Satz er 1957 umarbeitete und für Streichorchester setzte. Auf ein Andante mit sechs kunstvollen Variationen folgt ein burleskes Scherzo, an das sich ein rhapsodischer Schlußteil anfügt. — Im Charakter ist von diesem Früh werk die 1950 geschriebene, in Wien wiederholt ge- splėfte *ltnd8'än die'ftr Sie'Rei;'6usföW,lie bė emnfenqsyh iwfei Fä i E katrtrt)fversehigden. Betnertfensvhert 'art ■ dib-i sen Werken ist, daß Jelinek dem modischen Zug zum Punktuellen nicht folgt, sondern für seine — immer substanzielle Aussage — mit der Zwölftontechnik alter Schule sein Auslangen findet. — Wie ergiebig im Klanglichen, zur Bildung neuer Strukturen, ja auch für quasi programmatische Musik diese Technik ist, zeigte eindrucksvoll eines der letzten Stücke Jelineks mit dem exotischen Titel „Rai buba“, eine Etüde für Klavier und Orchester, op. 34 (Solist Alexander Jenner). Rai buba ist eine Stadt am TschadrSee, und von dort mag auch das afrikanische — wie der Komponist sich ausdrückt: „steinzeitliche“ — Themenmaterial stammen. Die einsätzige, aber mehrteilige Phantasie hat sogar ein Programm: Anreise, Hymne auf die Nacht, drei Veduten, Flucht und Verfolgung, schließlich: Rettung. Aber es ist kaum notwendig, sich die Titel der einzelnen Episoden zu vergegenwärtigen. Der Gesamteindruck ist, nicht nur wegen des thematischen Materials sowie des virtuos und lautstark verwendeten Schlagwerkapparats, ähnlich wie von Milhauds Negerballett „La Creation du monde"oder etwa von Jolivets Klavierkonzert. Das wirkungsvolle 20-Minuten-Stück ist ein besonders reizvoller, leuchtkräftiger Farbfleck auf der so reichhaltigen Palette des universellen Musikers Hanns Jelinek.

An Stelle des erkrankten Ferenc Fricsay leitete der zuletzt an der Städtischen Oper Berlin tätige junge Salzburger Dirigent Ernst Märzendorfer das 2. Konzert des Zyklus ,,Romantische Musik“ im Konzerthaus. Märzendorfer hat das in ihn gesetzte Vertrauen voll gerechtfertigt und innerhalb weniger Tage ein Programm sicher einstudiert, das ihm zum Teil völlig neu war. Das Konzert begann mit der 1. Symphonie von Zöltan K oddly, die der Achtundsiebzigjährige während des Jahres 1960 fertiggestellt hat Ein erstaunliches Werk in mehrfacher Hinsicht. Die drei wohlproportionierten Sätze dauern etwa 25 Minuten. Symphonischer Charakter haben nur die ersten beider Teile (Allegro und Andante), während de: letzte (Vivo) eher den Eindruck eine: Tanzfinales macht. Aber auch in der anderen Sätzen werden keine dramatischer Gegensätze ausgetragen, keine großer Bögen gespannt, ja nicht einmal die The men symphonisch entwickelt. Das war - und ist — Kodälys Sache nicht. Sein vor der ungarischen Folklore inspiriertes Ta lent hat episch-lyrischen Charakter, und ii dieser Art hat er auch seine 1. Symphoni geschrieben: eine feine, farbige Partitur Debussy näher als irgendeines seine früheren Werke. Ein erstaunlicher Bewei ungebrochener Schaffenskraft — und ein wirkliche Bereicherung unseres symphoni sehen Repertoires. Mögen dieser Wiener Premiere (die Uraufführung fand während der letzten Luzerner Festwochen unter Ferenc Fricsay statt) bald weitere Aufführungen in Wien folgenl

Zweiter Höhepunkt des Abends war der junge ungarische, gegenwärtig in London lebende Pianist Tamas Vasary, der das romantisch-poetische Klavierkonzert A-Dur von Liszt spielte. Dem 28jährigen blonden, zart-schlanken Jüngling traut man diesen Solopart überhaupt nicht zu, und er hat auch, nicht ganz die Kraft dafür. Aber er besitzt Virtuosität, Brillanz, Musikalität und jenes Fluidum, ohne das man sich nun eben auf dem Podium schwer tut und wovon man dem iDirigėhteh dės Abends ■ Wehr yyünschte. ü'brigt®S:'lWa't aucll 'die ■ Interpretation •Mätzeadorferfr Von - Dvofäks Fünfter tadellos: präzis, klangschön und nie langweilig. (So anregend die Bekanntschaft mit dem jungen ungarischen Pianisten war: Solistenzugaben während eines Symphoniekonzerts sind eine Unsitte.)

Hans Hotter, ein Liebling des Wiener Opernpublikums, hätte sich’s mit seinem Liederabend im vollbesetzen Brahms- Saal leichter machen können: mit Opernarien und Balladen. Aber er hatte sich ein reines Liederprogramm zusammengestellt:

auf eine Gruppe alter Italiener (Caccini, Peri und Carissimi) folgten sechs Lieder von Schubert (die der Referent wegen eines gleichzeitig im Mozart-Saal stattfindenden Konzerts nicht hören konnte), hierauf im zweiten Teil je vier Gesänge von Pfitzner, Hugo Wolf und Richard Strauss. Hotter verfügt nicht nur über alle Mittel des virtuosen Vortragskünstlers, sondern seine „mächtige“ Stimme erweist sich auch als sehr geschmeidig und beweglich. Was man da und dort vermißte, war die lyrische Intimität, der ausdrucksvolle Tiefgang, der in Sekundenschnelle vollzogene Wechsel der Stimmung. Trotzdem war der Gesamteindruck durchaus positiv, und der gefeierte Opernheld im Frack wirkte keineswegs desillusionierend. Walter Klien war ihm dabei viel mehr als nur ein Begleiter am Klavier, sondern ein kluger, temperamentvoller und technisch hervorragender Mitgestalter der einzelnen Zyklen.

Im Mozart-Saal des Konzerthauses gab Rolf Kuhnert, ein sachlich-ernster junger Berliner, Jahrgang 1932, einen Klavierabend mit Werken von Armin Schibier (Esquisses de danse), Pierre Boulez (1. Sonate), Messiaen (Ile de feu II) sowie bekannteren Stücken von Strawinsky, Bartök und Schönberg. Rolf Kuhnert ist ein Mann des Maßes und der Ordnung, der sich weder bei Boulez noch bei der Interpretation des wildausschweifenden Dreiminutenstückes von Messiaen zu klanglichen oder dynamischen Exzessen verleiten ließᾠ Er spielte neue Musik so, als sei sie „klassisch“ — und befolgt damit ein sehr beherzigenswertes Rezept. Es wäre sicher von Interesse, den jungen Berliner auch einmal mit einem anderen Programm kennenzulernen.

Erwähnen wir wenigstens noch, daß in der Staatsoper Sena J u r i n a c unter Karajans Leitung zum erstenmal in Wien mit großem Erfolg den Fidelio gesungen hat, nachdem sie diese Partie bereits in London und Zürich erprobt hatte (ihre Partner waren Anneliese Rothenberger, Hans Hotter, Windgassen und Kreppei). — Und erwähnen wir auch noch das 3. und letzte Adventkonzert im Großen Saal des Wiener Konzerthauses mit einer Ansprache von P. Diego Götz, die von zwei kurzen liturgischen Chören Strawinskys eingeleitet wurde und auf die Beethovens Messe C-Dur folgte, ausgeführt von der Singakademie und den Wiener Symphonikern unter der Leitung von Anton Heiller.

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