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Furtwängler-Konzerte

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Bei der traditionellen Aufführung der IX. Symphonie von Beethoven im Nicolai-Konzert der Philharmoniker unter Wilhelm Furtwängler wirkte diesmal die Wiener Singakademie mit, die sich ihrer schwierigen Partie durchaus gewachsen zeigte. Irmgard Seefried, Rosette Anday, Julius Patzak und Otto Edelmann bildeten das Solistenquartett. Gegenüber dem Vorjahr war Furtwängler in Tempo und Dynamik etwas zurückhaltender, auch die Ekstase des Schlusses sprengte nicht die Sphäre des Klassisch-Schönen. Der berühmte philharmonische Klang kommt dadurch zur Entfaltung, daß jeder einzelne Spieler, vor allem an melodieführenden Stellen, bei aller Unterordnung unter den Willen des Dirigenten ein gewisses Maß von Freiheit behält. (Besonders charakteristisch im Hornsolo des Scherzotrios.) Voll war bei dieser Aufführung verwirklicht, was sich Richard Wagner 1846 bei der Vorbereitung der Neunten in Dresden vorgenommen hatte: „Nichts anscheinend schwer Verständliches durfte so zum Vortrag kommen, daß es nicht in bestimmender Weise das Gefühl erfaßte.'

Im fünften Abonnementkonzert vermochte Furtwängler sogar mit B *jc 16 k s ,C o n-certo für Orchester' das Gefühl des philharmonischen Publikums zu erfassen. Diese denkwürdige Aufführung und ihre Wirkung verdienen aus verschiedenen Gründen einen Kommentar. (Das substanzreiche, dichtgearbeitete und bekenntnishafte Werk, das Barlök zwei Jahre vor seinem Tode in der Emigration schrieb, wurde an dieser Stelle bereits anläßlich seiner Erstaufführung ausführlich gewürdigt.) Damit haben die Philharmoniker zum erstenmal seit langer Zeit ein Werk von dezidiert moderner Haltung in ihr Programm aufgenommen. Daß es sich bei dem „Concerto“ um ein ernstes und ernstzunehmendes Opus handelt, erkannte anscheinend nicht nur das Orchester, sondern auch ein großer Teil des Publikums, welches der Aufführung einen typischen Anerkennungsbeifall spendete (der übrigens am Sonntag lebhafter war als bei der Voraufführung am Samstag). Das ist immerhin ein Fortschritt, der vor allem dem verantwortungsbewußten Eintreten Wilhelm Furtwängler für das von ihm sehr geschätzte Werk zu danken ist. Und schließlich: starker, mittlerer oder schwacher Applaus ... Auf diese Unterscheidung können ein Dirigent und ein Orchester von Weltruf gelegentlich verzichten, wenn es darum geht, eine Veranstaltungsreihe aus der Sphäre des Konservativen ab und zu in die bewegtere und dissonanzenreiche der Gegenwart zu steuern. — Eine sehr eindrucksvolle Aufführung der VII. Symphonie von Bruckner bildete den zweiten Teil des Programms, das durch Cherubinis „Anakreon'-Ouvertüre eröffnet worden war.

Nur ungern gestehen wir uns, daß die Wiederbegegnung mit Carlo Z e c c h i, der seinerzeit mit sehr subtilen Cesar Frank- und Ravel-Interpretationen den allerbesten Eindruck hinterlassen hatte, eine Enttäuschung bedeutete. Schuld daran trug ein überlanges, nicht nur der Nationalität der Komponisten, sondern auch seiner Buntheit wegen „italienisches“ Programm, wie es zuweilen auch Tosca-nini seinen peinlich überraschten Verehrern zu präsentieren pflegt. Im zweiten Orchesterkonzert der Konzerthausgesellschaft gab es (in dieser Reihenfolge!): eine Symphonie in D-dur von Luigi Cherubini, das Cellokonzert von Boccherini, die Ouvertüre zur Oper „Die seidene Leiter“ von Rossini, „Pavane e Passa-caglia“ von Luigi Magnani, „Ricercari“ von G. F. Malipiero und Verdis Ouvertüre zur „Sizilianischen Vesper“. Aus dieser Vortragsfolge ohne „Linie“ und ohne Höhepunkt holte Zecdii das Mögliche heraus. Sein feines, kammermusikalisches Musizieren, die liebevolle Betreuung des Details, die elastische, den Klang ununterbrochen modulierende Hand — all das konnte man wieder bewundern, besonders ungetrübt bei der Begleitung des von Gaspar Cassado gespielten Cellokonzerts. Von den beiden Zeitgenossen verdient nur das Werk des älteren entschieden Beachtung. Die für zwölf Soloinstrumente bereits 1926 geschriebenen „Ricercari“ von Malipiero sind eine seltsame Synthese von vorbarockem italienischem Stil und neoklassischen Einflüssen aus der Richtung Strawinsky. Die Wiener Symphoniker waren die Ausführenden und die Solisten des „Ricercari“-Ensembles.

Im 7. Sonntagnachmittagskonzert der Tonkünstler ist vor allem eine sehr lebendige und kontrastreiche Wiedergabe der symphonischen Dichtung „Pini di Roma“ von Respighi hervorzuheben. Der fröhlich lärmende Platz in greller Sonne vor der Villa Borghese, das Dämmerlicht der Katakomben, das schwärmerische Nocturno im Stil Debussys, welches den Pinien auf dem Janiculum gewidmet ist, schließlich der ehern-dröhnende Marsch der römischen Legionen auf der Via Appia — das alles kam eindrucksvoll und tongewaltig, meist auch klangschön zum Ausdruck. — Sehr sauber hatte Kurt W ö ß auch Haydns Symphonie Nr. 101 („Die Uhr“) einstudiert, während die Begleitung des Violinkonzerts von Brahms (Solist: Walter Schneiderhan) noch einige Wünsche offen ließ.

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