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Philharmoniker, Collegium musicum und Bachgemeinde

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.Das Publikum machte die Erfahrung — eine Erfahrung, die sich alle Tage von neuem wiederholt —, daß gerade bei der Darstellung altbekannter Werke Eindrüdclichkeit und Wirksamkeit sehr verschieden sein können, das heißt, daß dieselben Stücke unter der Hand des einen als überlebt, verstaubt, veraltet, unter der Hand des anderen als lebendige, uns unmittelbar angehende Meisterwerke erscheinen.“ Diese Worte Wilhelm Furtwänglers bestätigte glänzend seine Interpretation der VII. Symphonie von Beethoven im 4. Konzert der Philharmoniker. Alle guten Geister des Musizierens waren während dieser Aufführung beim Dirigenten und beim Orchester. Vor allem aber war es das Organische: die natürliche und lebendige Beziehung aller Teile aufeinander und auf ein Ganzes, wodurch diese „Siebente“ ausgezeichnet war. — Sehr erfreulich gestaltete sich auch die Wiederbegegnung mit Schumanns Ouvertüre zu „Manfred“: romantisches Feuer aus klassischem Stein geschlagen. Ihre Wiener Erstaufführung erlebte in diesem Konzert die 1948 entstandene „Symphonische Serenade für Streichorchester“ von E. W. Korngold. Auch dies eine Wiederbegegnung nach langen Jahren, wenn wir von dem Violinkonzert beim Musikfest absehen. Inzwischen hat sich Korngold in Hollywood die goldenen Lorbeeren des Filmkomponisten erworben. Aber wenn er die Feder ergreift, um ernste, absolute Musik zu schreiben, so ist es immer noch der Meister der „Toten Stadt“, den wir hören. Diese vierteilige Serenade mit einem reizvoll-schwebenden Ein-leitungs-Allegro, einem Pizzicato-Intermezzo, dem ausdrucksvollen Lento religiös und einem fugierten Finale ist frisch erfunden und klingt ausgezeichnet. Korngold steht nicht — und stand nie — in der Avantgarde, aber er behauptet einen achtbaren Platz in der zweiten Reihe. — Bei der Ausführung dieses Konzerts schien das Orchester besonders bemüht. Dementsprechend war das Resultat wirklich glänzend.

Am aufschlußreichsten im Konzert Herbert von K a r a j a n s mit den Symphonikern war die „Freischütz'-Ouvertüre von Weber: jedes Detail vollkommen, je glänzend, mit perfektionierter Technik. Und doch von romantischem Geist, auch von dem der Oper, kaum ein Hauch! Mit der I. Symphonie von Brahms trat Karajan in seinem ersten Konzert nach 1945 an das Pult des Musikvereins, Es war eine eindrucksvolle, faszinierende Interpretation, welche die Gemüter im Für und Wider heftig erregte. Nun hörten wir die Erste wieder und empfingen einen weniger sensationellen, aber befriedigenderen Eindruck. Das Lyrische kommt mehr zu seinem Recht, die Konturen sind weicher, die Bewegungen des Dirigenten sind lockerer geworden, — Dem jungen Pianisten Gulda, der mit erstaunlicher Podiumsicherheit spielte, war er in Schumanns Klavierkonzert a-moll ein aufmerksamer Begleiter. Das Orchester hatte einen großen Tag.

Das 3. Konzert des Kammerorchesters unter Franz Litschauer brachte ein buntes Programm: eine sauber und duftig musizierte Haydn-Symphonie („Le Soir“), das Konzert für Violoncello und Orchester B-dur von Boccherini mit dem französischen Cellisten Maurice Gendron und die „Deutschen Tänze“, op. posth. von Franz Schubert, in einer zarten, aquarellartigen Instrumentierung von Anton Webern. Als Erstaufführung hörten wir vier Lieder aus dem „Marienleben von Hindemith, deren Orchesterverfassung der Komponist noch vor seiner Emigration, also während der „Mathis“'Z@it vollendete. (Inzwischen hat Hindemith 1947 das „Marienleben“ in der Klavierfassung völlig umgearbeitet.) Sehr eindrucksvoll ist, wie Hinde-miths Musik das Pretiöse der Rilke-Texte aufsaugt und ein altdeutscher, an Altdorfer und ähnliche Meister gemahnender Zug in das Werk kommt. Ilona Steingruber war die vorzügliche Interpretin der Sopranpartie. — Jean Franjais, 1912 geboren und besonders in den dreißiger Jahren sehr erfolgreich, war der brillante Solist seines witzig-ironischen „Concertinos“, dessen vier Miniatursätze etwa zehn Minuten dauern. Diesem Umfang entspricht durchaus die Substanz. Der Stil: Maurice Ravel in der Gehschule mit Spielhoserl. Die beiden Gäste aus Frankreich gaben auch einen Sonatenabend, dessen Programm nicht ganz dem Gesamttitel entsprach: alte Musik im ersten Teil, deren Interpretation stilistisch nicht voll befriedigte, und eine Reihe reizender Klangzauberspiele im zweiten Teil: die Cellosonate von Debussy, kleine Stücke von Francais und die virtuosen, als Komposition wenig bedeutenden Variationen über ein Rossini-Thema von Martinu,

Die Bachgemeinde unter Julius Peter setzte auf das Programm ihres dritten Konzerts Instrumentalwerke und Solokantaten. Als Begleitorchester fungierte das Kammerorchester mit Jos. Nebois am Cembalo. Eine lange Reihe von Mitwirkenden und Solisten wäre zu nennen; daher beschränken wir uns auf die Namen einiger junger, auf strebender Künstler: Herlitt Müller-Ecker bot in der Suite für Violoncellosolo in C eine technisch und gedächtnismäßig hervorragende Leistung, Margit Opawsky sang mit ausgezeichneter Technik und bedeutender Stimmbeweglichkeit die ungewöhnlich schwierige Soprankantate .Jauchzet Gott in allen Landen“ und die Sopranpartie des Lieschen in der •humorvollen „Kaffeekantate“, deren einzelne Arien bereits den Stil des jungen Mozart vorwegnehmen, Hans Reznicek, dessen bewährte Virtuosität keiner Kennzeichnung bedarf, spielte den Solopart in der Suite h-moll für Flöte und Orchester.

Das Collegium musicum unter Kurt R a p f hatte in seinem ersten Konzert die Ziele sehr hoch gesteckt und wurde darin von einem großen Publikum von wirklichen Kennern guter Musik, in erfreulicher Weise bestärkt. Nach dem 4. Brandenburgischen Konzert und drei Arien mit obligater Oboe (Anny Felbermayer, Sopran) gelangte das „Musikalische Opfer“ zur Aufführung, und zwar in einer Bearbeitung für vier Streicher, vier Bläser und Cembalo, von dem aus Kurt Rapf das Ensemble leitete. Die 14 Stücke wandeln das „königliche Thema“ in der Form des Ricercare, der Fuge und des Kanons ab. Diese Bearbeitung ist in Hinsicht auf die Gleichwertigkeit und Klarheit der Einzelstimmen anfechtbar. Der Aufführung mit jungen Kräften fehlt die letzte Sicherheit, die das heikle Werk erfordert. Trotzdem verdient die Initiative des Leiters hohe Anerkennung.

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