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„Rosenkavalier“ und große Chorkonzerte

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Erst die sechste Neuinszenierung im großen Haus am Ring kann als vollkommen bezeichnet werden. Sie war zugleich Erinnerung an großes Vergangenes und Versprechen für die Zukunft. Man hatte die vom Dichter und vom Komponisten als ideal bezeichneten Szenenbilder und Kostüme Alfred Rollers nach dessen Entwürfen wiederhergestellt. Robert Kautsky war der Meister, der das mit feiner Hand und mit Respekt besorgte. Die Bühne sttahlte in Gold, Weiß und zarten Pastellfarben, die Livreen strahlten und die Stimmen erwiesen sich der unvergleichlich noblen Umgebung als durchaus würdig. Die glänzende Besetzung sei nur kurz vorgestellt: Maria Reining als Marschallin, Sena Jurinac — Ok-tavian, Hilde Güden — Sophie, Alfred Poell — Herr von Faninal und Judith Hellwig — Duenna. Kurt Böhme als Ochs sang seine Partie ausgezeichnet, sollte nur bisweilen im Spiel die Grenze zwischen dem Stil einer „Komödie für Musik“ und der Operette genauer beachten. — Auch Josef G i e 1 e n s Regie hielt sich an das Grundkonzept der Roller-schen „Rosenkavalier“-Inszenierung, das durch Ausspielen von Detailmotiven teils bereichert, teils ein wenig verwirrt wurde. Hans Knappertsbusch am Pult dirigierte, nach nur einer Generalprobe,

eine musikalisch vollkommene Aufführung, wie sie nur zustande kommt, wenn ein großer Herr am Pult steht, der dem Orchester die nötige Fteiheit läßt. Viele Vorhänge, festliche Stimmung.

Mit Mozarts „Requiem“ errang der W i e-ner Staatsopernchor bei der Pariser Weltausstellung von 1937 einen ersten Preis. „Im Gedenken an unsere Toten“ wurde das Werk vom gleichen Ensemble mit den Wiener Philharmonikern und den Solisten Irmgard Seefried, Hilde Rössel-Majdan, Anton Dermota und Gottlieb Frick unter der Leitung von Karl Böhm am vergangenen Sonntag in der Staatsoper wieder aufgeführt. Der große Chor war vor dem eisernen, Vorhang, etwa in der Höhe der Bühne, postiert, das Orchester saß wesentlich tiefer, wodurch das dynamische Gleichgewicht zugunsten der Chorpartie etwas gestört schien. Die getragenen, langsamen Teile gelangen besser, während Böhm in den bewegteren eine gewisse Neigung zum Dramatisieren zeigte, so daß das gerade in diesem Werk sonst so deutlich spürbare Bachisch-liturgische Element durch ein dramatisches Brio, etwa im Stile Verdis, zurückgedrängt wurde. — Möge man auch

künftig, wie es in der Staatsoper geschehen ist, voa Applaus nach dem Vortrag des „Requiems“ absehe.

In der Oper dirigierte Bruno Walter Bruckners „T e d e u m“ und Beethovens IX. Symphonie. Bruno Walter liebt diese Zusammenstellung; sie ist ein Bekenntnis. Der Staatsopernchor und die Wiener Philharmoniker waren die Ausführenden. Hilde Zadek sang das Sopransolo im Te-deum, Hilde Güden das der Neunten, Erich Majkut und Gottlob Frick wirkten in beiden Werken mit. Die Vollkommenheit der Aufführung war bei Bruckner durch die mangelhafte Koordination und Einstimmung der Orgel etwas beeinträchtigt. Nach der Neunten, deren erster Satz mit besonders scharfen Akzenten versehen war, brach ein Jubel los, wie man ihn im neuen Opernhaus wohl so bald nicht wieder hören wird ...

Wenn vor den Ohren späterer Generationen einige Werke unserer Zeit Gnade finden, dann wird unter diesen vielleicht an erster Stelle Igor S t r a-winskys „Psalmensymphonie“ stehen. Größe des Konzepts, Formvermögen, Originalität und Einheitlichkeit des Stils kennzeichnen diese Komposition für Chor und Orchester als ein Meisterwerk. — Orffs „Carmina burana“ wagen wir diese Prognose nicht mit der gleichen Sicherheit zü stellen. Beide Werke wurden in einem außerordentlichen Chorkonzert im Musikverein unter Fritz Reiner, dem Dirigenten der „Meistersinger“, während der festlichen Eröffnungswoche der Staats-oper, geleitet. Fehlte es bei der „Psalmensymphonie“ stellenweise an Präzision und im ganzen an Intensität, so ließ die Wiedergabe der weltlichen Gesänge nach Liedtexten der Benediktbeurer Handschrift keinen Wunsch offen. Neben dem von Reinhold Schmidt trefflich einstudierten Chor brillierten als Solisten vor allem Wilma Lipp und Murray Dickis in den ungewöhnlich schwierigen hohen Partien, neben denen Eberhard Wächter und Julius Patzak etwas blasser wirkten. Es spielten die Wiener Symphoniker.

Paul Klecki war der Dirigent des 3. Konzertes im Zyklus „Die große Symphonie“ mit Wehers Oberon-Ouvertüre, Mozarts Es-dur-Symphonie, dem Doppelkonzert von Brahms (mit den herrlich spielenden Solisten Wolfeang Schneiderhan und Enrico MainardO und den „Bildern einer Ausstellung“ von Mussorgsky-Ravel. Klecki hat eine gewinnende, saubere und elastische, von echtem Gefühl getragene Art des Musizierens. Jede Wiederbegegnung mit diesem Dirigenten ist eine reine Freude. Er ist, leider, ein seltener Gast in Wien. Man sollte jede Gelegenheit, ihn zu engagieren, wahrnehmen.

Drei Novitäten gab es im 1. Konzert des Zyklus ,.M u s i c a n o v a“ im großen Sendesaal des Oesterreichischen Rundfunks. „Pas de Cceur oder Tod und Auferstehung einer Ballerina“ nach einem Buch von Heinz v. Cramer von Gottfried v. Einem litt ein wenig durch die zwar witzigen, aber doch retardierenden Zwischentexte. Alexander Taus-m a n n s „Sinfonia piecola“, ein kultiviertes., farbiges Orchesterstück, ist gar nicht so klein, wie der Titel vermuten läßt. Theodor B e r g e r erfreute mit einem rasanten, auf einem einzigen dreitönigen Motiv aufgebauten Zwölfminutenstück („La Parola“), das am Ende des überlangen Proeramms keinen leichten Stand hatte und seine Qualität schon dadurch, daß und wie es sich behauptete, glänzend erwies.

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