6653755-1959_17_11.jpg
Digital In Arbeit

Vier Konzerte — vier Orchester

Werbung
Werbung
Werbung

Wolfgang Sawallisch wurde an dieser Stelle anläßlich der ersten beiden Konzerte seines Zyklus bereits als Brahms-Dirigent gewürdigt. Verständlich, daß er neben Bekanntestes auch die seltener gespielte 1. Serenade D-dur aufs Programm setzte. Brahms schrieb dieses ursprünglich für kammermusikalische Besetzung gedachte Werk mit 27 Jahren zwischen Musikstunden am Hof Leopolds III., Mitwirkung an Hofkonzerten, Haydn-Studien in der fürstlichen Bibliothek und Spaziergängen im--Teuto- burger Wald. — Von alldem ist in diesem überdimensionierten Werk etwas hängen geblieben, nicht zum unbedingten Vorteil der Komposition, welche wohl die „Unbeschwertheit einer der freundlichsten Lebensstationen Brahmsens widerspiegelt”, aber als Ganzes doch viel zu weitschweifig geraten ist. (In dem von Sawallisch geleiteten Konzert erklangen nur vier von den sechs Teilen; echten Serenadencharakter hat eigentlich nur der Menuettsatz.) — Die Solisten des weit gewichtigeren Doppelkonzerts für Violine und Klavier waren die junge, aus Wiesbaden kommende Geigerin Edith Peine mann (hochmusikalisch, technisch perfekt, mit mittelgroßem Ton) und Enrico M a i n a r d i, der, wie der Dirigent, ein hervorragender Brahms-Interpret ist und auf der Höhe seiner Meisterschaft steht, diesmal aber die Schönheit des Tons zuweilen einem allzu heftigen Fortissimo opferte. — Dirigent und Solisten musizierten, wie in guten alten Zeiten, nach Noten. Die Wiener Symphoniker taten es unter Sawallischs Leitung, mit Feinheit, Präzision und besonderer Klangschönheit. — (Im zweiten Teil des Konzerts: die 3. Symphonie von Brahms, die der Referent leider nicht mehr hören konnte.)

Die „Symphonie fantastique” (1829 komponiert) von Hector Berlioz wird frischer, jünger und schlanker, wenn Pierre Monteux sie dirigiert. Hier wird nichts „herausgearbeitet”, sondern alles von innen her, aus der geistigen Haltung entwickelt und deshalb ist es so unmittelbar lebendig. Man spürt das ungeheuer Neue, das von dieser Symphonie ausging, die seinerzeit Liszt, Paganini und Heinrich Heine begeisterte wie neuerdings die Philharmoniker, was die Vollkommenheit ihres Spiels bewies. Noch näher mögen dem Dirigenten die Symphonischen Fragmente aus dem Ballett „D a p h n i s und C h 1 o e” von Maurice Ravel stehen, dessen Uraufführung er am 8. Juni 1912 in Paris leitete. Die klassische Klarheit des formellen Aufbaues bleibt trotz harmonischer Ueberbauungen ebenso gewahrt wie ihr ausgesprochener Tanzcharakter. Beides vereint sich zu einer Klangarabeske feinster geistiger, echt französischer Prägung. Strawinsky nannte das Werk eines der schönsten französischer Musik überhaupt. Die Interpretation durch Monteux überzeugte davon.

In einem Konzert der Musikalichen Jugend spielte die 16jährige Pianistin Ulrike Wagner Mozarts Klavierkonzert B-dur, KV 456, begleitet vom Niederösterreichischen Ton- kiinstlerorchester unter Robert Scholium. Die junge Solistin bewies eminente Musikalität und exakte Schulung sowie eine Sicherheit und Verve der Interpretation, die vom Orchester nicht immer erreicht wurde, das ihr auch im Tempo nicht leichtgewichtig genug folgen konnte und das der Solistin begreiflicherweise mangelnde geistige Profil nicht zu ergänzen vermochte. Dagegen gelang die vorangehende Symphonie Nr. 86 in D-dur von Joseph H a y d n in ihrer Profilierung wesentlich besser dank der lebendigeren Führung durch den Dirigenten.

Der zweite Teil des Abends führte uns in das Konzert des Kammerorchesters der Konzerthausgesellschaft unter Paul Angerer. Wir hörten das Hornkonzert op. 11 von Richard Strauss, ein aus musikantischer Fülle geborenes Frühwerk des Meisters, von Franz Koch im Solo ebenso virtuos und exakt geblasen als vom Orchester sekundiert. Es folgte in der „Sinfonie 1949” von Rolf Liebermann eine ebenso anspruchsvolle als liebenswürdige Komposition, deren Dodekaphonik bestrebt ist, traditionellem Hören entgegenzukommen, ohne sich dabei selbst aufzugeben, ein interessanter Versuch, der den Erfolg bei dem Zuhörer für sich hatte. Das Werk bewies jedoch über den Versuch hinaus (besonders im langsamen Satz), daß sein Schöpfer nicht nur ein. Versucher, sondern ein Meister ist. Angerers sichere und klare Führung sowie die Leistung des Orchesters standen auf erfreulich geweitetem end gewachsenem Niveau.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung