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Haydn- und Franz-Schmidt-Gedenken

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In einer Aufführung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung” (Philharmoniker, Singverein), die der greise Volkmar A n d r e a e mit jugendlichem Feuer und doch mit der Abgeklärtheit des Darüberstehenden leitete, boten — neben dem bewährten Anton Dermota — Vilma L i p p und Walter Berry hervorragende Leistungen oratori- schen Sologesanges, vorbildlich in Phrasur und Textbehandlung wie im großen Atem der inneren Zusammenhänge. Chor und Orchester ließen an Präzision, Sauberkeit und schwungvoller Lebendigkeit nichts zu wünschen übrig. So wurde die Wiedergabe zum Gedenken an Haydns 150. Todestag im wahrsten Sinne zu einer Festaufführung.

In einer Reihe von Konzerten wurde auch des 20. Todestages von Franz Schmidt gedacht, vor allem in einer Wiedergabe des Requiems von Mozart anläßlich eines Gottesdienstes in der Franziskanerkirche, vor dessen Beginn Msgr. Franz Kosch eine Gedenkansprache hielt. Ferdinand Großmann dirigierte Mozarts Totenmesse in verhaltener, , von innen her ins Große wachsenden Profilierung. Dem Chor der Musikakademie und dem Orchester der Philharmoniker stand ein internationales Solistenquartett gegenüber (Lois Laverty, Margit Csobady, Robert Behan, Kurt Ruzicka), unter denen der helle Sopran und der volle dunkle Alt besonders auffielen.

An Stelle des erkrankten Anton Heiller spielte Walter Pach das Orgelkonzert mit Werken Franz Schmidts und erreichte vor allem in der Wiedergabe der „Vier Choralvorspiele” und der großartigen „Chaconne in cis” eine architektonische Klarheit, die zu eindringlichstem Erleben wurde. Seine Registrierung muß als glücklich und apart bezeichnet werden, ohne die Monumentalität des Werkes zu beeinträchtigen. Präludium und Fuge c-moll und die Fuge F-dur ergänzten das anspruchsvolle Programm.

Das Genser-Winkler-Trio (Violine, Violoncello, Klavier) überraschte nach blitzsauberer und exakter Wiedergabe von Beethovens Trio op. 1/3 und Mozarts KV. 542 durch stilistische Ausgewogenheit und Wärme des Ausdrucks im leider sehr selten zu hörenden Trio e-moll op. 102 von Max Reger. Dieses gelegentlich an Debussy gemahnende Werk, das zweifellos zu den schönsten Kammermusikwerken Regers gehört, aus der Versenkung gehoben zu haben, bleibt ein Verdienst, nicht geringer als seine ideale Wiedergabe, die den drei Ausführenden einen guten Platz im Wiener Konzertleben sichert.

Ein ebenso buntes wie unterhaltsames Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker danken wir dem in Amerika lebenden italienischen Dirigenten Massimo F r e c c i a, einem Vollblutmusiker mit Temperament, Energie und Intelligenz. Nach einem etwas weich, fast romantisch-klangsinnlichen interpretierten Concerto grosso von V i v a 1 d i folgte das vom Solisten Arthur Grumiaux virtuos, aber etwas kühl und flach gespielte Violinkonzert von Brahms. Den zweiten Teil eröffneten Gottfried von E i n e m s an dieser Stelle bereits besprochenen „Symphonische Szenen” opus Nr. 22, dem, zum Abschluß, Respighis „Pini di Roma” folgten, ein wahres Glanzstück romanischer Orchestrierungskunst, reich an klanglicher und melodischer Erfindung, das mit seinem südländischen Laim ebenso bezaubert wie durch seine sonoren Lyrismen (mit Nachtigallenschlag vom Tonband) und mit dem dröhnenden Marsch der siegreich heimkehrenden Legion den Beifall geradezu provoziert, der nicht nur dem Dirigenten, sondern auch dem Orchester galt.

Auch die Violinsonate A-dur von Brahms, die Grumiaux an seinem Soloabend im Mozart- Saal spielte, geriet etwas distanziert, und beim Vortrag Debussys (Sonate g-moll) vermied der’ Solist alles, was an typisch impressionistische Klanggebung erinnert. Aber in der großen Chaconne aus Bachs d-moll-Suite triumphierte der große Geiger über alle Schwierigkeiten: wir haben dieses Standardwerk der Violinliteratur noch selten so souverän, klangschön und scheinbar mühelos spielen hören wie an diesem Abend. — Am Klavier saß_ ein Herr in mittleren Jahren (Istvan Hajdu), sehr bemüht, sehr aufmerksam, aber ohne einen Hauch von Poesie, eben nur ein „Begleiter”. Und das ist sowohl bei der eingangs gespielten D-dur-Sonate von Beethoven, bei Brahms und Debussy eben zuwenig.

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