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Konzertmosaik

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Der Dirigent Läszlö Somogyi stellte sich Wien an der Spitze der Symphoniker mit Mahlers 5. Symphonie vor: Allerdings mit einer, meines Erachtens nach, etwas unausgeglichenen Wiedergabe dieses an sich nervösen, schwer zugänglichen Werkes, der ersten der rein instrumental konzipierten, betont individualistischen Trilogie. Vor allem den zentralen Scherzo-Satz hätte Somogyi markanter konturie-ren, den Trauermarsch und das Finalrondo in stärkerer Transparenz anlegen müssen. Uberzeugend, weil klanglich richtig dimensioniert, geriet das Adagietto, dessen märchenhafte Versponnenheit die Streicher in samtiger Tongebung realisierten; desgleichen gefiel der stürmische zweite Satz. Nikita Magaloff spielte Mozarts C-Dur-Klavierkonzert (KV 503) kalt-glänzend, anscheinend ohne persönliche Beziehungen zum Werk, mit geringem Flair für die Ästhetik der anmutigen Details. Die Symphoniker begleiteten stellenweise recht unakkurat, so daß in der Aufführung sogar metrische Unexaktheiten auftraten.

Mit der „Symphonie der Tausend“, Maklers „Achter“, haben es Publikum und Dirigent heute am schwersten. Das vielschichtige, mit Philosophie verbrämte, aber formal problematische Riesenopus, das übrigens in den meisten Aufführungen unter der Diskrepanz zwischen höchstem Anspruch und bescheiden wirkendem Effekt leidet, enttäuschte auch unter Rafael Kubelik: Gewiß, ungewöhnlich straffe, forcierte Tempi liehen dem Pfingsthymnus „Veni, creator Spiritus“ äußerlich Brillanz und Feuer; waren aber keinesfalls imstande, die geringe Tiefe der Interpretation zu verdecken. Und den dramatischen Momenten der „Faust“-Szene mangelte es total an echter mystischgläubiger Ekstase, an barocker Apotheose und der weisen Apologie Goethes. Einige FeMbesetzungen zeigten sich übrigens im Gesangs-solistenoktett, von dem nur die beiden Soprane Martina Arroyo und Christiane Sorell und die beiden Altistinnen Lucretia West und Birgit Finnüä den Ansprüchen der Partien gerecht wurden. Die Wiener Sängerknaben, der Singverein, die Wiener Singakademie und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks warteten unter Kübeliks impetuoser Führung mit technisch imponierenden Leistungen auf. Alles in allem: ein Fest des Monumentalen, des Aufwandes, ein Fest, das leider in der großen Theatergebärde erstarrte.

Im Mozartsaal geigte Henryk Szeryng Bachs E-Dur-Solopartita (BWV 1006), die Sonaten in E-Dur (BWV 1016) und g-Moll (BWV 1001) und Brahms' d-Moll-Sonate. Seine Tongebung ist voll Geschmeidigkeit, Leuchtkraft, ja Süße, machte jede seiner Wiedergaben zum Erlebnis. Seine grandiose Technik, die ihn selbst schwierigste Passagen voll Grandezza und legerer Selbstverständlichkeit vortragen läßt, frappierte in den diffizilen Sprüngen und Griffen, im souveränen Lagenwechsel und in komplizierten mehrstimmigen Satzgestaltungen. Glanzvolle Höhepunkte des Abends waren die Interpretationen der E-Dur-Partita und der Chaconne aus der zweiten d-Moll-Partita, die er als Zugabe vor der Pause spiefite. Marinus Flipse assistierte am Klavier mit Feingefühl, Noblesse und Anschlagskultur. Das Publikum tobte vor Begeisterung.

Nikita Magaloff spielte Chopins Etüden op. 10 und op. 25 und die „Vierundzwanzig Präludien“ (op. 28). In allen seinen Interpretationen ist jedenfalls die Neigung zu vielfältigen Schattierungen und nachgedunkelten Zwischenwerten im Anschlag charakteristisch. Die einzelnen Stücke werden mit Konzentration, Akkuratesse, auf Klarheit der Struktur gestaltet, zugleich aber eher leger, wie Arabesken entworfen. Höhepunkte des Abends waren die Wiedergaben der „Revolutions“-Etüde und der letzten drei Präludien, in denen der Pianist sich aus seiner stellenweise reservierten, über den Werken stehenden Interpretationsweise löste und Sentiment fühlbar werden ließ.

Das mitternächtliche Rendezvous mit Irmgard Seefried und Gerhard Stolze im Theater an der Wien, sozusagen das Festwochen-Finale, bescherte einem Publikum, das geneigt war, sich blendend zu amüsieren, durchaus nicht das erwartete Vergnügen. Weder Frau Seefried noch Herr Stolze scheinen sich im Genre „Kleinkunst und Brettlromantik“ recht wohl zu fühlen: Jacques Preverts hintergründige Texte voll gekünstelter Banalität und Groteske und Joseph Kosmas Gedankenarabesken voll Esprit, mit Fingerspitzengefühl für das Pikante, mit Eleganz fabrizierte, artistisch triviale Melodien brauchen in erster Linie gewiegte Kabarettisten; „Kleinkünstler“, die diese Apercus, Verschmockte, Verdrehte, mit dem richtigen Schuß Sentiment und Sinn für Parodie zu pointieren wissen. Gewiß, manches der „Chansons um Mitternacht“, die von den Zeiten der Trouveres, von Thibaud IV. von Navarra, bis zu Milhaud, Jaubert und den Poeten Aragon und Girau-doux reichten, gelang überzeugend, hatte Fluidum. Die meisten aber gerieten etwas zu schwerfällig und robust, mit nicht genügend Kontrasten in der Gestaltung. Norbert Pawlicki führte sein Miniaturorchester vom Flügel aus. Zwei Piecen begleitete der Komponist Joseph Kosma höchstpersönlich. K. H. Z. *

Das letzte von Friedrich Cerha geleitete Reihe-Konzert stellte ein Jugendwerk Debussys den neuesten Kreationen von Pierre Boulez, Jahrgang 1925, gegenüber. Die „Chansons de Bilitis“ schrieb Debussy bereits 1886 als frischgebackener Preisträger in Rom. In diesem Frühwerk handelt es sich um eine Folge von zwölf kurzen poetischen Prosatexten von Pierre Louys, zu denen Debussy reizende Miniatursätze für zwei Flöten, zwei Harfen und Celesta geschrieben hat. Sie erklingen als Zwischenspiele oder als Unterma-lungsmusik zu den von Marie Therese Escribano in soigniertem Französisch gesprochenen Texten. Kaum ein größerer Gegensatz ist denkbar als der zu den „Structures IIa“, die anschließend Käthe Wittlich und Charlotte Zelka in zwei Steinway-Flügel hineinhämmerten. Mit Sicherheit und Elan, das muß man ihnen lassen. — „Eclat“ für 5 Spieler ist viel liebenswürdiger, ein Klangzauberspiel, in dem der Nachhall ganzer Instrumentengruppen virtuos angewendet wird und das an die Meditation über Mallarme anknüpft. „Le Marteau sans Maitre“, vor mehr als zehn Jahren geschrieben, ist in Wien schon so oft gespielt worden, daß man das schwierige Stück fast mitpfeifen kann. Wie immer war die Ausführung durch die Mitglieder des Reihe-Ensembles unter der Leitung Friedrich Cerhas exzellent.

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