6760245-1968_12_15.jpg
Digital In Arbeit

Aus dem Konzertsaal

Werbung
Werbung
Werbung

Leidenschaftliche Farben, elegante Artistik, raffinierte Effekte bestimmten die beiden Strauss-Wiedergaben, die die Philharmoniker unter Lorin Maazel im 7. Abonnementkonzert präsentierten. Vor allem die Aufführung der symphonischen Dichtung „Don Quixote“ gefiel durch gesteigerte Phantastik, durch blankgescheuerte Details, theatralisch aufgeladenes Pathos. Maazel, der ein wahrer Feuergeist sein kann, es aber nur zu oft liebt, in kühler Klangpracht zu schwelgen, setzte hier kühn knallige Pointen. Die Aufführung der „Metamorphosen“ atmete Ausgeglichenheit, Schönheit, bestach durch transparente Gestaltung der wohlproportionierten musikalischen Architektur.

Im Rahmen seines Kompositionsabends im Konzerthaus stellte Raimund Weissensteiner seine 10. Symphonie in einer Uraufführung vor: Das monumentale Werk, von absolut ehrlicher, persönlich geprägter Aussage, ist 1967 entstanden. Es zeigt engste Bezüge zur großen symphonischen Tradition, von der es formal, in der Satztechnik, klanglich bestimmt wird. Nichtsdestoweniger finden sich darin aber auch durchaus moderne Elemente. Überdies hörte man die von früher bekannten phantastischen Choralvariationen „Dies Irae“ und das 1949 entstandene Klavierkonzert. Der Dirigent Kurt Rapf, der Pianist Hans Graf und die Wiener Symphoniker nahmen sich der drei großräumigen Arbeiten mit Intensität des Ausdrucks an.

Der Dresdner Kreuzchor (Knaben- und Männerstimmen) gab im Großen Musikvereinssaal ein Konzert mit anspruchsvollem Programm, das Werke von J. H. Schein, Heinrich Schütz, J. S. Bach, Anton Bruckner, Ernst Pepping, Franz Herzog und Rudolf Mauersberger umfaßte. Im Jahre 1206 gegründet, hat der Chor eine sehr reiche Tradition, deren Wahrer und Erneuerer sein Dirigent Rudolf Mauersberger ist, der auch den eigenartigen „Kreuzchorklang“ schuf, das Programm bis in die Gegenwart des Musikschaffens erweiterte und an Reinheit der Intonation und Präzision der Wiedergabe ebenso Erstklassiges geschaffen hat wie an Ausgewogenheit der Stimmen. Die Schwierigkeiten, besonders bei Pepping (Aus der Missa: Dona nobis pacem), bei Herzog („Wir bauen mit zitternden Händen“) und bei seinen eigenen Gesängen aus dem „Dresdner Requiem“ schienen überhaupt nicht vorhanden zu sein. An Farbigkeit und Variabilität des Klanges war allerdings kein Übermaß vorhanden. Sein Auftreten und seine Leistungen konnte der Chor mit großem Beifall begrüßt und belohnt sehen.

Im Beethoven-Konzert der Wiener Symphoniker, das Carl Melles dirigierte, spielte Clifford Curzon den Solopart des 4. Klavierkonzertes G-Dur, op. 58. Seine Interpretation ist von brillanter Technik und distinguierter Haltung, stilistisch allerdings ungleich und kapriziös, nicht immer einig mit der Auffassung des Dirigenten, der seinen Beethoven haben wollte, ebenso eigenwillig, dunkel pathetisch, und diesen Standpunkt in der Wiedergabe der „Egmont-Ouvertüre“ und der 2. Symphonie legitimierte. Eine vorherige Einigung zwischen Dirigent und Solist hätte der Wiedergabe des Klavierkonzertes zweifellos genützt, doch für Kenner war auch das gelegentliche Funkensprühen zwischen beiden ein pikantes Erlebnis.

Deutsche Barockmusik und französische Moderne bildeten das Programm des Orgelabends von Hans Haselböck. Über die Zeiten hinweg ist der Unterschied beider Völker in der Verwendung der Orgel zu spüren: die große Kunst strenger

Linienführung deutscher Meister, deren Registrierung vor allem der Verdeutlichung der Stimmen dient — und das großflächige, die Farbe an sich als Ausdrucksmittel benutzende, meist auf homophoner Basis sich entfaltende Klangbild der Franzosen. In reizvoller, sehr persönlich profilierter Kleinarbeit wußte Haselböck in den Stücken von Buxtehude (Präludium und Fuge g-Moll), Samuel Scheidt (Cantio sacra: „Warum betrübst du dich“) und J. S. Bach (drei Choralbearbeitungen zur Passion) jeder Stimme ihre eindringlich schöne Farbe zu geben, in Nikolaus Bruhns Präludium und Fuge nahezu romantische Effekte zu erzielen. Frank Martins Passacaille von fast symphonischer Breite lebt von Kontrasten und Spannungen hart gegeneinander abgesetzter Farben, Oliviėr Messiaens „Apparition de l’Eglise eternelle“ und das pianissimo ausklingende „Le Banquet celeste" von deren zarter und eigenartiger Mischung, die trotz (oder wegen) ihrer diskreten Behandlung aufregend wirken. Im abschließenden Choral a-Moll von Cėsar Franck bewies Haselböck ebenso musikalischen wie persönlichen Takt durch Vermeidung allen Schwulstes.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung