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Aus Warschau und aus Monte Carlo

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Die Warschauer Philharm o-n i e gastierte nicht zum erstenmal in Wien. Ein besonders gern gesehener Gast ist auch ihr ständiger Leiter Witold R o-w i c k i, der Initiator und Hauptdirigent der alljährlich stattfindenden Warschauer Musikfeste, bei denen viel zeitgenössische Musik, besonders solche westlich-fortschrittlicher Provenienz, aufgeführt wird. — Auf dem Programm der Warschauer im Großen Musikvereinssaal standen drei neuere Werke. In Karol Szymanowskys effektvoller und lautstarker, pompösschwelgerischer „Symphonie con-c e r t a n t e“, die der 1937 verstorbene Komponist fünf Jahre vor seinem Tod zum eigenen Gebrauch geschrieben hat, kämpfte die ganz ausgezeichnete und charaktervolle Pianistin Barbara Hesse-Buwkowska heldenhaft — und erfolgreich — gegen die anbrandenden Tonfluten. — Darnach zog eine noch bemerkenswertere Dame die Aufmerksamkeit auf sich: die junge, dunkelhaarige Stefania W o y t o w i c z. die den hochvirtuosen Gesangspart von Benjamin Brittens Liederzyklus nach Rimbaud-Gedichten — „L e s 111 u m i n a t i o n s“ — mit ihrer kräftigen, vollen und klaneschönen Stimme in geradezu staunenswerter Weise meisterte. In ihrer Interpretation konnte man wirklich den Eindruck gewinnen, es handle sich hier um ein Meisterwerk ... Dimitri Schostakowitschs 5. Sympho-n i e klang, von der Warschauer Philharmonie gespielt, gröber und plakathafter, als wir es gewohnt sind. Hier traten auch gewisse Mängel des Orchesterklanges zutage (die Disziplin der Musiker ist ausgezeichnet), die größtenteils wohl auf minderwertige Instrumente zurückzuführen ist: geringe Substanz des Streicherklanges, häufig gicksende Bläser und ein Tutti. das eher grell als berauschend ist. Witold R o w i c k i musizierte mit seinen ambi-tionierten Leuten mit Temperament und nie nachlassender Spannung.

Zum erstenmal kam das „O r c h e s t r e National de l'Opera de Monte Carlo“ nach Wien, das im nächsten Jahr seinen 100. Geburtstag begeht und vor allem durch seine Mitwirkung bei historisch wichtigen Premieren und Neuinszenierungen bekannt geworden ist („Fausts Verdammnis“ von Berlioz, verschiedene Ballette und Opern von De-bussy, Ravel, Strawinsky und Prokofieff). Victor de Sabata, Paul Paray und Henri Tomasi waren seine ständigen Leiter, bis es vor fünf Jahren reorganisiert und unter die Leitung des jungen französischen Dirigenten Louis F r i m a u x gestellt wunie.

dem Jean Germain als Manager assistiert. Das von den berühmtesten Gastdirigenten geleitete, 88 Mann starke Ensemble veranstaltet jeden Sommer Musikwochen im Schloßhof von Monaco und ist vor kurzem mit der „Deutschen Grammophon-Gesellschaft“ in Verbindung getreten, die die ersten drei (vorzüglichen und interessanten) Langspielplatten mit dem Orchester herausgebracht hat. Das im Großen Musikvereinssaal vorgetragene Programm entsprach in hohem Maß der Eigenart und Fähigkeit dieses Ensembles, das sich unter seinem Dirigenten Louis Fremaux als Meisterinterpret impressionistischer Musik auswies. Auf dem Programm standen die beiden ersten „Nocturnes“ von D e-bussy, Respighis „Fontane di Roma“, R a v e 1 s „La Valse“ und die 2. Suite aus dem Ballett „Bacchus et Ariane“ von Albert R o u s s e 1. Als Wiener Erstaufführung hörten wir „Fünf rituelle Tänze“ von Andre Jolivet, einem Mitbegründer der Gruppe „Jeune France“. — Louis Fremaux musiziert mit großer Akuratesse und jener Oberflächensensibilität, die man als Interpret dieser Musik besitzen muß. Das in allen Gruppen hervorragend besetzte virtuose Orchester hat einen hellen, aber keineswegs spröden Klang („Auch im Licht wohnen die Geheimnisse ...“) und erspielte sich einen ganz großen Publikumserfolg. Trotz der tropischen Temperatur erzwangen sich die Hörer des Sonntagvormittagskonzerts eine Zugabe: die Eröffnungsfanfaren zu Paul Dukas' Tanzpoem „La Pen“, das, zusammen mit dem „Zauberlehrling“ und der Ballettmusik „Parade“ von Erik Satie, auf einer der genannten Langspielplatten der DGG aufgezeichnet ist.

Im Sonderkonzert der Wiener Philharmoniker im Theater an der Wien dirigierte Zubin Mehta die „Sechs Stücke für Orchester“ op. 6 von Anton Webern, Beethovens Violinkonzert D-Dur, op. 61 mit Nathan M i 1 s t e i n als Solisten und die Fünfte Symphonie von Beethoven. Die beiden letzteren Werke erlebten 1806 beziehungsweise 1808 an der gleichen Stätte ihre Uraufführung. Mag es am Fluidum des Hauses und der dadurch gehobeneren Stimmung des Publikums liegen, oder wurde man sich dessen durch die Spitzenqualität der Wiedergabe erst bewußt, etwas Weihevolles, Herz-erhebendes lag über diesem Konzert, wie man es nicht häufig erlebt. Der junge Dirigent verstand das echte Pathos dieser Musik, das Heldische wie das Zarte, in seiner Größe zu fassen und zu halten, das durch Nathan Milsteins Geigenkunst freilich in noch viel höhere Höhen gehoben wurde. Die Leistung des Orchesters war echt „philharmonisch“.

Das aus 17 Musikern bestehende Moskauer Kammerorchester unter Leitung von Rudolf Barschai überraschte vor allem durch die vollendete Disziplin seines Spiels. In Mozarts Symphonie A-Dur KV 201 dominierte die Eleganz, in Bela Bartöks Divertimento für Streichorchester die straffe Rhythmik und das Kolorit, in Vivaldis Konzert h-Moll, op. 3/10, der klangliche Kontrast. „Vorbeiflug“ von Serge Prokofieff ist eine Bearbeitung von Klavierstücken (Visions fugitives) durch Rudolf Barschai mit allen Vor- und Nachteilen einer solchen. Die Konzentration der meist jungen, mit Ausnahme der Cellisten stehend musizierenden Leute, war staunenswert, ihr Pianissimo zuweilen kaum noch hörbar, aber doch exakt, ihr Forte klangvoll und wohltönend. Intensiver Beifall belohnte ihre Leistung. F. K.

1m Mozart-Saal beschloß Jörg Demus mit dem 4. Abend seine Interpretation des gesamten Klavierwerkes von Claude Debussy. Wir haben, anläßlich der Besprechung der früheren Konzerte, die Meisterschaft dieses Poeten am Klavier vorbehaltlos loben können. Zuletzt kam nun auch der Virtuose Demus ausführlicher zu Wort: in den zwölf Etüden, die dem Andenken Chopins gewidmet sind, und in der dreiteiligen Suite „Pour le Piano“. Besonders reizend war es, zum Spiel von Jörg Demus auch einmal eine szenische Realisierung des für Kinder geschriebenen Balletts „La holte ä j o u j o u x“ zu erleben. Die „Erste Wiener Fadenbühne“ hat das sehr nett, technisch sauber und auch kindertümlich, der Musik Debussys entsprechend, gemacht. Hoffentlich gibt es, im Konzerthaus oder anderswo, im Lauf der nächsten Saison Wiederholungen dieses liebenswürdigen Spektakels. H. A. F.

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