6756762-1967_49_15.jpg
Digital In Arbeit

Der Zaubertrank — ein Meisterwerk

Werbung
Werbung
Werbung

Zwei Werke haben den — inzwischen weiter gefestigten — Ruhm des Schweizer Komponisten Frank Martin begründet: das in den Jahren 1938 bis 1941 geschriebene Kammeroratorium „he vin herbe“ und die „Petite Symphonie concertante“ von 1944/45. — Den Text zu seiner Komposition „Der Zaubertrank“ für iwölf Singstimmen, sieben Streichinstrumente und Klavier fand Frank Martin in dem alten Quellen nacherzählten Roman „Tristan et Yseult'“ von Joseph Bedier. Die beiden ausgewählten Kapitel samt kurzem Prolog und Epilog sind in drei Teilen gegliedert und dauern in der Vertonung Martins eine Stunde und 45 Minuten.

Schon äußerlich ist hier ein Gegenstück zu Wagners „Tristan“ geschaffen: durch die Reduktion des Aufführungsapparates, die zeitliche Begrenzung und die Objektivierung der Handlung, die von einem kleinen Chor oder von Sprechern erzählt wird. Gemeinsam ist den beiden Tristan-Kompositionen die chroma-tisierende Harmonik, die Bevorzugung kleiner Intervallschritte, die nicht gegeneinander gesetzten, sondern allmählich wie die Farben des Regenbogens ineinander übergehenden Akkorde. Wir haben das reife, stilistisch überaus einheitliche, nobel-diskrete Werk Martins in Wien schon drei- oder viermal gehört. Die letzte Aufführung fand am vergangenen Freitag im keineswegs ausverkauften Großen Konzerthaussaal statt. Bruno Maderna leitete einen kleinen Chor und ein Kammerensemble des österreichischen Rundfunks, Studio Wien. Die Hauptpartien sangen: Laurence Dutoit, Elisabeth Schwarzenberg, Sonja Draksler, Peter Baillie, Walter Kräutler und Hans Christian.

*

Im dritten Konzert des Zyklus „Die große Symphonie“ dirigierte Thomas Schippers die Wiener Symphoniker. Auf dem Programm standen Georges Bizets Jugendsymphonie in C-Dur (die von Balanchine gern getanzt wird), Mozarts Konzert für zwei Klaviere Es-Dur (mit Ingrid Haebler und Walter Klien als Solisten) und Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ in der Orchesterfassung von Maurice Ravel.

Dem 1930 in Michigan geborenen bildhübschen jungen Mann wurde bereits 1950 die Weltpremiere von Menottis Erfolgsoper „Der Konsul“ anvertraut, seit 1958, dem Gründungsjahr der Festspiele von Spo-leto, ist Schippers dort als künstlerischer Leiter und Dirigent tätig, 1963 hat er in Bayreuth die „Meistersinger“ geleitet und im vergangenen Jahr das neue Opernhaus des Lincoln Centers mit Barbers „Antonius und Kleopatra“ eröffnet. Mit einem Wort: eine Weltkarriere. ' Sie ist. sieht und hört man genau hin. optisch eher verständlich als akustisch. Die Gesten des jungen Ameri-

kaners sind nämlich um eine Spur zu gefällig und elegant, und es dauert auch nur einige Minuten, bis sich bei der Wiedergabe der heiklen, die Violinen besonders exponierenden C-Dur-Symphonie Bizets die ersten kleinen Ungenauiigkeiten beobachten lassen. Dem Orchester scheint die Schlagtechnik von Herrn Schippers zuweilen Schwierigkeiten zu machen. Aber das Mozart-Konzert gelingt ihm mit erstaunlicher Einfühlung, und die „Bilder einer Ausstellung“ werden als orchestrales Paradestück dynamisch wirkungsvoll nuanciert und in leuchtkräftigen Farben dargeboten. Hier schien sich auch das Orchester sicher zu fühlen und musizierte animiert und animierend. Entsprechend war auch der Beifall für alle Beteiligten.

Helmut A. Flechtner ★

Wer ein künstlerisches Ereignis von Rang erwartet hatte, wurde von Martha Argerichs Klavierabend im Großen Konzerthaussaal etwas enttäuscht. Wer sich indessen mit Brillanz, kühl glitzernden Passagen und donnernden Fortegängen zufriedengab, kam voll auf seine Rechnung. Martha Argerich spielte Bachs Toccata und Fuge (BWV 911), Beethovens D-Dur-Sonate (op 10/3) und im zweiten Teil — ihrem Interpretationsstil schon in der Werkwahl adäquater — Hovels „Jeux d'eau'“, Liszts „Funerailles“ und Piecen von Chopin. Obwohl da vieles dank stu-pender Technik, unbändigem Temperament und Flair für klangliche Entfaltung sehr effektvoll geriet, blieb sie doch vor allem Bach und Beethoven den Wiedergaben die echte künstlerische Einführung schuldig. Am ehesten überzeugte sie mit Ravel und Liszt, deren Kaskaden unter ihrem geschliffenen Anschlag aufblitzten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung