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„Moderne von 1924 und von heute

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Das interessanteste Konzert der Woche ist Paul Anger er und seinem Kammerorchester zu danken. In Tänzen von L u 11 y und P u r c e 11 zeigte das Ensemble zum erstenmal jenen festen und festlichen Streicherklang, der den Vergleich mit besten Orchestern dieser Art gestattet. Sehr zu loben ist auch die Wahl der neuen Werke für dieses Konzert. H i n d e m i t h s Musik zu der Tanzpantomime „Der Dämon“ von Max Krell stammt aus der besten, nämlich der Sturm- und Drangzeit des Komponisten und ist geladen mit rhythmischen Energien, reich an motorischen und klanglichen Ideen und hat von ihrer Faszination kaum etwas eingebüßt. Was da mit einem Klavier, vier Bläsern und einem kleinen Streichorchester an Klangwirkungen erreicht wird, bezeugt eminente Musikalität und frühe Meisterschaft. — Ebenso reizend, freilich auf ganz andere Art, ist die erstaufgeführte Burleske „R e h a r d“ von Strawinsky nach russischen ' Volksmärchen. Das 15-Minuten-Stück für Sänger und Tänzer, bereits 1916 geschrieben, wirkt wie ein Schulbeispiel zur Aesthetik der „Six“ (zu denen Strawinsky allerdings nicht gehörte). — Es steht an Originalität des Klanges (sieben Bläser, fünf Streicher, Zymbal und Klavier) der oftgespielten „Geschichte vom Soldaten“ kaum nach, stellt freilich an die Sänger Anforderungen, die seine Aufführung erschweren. — Es gab viel animierten Beifall für alle Ausführenden, den Dirigenten und die — abwesenden — Komponisten.

Ein neues Werk, made 1956, hörte man auch im letzten (2.) Philharmonischen Abonnementkonzert unter Carl Schuricht. Nicht nur die eben genannten, vor einem Menschenalter geschaffenen Werke von Hindemith und Strawinsky, sondern auch Bruckners 5. Symphonie von 1877 wirkt neben Gottfried von Eine ms „Symphonischen Szenen - für Orchester“ op. 22 modern und kühn. Denn der Komponist hat sich mit diesem Werk, zumindest was die Harmonik betrifft, in die allergefälligste Sphäre, etwa eines Rossini, begeben. Stimmungsmäßig stehen die ersten beiden, wenig kontrastierenden Sätze, dem Siegfried-Idyll nahe, während der letzte, ein Allegro vivace, ein blendender, gestisch empfundener Bailett-satz ist (worauf der Titel des Werkes hindeutet), der an die besten Arbeiten des Komponisten auf diesem Gebiet erinnert. Die Philharmoniker waren in glänzender Form und spielten vollendet sauber und klangschön.

Im 2. Abonnementkonzert des Zyklus „D i e große Symphonie“ sprang Michael G i e 1 e n für den verhinderten Dirigenten Paul Klecki ein und übernahm das vorgesehene Programm. Mahlers „Lied von der Erde“ mit Marga Höffgen und Waldemar Kmentt als Solisten gelang ihm wesentlich besser als Schumanns 1. Symphonie. Nach einem dynamisch etwas überanstrengten und neivösen Beginn bekam Mahlers Werk von Satz zu Satz immer mehr von jener Poesie, ohne die Schumanns Frühlingssymphonie nicht interpretiert werden kann. Der Instrumentalsatz klang durchsichtig und genau; ein Verdienst nicht nur des Dirigenten, sondern auch der Wiener Symphoniker. Die Solisten ließen kaum einen Wunsch offen.

Zum Tag der Fahne, dessen auch im Philharmonischen Konzert durch Spielen der Bundeshymne gedacht wurde, führten Chor und Orchester der W i e-ner Volkskonzerte unter Josef Maria Müllers Leitung die wenig bekannte Musik Mendelssohns zu Racines Tragödie „A t h a-I i e“ auf. Hierfür seien sie ebenso bedankt wie für die sorgfältige Vorbereitung dieses volkstümlichen und hochdramatischen Werkes, das ein wenig klassizistisch-konventionell beginnt, aber im weiteren Verlauf immer mehr an Eigenart (ein Chorrezitativ, ein schönes Duett usw.) gewinnt. Die Damen (Härtel, Ladiges, Marcus und Hummel) hatten nicht nur sämtliche Solopartien inne, sondern dominierten auch in Chor und Orchester. Der von Eduard D e v r i e n t verfaßte verbindende Text für den Konzertgebrauch ist revisionsbedürftig.

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