6784886-1970_08_14.jpg
Digital In Arbeit

Monteverdi bis Berlioz

Werbung
Werbung
Werbung

Im Mozartsaal des Konzerthauses spielte der Concentus musicus italienische Musik aus der Zeit Monte-verdis, und zwar fast ausschließlich auf alten Instrumenten, wie Tenorviola, Renaissanceblockflöten, Barockposaunen, Gamben, sowie auf den Tasteninstrumenten Cembalo, Virginal und Regal. — Mit ihnen und der für sie geschriebenen Musik sind die Mitglieder des „Concentus“ bestens vertraut. Bereits 1952 gegründet, trat dieses Ensemble erst fünf Jahre später mit seinem ersten Konzert an die Öffentlichkeit und hat seither ein rundes Dutzend internationaler Schallplattenpreise erhalten. Fast alle Instrumentalisten sind Wiener Symphoniker. Das letzte Konzert unter der Leitung von Alice und Nicolaus Harnoncourt begann, ein wenig fastnachtsmäßig, mit einem Capriccio Stravagante von Carlo Farina, einer Folge bizarrer lautmalerischer Miniaturen, deren Raffinement in umgekehrtem Verhältnis zu ihrem künstlerischen Wert steht. Da werden eine Bauernleier, Katze, Henne, Hahn und Hund nachgeahmt, da wird „nahe bey dem steg“ gespielt und das Holz mit dem Bogen geschlagen (wie uns im Programm versichert wird: die erste col legno Stelle der Musikliteratur). Hierauf folgten Canzonen zu vier und zu acht Stimmen von Antegnati, Guami, Lappi und Merulo sowie ein Echostück von Bastian Chilese. Herbeft Tachezi spielte eine Toccata von Merulo auf dem Regal und Johann Sonnleitner die Toccata settima von Frescobaldi am Cembalo. Star des Abends war Cathy Berbe-rian, die virtuose Interpretin aller-neuester und schwierigster Vokalwerke auf den Internationalen Festivals. Als Primadonna assoluta trat sie auch hier auf: mit silberner Barockperücke in schwarzseidener Bluse mit weißer Halskrause und prächtigem rotem Glockenrock, sitzend und trotzdem agierend, und zwar in drei sehr verschiedenen Vokalstücken Monteverdis: einer Konzertarie mit Instrumenten, dem berühmten Lamento d'Ariana von 1613 und einer Lettera amorosa a voce sola in genere rappresentativo. Der angenehme instrumental klingende Mezzo von Frau Berberian eignet sich ganz besonders für diese edle Musik, zu der die rote Barbeleuchtung einen pikanten Kontrast schuf. Auftritt und Gesang wurden entsprechend gefeiert.

*

Am vergangenen Freitag spielten im Großen Konzerthaussaal die Wiener Symphoniker unter Zdenek Macal. Der junge schlanke langhaarige Tscheche lebt, wie man hört, als Reisedirigent und soll demnächst, als Nachfolger Dohnanyis, nach Köln gehen. Der 1. Abend im Zyklus Orchesterkonzerte begann mit Dvo-fäks Ouvertüre „Karneval“. Eigentlich handelt es sich hier um eine kleine symphonische Dichtung, die aus einem dreiteiligen Zyklus stammt, den Dvofäk vor seiner Amerikareise für seine Prager Freunde schrieb und der den Titel „Natur, Leben, Liebe“ führte. „Karneval“ ist der mittlere Teil, ein wenig lärmend, bald nach Tschaikowsky, bald nach Wagners „Tannhäuser“-Ouvertüre klingend; jedenfalls kein überzeugendes Opus. — Wenn man es nicht in anderer Interpretation gehört hätte, so könnte man das auch von Mozarts Klavierkonzert F-Dur annehmen. Trotz überzogener Tempi dehnte sich das nur halbstündige Werk bedenklich. Es mangelte an Spannung und Kontrasten, vor allem aber an Übereinstimmung zwischen dem Dirigenten und dem Solisten Hans Petermandl, den wir schätzen und dem wir bald unter günstigeren Konditionen wiederzubegegnen hoffen. Denn zu Mozart hat zumindest einer der beiden Partner kein rechtes Verhältnis. — Nach der Pause gewann der Abend an Intensität und Spannung, trotz der Disproportion zwischen Substanz und Dauer, die die vier Instrumentalsätze aus Berlioz' dramatischer Symphonie „Romeo und Julia“ aufweisen. Von 1829 bis 1839 beschäftigte Berlioz das Projekt einer Symphonie mit Soli und Chö-

ren, die durch ein Gastspiel der Schauspieltruppe John Kembles und die Pariser Shakespeare-Begeisterung in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts ausgelöst wurde. Berlioz, seiner romantisch-schwärmerischen Natur entsprechend, reagierte darauf mit einem Monsterwerk, dessen (gelungenste) vier Instrumentalsätze, die er später zu einer Art Symphonie zusammenfügte, allein schon 45 Minuten dauern. Immerhin gibt es in dieser Musik, und zwar in jedem der vier Teile mit den Titeln: Ouvertüre, Liebesszene, Königin Mab — die Traumfee und Romeo allein — großes Fest der Capulets interessante und inspirierte Details, die der junge Dirigent mit den Wiener Symphonikern effektvoll zu präsentieren wußte. Hier war Macal jedenfalls mehr in seinem Element als bei Mozart.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung