6746679-1967_11_13.jpg
Digital In Arbeit

Neues von 1911 bis 1966

Werbung
Werbung
Werbung

Franz Allers dirigierte das 4. Kon-Bert des Symiphonikerzyfclus, mit einem Programm moderner Musik: Igor Strawinskys „Petruschka“ und Carl Orffs „Carmina Burana“. Die unverwüstliche Frische von „Petruschka“ mit ihren eigenartigen, bis zum Lanner-Walzer gehenden Karikaturismen wird freilich ohne Szene nie ganz verständlich, doch zieht die ungeheure Verve jeden Hörer in ihren prickelnden Bann, zumal die Konzertfassung einen Höhepunkt musikalischer Turbulenz an den Schluß setzt. — Ganz anderer Art sind die „(Irmina Burana“. Die lateinischen, französischen und deutschen Lieder fahrender Scholaren wirken durch ihre im Grunde primitive Melodik, durch Wiederholungen gesteigert, durch komplizierte Rhythmik profiliert, volkstümlich auf persönlichem Niveau. Colette Boky, William Blankenship und Marcel Cordes waren die Solisten, die ihre enorm schwierigen Aufgaben gleichsam spielend lösten; als Hauptsolist aber tritt der Chor in Erscheinung (Singverein, einstudiert von Hellmuth Froschauer), der in vielen Farbnuancen und sprachlichen Anforderungen enorme Aufgaben zu lösen hat — und sie mit Bravour löste. Allers dirigierte mit Temperament und praktischer Umsicht.

Im zweiten Konzert des Zyklus „österreichisches Musikschaffen der Gegenwart“ brachte das Niederösterreichische Tonkünstlerorehester unter Leitung von Kurt Wöss vier Kompositionen zeitgenössischer heimischer Autoren. Otto Färbers „Introduktion“ eignet sich, wie ihr Titel sagt, gut für einen Konzertbeginn. Beweglichkeit, instrumentale Farbigkeit, stete Steigerung in der Durchführung wirken anregend und spannend. Robert Leukaufs „Requiem“ (Text von Rilke, Solist Georg Grondinger, Bariton) ist stärker profiliert, leidet jedoch an zu dicker Instrumentierung, die den Sänger dauernd übermusiziert, der dadurch auf verlorenem Posten steht. Norbert Sprongls „Vier Tanzstücke op. 96“ wirken, obgleich Sprongl der älteste der hier versammelten Komponisten ist, am frischesten, am jugendlichsten. Eine gewisse Keckheit in der Rhythmisierung überbrückt die harmonisch geringe Spannkraft, und die Knappheit der Form begeistert. Das wichtigste Werk des Abends schien uns gleichwohl die „Attische Symphonie“ von Karl Franz Müller, die in breit ausladender Thematik und doch in vollkommen beherrschter Architektonik, in klassischen Maßen vier Stimmungsbilder bringt, die in Ihrer Helle an Attica denken lassen, ohne antike oder moderne Melismen von dort zu beziehen. Es ist ein Werk der Form und des stimmungsvollen Ausdrucks, völlig tonal im traditionellen Sinn, gleichsam ein Bekenntnis zur Tradition. Dirigent und Orchester bemühten sich mit dankenswertem Eifer um die Ur- und Erstaufführungen,

Das „härteste“ Konzert der Saison fand am vergangenen Freitag im Großen Saal des Konzerthauses statt Der gleiche, ungewöhnlich hohe Schwierigkeitsgrad der drei aufgeführten Werke gestattete keine Entspannung, kein Atemholen, bevor die neue Attacke kam. — Da wurde zunächst Luigi Nonos „Canto sospeso“ für drei Soli, gemischten Chor und Orchester aus dem Jahr 1956 vorgeführt, der an dieser Stelle bereits besprochen worden ist: eine neunteilige Kantate von knapp halbstündiger Dauer, in der zehn Textfragmente aus Abschiedsbriefen zum Tode verurteilter Widerstandskämpfer, von Vor- und Zwischenspielen eingerahmt, „vertont“ sind. Die später (nicht nur bei Nono) zur Manier gewordene Zerreißung der Worte In einzelne Silben, die auf verschiedene Stimmen verteilt werden, ist hier vielleicht zum erstenmal konsequent exekutiert. Gewiß eignet sich für diese Dokumente keine konventionelle Tonsprache, und die Absicht des Komponisten“ war es zweifellos, den Opfern des Faschismus ein würdiges Denkmal zu setzen. Doch ist es ihm selbst nicht gelungen, sich anderen mitzuteilen, zumal sich seine Technik schon nach wenigen Minuten abnützt ...

Auch das hierauf folgende Orchesterstück „Don“ von Pierre Boulez, in das zwei Verszeilen von Mallarmee eingeblendet sind und das den ersten Teil einer größeren Komposition mit dem Titel „Pli selon Pli“ bildet, wurde vor 20 Jahren begonnen und 1961 an der gleichen Stelle aufgeführt, wobei das Einleitungsstück „Don“ nur vom Klavier vorgetragen wurde. Nun hörten wir die (endgültige) Instrumentalfassung: farbig, exotisch, apart und faszinierend.

Schönbergs Violinkonzert aus dem Jahr 1936 stand am Schluß: ein herbes, konzentriertes Werk, dessen einzige Konzession an die Tradition in seiner Dreisätzigkeit besteht und das, nach einem Wort Schönbergs, „einen Geiger mit sechs Fingern“ erfordert. Solist war der junge Geiger Zvi Zeitlin, der in Rußland geboren, in Israel ausgebildet wurde und sich als Interpret neuer Musik einen Namen gemacht hat. Mit unerschütterlicher Ruhe und bewunderungswürdiger Partiturkenntnis dirigierte Bruno Maderna den von G. Preinfalk einstudierten Chor und das Orchester des österreichischen Rundfunks, die, gemeinsam mit den Solisten Lilian Poli, Meriel Dickinson, Werner Krenn und Zvi Zeitlin Hervorragendes geleistet haben.

Im Großen Konzerthaussaal gab der 20jährige polnische Geiger Konstanty Kulka einen Soloabend. Er wurde in Danzig geboren und stand bereits mit 13 Jahren auf dem Podium. Seine internationale Karriere begann vor einem Jahr, als er in München den ersten Preis der deutschen Rundfunkanstalten erhielt. Das Wiener Programm Kulkas lautete: Bach — Solosonate g-Moll, Beethoven, Sonate e-Moll op. 30, Bartök — Solosonate und Szyma-nowsky — Nocturno und Tarantella. Die technische Perfektion wurde dem jungen Geiger von einer Fachjury bestätigt. Am auffallendsten ist sein ungemein weicher, singender Ton, den Kulka auf einem teuren französischen Instrument erzeugt Kulka ist auch insofern ein sehr angenehmer Künstler, weil er frei ist von jeder Pose, er spielt mit einer fast schülerhaften Befangenheit die schwierigsten Sachen, wobei es ihm auch passieren kann, daß er den Bogen fallen läßt. Und immer wurde nur Musik gemacht, von ihm und seiner Begleiterin Elvira Hodinarova, ganz ohne Show und Virtuosenzirkus.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung