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Maazel, Cherkassky, Sawallisch

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Das 4. Abonnementkonzert der Philharmoniker leitete der immer noch sehr jugendlich wirkende Lorin Maazel, den wir seit vielen Jahren in Wien kennen und der vor kurzem zum Chefdirigenten der „Deutschen Oper Berlin“ sowie zum Leiter des RIAS-Symphonieorchesters ernannt wurde. Das Konzert hinterließ, vor allem wegen des schwachen ersten Teils, einen zwiespältigen Eindruck. Wer mit den Wiener Philharmonikern Bach spielen will, muß ein sehr klares Konzept haben — und auch dann steht es noch in Frage, ob und wie er sich durchsetzen wird. Da Maazel selbst keine klare Vorstellung von dem, was er realisieren wollte, zu haben schien, blieb die Suite Nr. 4 in D-Dur kontur- und spannungslos. Der nachfolgenden Jupiter-Symphonie Mozarts, ja sogar ihrem großartigen Finale fehlte es an Glanz und Verve. Zur Musik von Brahms hat der Dirigent zweifellos eine Beziehung, und so geriet ihm die 3. Symphonie — bei etwas breiten Tempi — recht gut. — Zum Gedächtnis an den vor kurzem verstorbenen Paul Hindemith hatte man den mittleren Teil aus der Mathis-Symphonie dem Programm vorangestellt. Dieses Stück paßt zwar — infolge seines Titels („Grablegung“) — recht gut zu dem Anlaß, es ist aber von den drei Teilen des Triptychons der künstlerisch schwächste. (Dagegen zählen „Engelkonzert“ und „Die Versuchung des heiligen Antonius“ zu den besten Stücken, die Hindemith überhaupt geschrieben hat.) Im Programmheft fehlte es auch an Nachrufen nicht. Noch schöner aber war eine zufällige Koinzidenz: daß man nach dem Gedächtnisstück für und von Hindemith Bach spielte. Und daß sich im Programmheft ein kurzer Beitrag von Wilhelm Furtwängler (über Mozart) fand, der nach 1933 so couragiert für den Komponisten Hindemith eingetreten war.

Zu den Künstlern, die von der ersten bis zur letzten Note eines Konzertabends zu fesseln verstehen, gehört Shura Cherkassky, der kleine, elegante Mann mit dem bescheidenen Auftreten, der im überfüllten Großen Musikvereinssaal seinen heurigen Soloabend gab. Wer viel Musik hört (und dies gar aus beruflichen Gründen), wird diese Qualität eines Künstlers allmählich am höchsten schätzen. Hinter der Fassade des brillanten Technikers haben wir längst den feinen und skrupulösen Musiker Cherkassky entdeckt, der ehrlich bemüht ist, jedem Stil und jedem Komponisten gerecht zu werden. Das gelingt — begreiflicherweise — nicht immer ganz. Die „Grobschmied-Variationen“ von Händel zum Beispiel spielt er (mit schnellen, altmodischen Verzierungen), als seien sie von einem galanten Franzosen, etwa Rameau oder einem kleineren Meister wie Marchand. — In Beethovens Sonate „Pathetique“ waren jede Phrase, jede Note und jeder Akzent richtig. Obwohl sich der Künstler hier nicht die geringste Abweichung vom Text gestattete, klang die „Pathetique“ weniger pathetisch, als wir sie von den großen deutschen Pianisten der älteren Generation gewohnt sind. — Die „Variationen über ein Thema von Paganini“, op. 35, hatte Brahms ursprünglich „Studien für Pianoforte“ genannt, und sie sind in der Tat ein Kompendium der Brahmsschen Klaviertechnik mit all ihren Finessen und' Schwierigkeiten. Aber ob es gut war, beide Hefte (zweimal 14 Variationen) hintereinander zu spielen? Cherkassky ^ mit seinem außerordentlich nuancen-*elÖhfiulwiitets'pBnfiendn Vortrag — tannetfl^'aieh Jedenfalls v leisten'.' Im zweiten Teil . folgten nach „Sechs Tänzen in bulgarischem Rhythmus“ aus Bartöks „Mikrokosmos“ zwei Stücke aus den gar nicht etüdenmäßigen „Etudes pour Piano“ von Debussy, die Cherkassky sehr weich und farbig vortrug. In der das Konzert beschließenden Ungarischen Rhapsodie Nr. 13 von Franz Liszt schlugen Cherkasskys Temperament und Technik Funken auch aus dem tauben Gestein. — Langanhaltender und stürmischer Beifall — und mehrere Zugaben.

Mozarts „Linzer Symphonie“, KV 425, sowie sein Konzert für Klavier und Orchester in d-Moll (KV 466) sind verhältnismäßig selten zu hören. Beide standen auf dem Programm des 3. Konzerts im Richard-Strauss-Zyklus und wurden von den Symphonikern unter Wolfgang Sawallisch — mit Shura Cherkassky als Solisten — musiziert. Trotz dieser ausgezeichneten Besetzung und der technisch exakten Wiedergabe blieb das eigentlich Mozartsche, die Wärme und der unmittelbare Anspruch, zu sehr im Hintergrund, wodurch die glitzernde Eleganz mehr Parade als Natur war. Das änderte sich bei der (ebenfalls selten gehörten) „Burleske“ für Klavier und Orchester von Richard Strauss, die Cherkassky in all ihrer Brillanz und thematischen wie ausdrucksmäßigen Vielfalt voll ausschöpfte, und vollends im „Till Eulenspiegel“, diesem musikalischen Meisterwerk des Humors, der in allen Lichtern funkelte und Dirigent wie Orchester (die sich gegenwärtig auf einer großen Amerika-Tournee befinden) im besten Licht zeigte.

Hans Hotter sang Lieder von Schumann, Pfitzner und Richard Strauss. Eine große Stimme auf den Kammerton des Liedes zu stimmen, ist nicht immer leicht — auch bei Hotter nicht. Doch man wird durch die edle Vortragskunst und die satte Wärme des Tons gebannt, von den volkstümlichen Liedern Schumanns bis zu den diffizilen Gesängen Pfitzners. In der Wiedergabe einiger, besonders der humorigen Lieder von Richard Strauss lag der Höhepunkt des Abends.Walter Klien war ein Begleiter par ex-cellence.

Abermals zwei selten zu hörende Kompositionen, diesmal der Kammermusik, hörten wir in einer von romanischer Klarheit zeugenden Wiedergabe vom Trio ltaliano d'archi: Mozarts Divertimento KV 563 und Beethovens Serenade, op. 8. Die nicht reiche Literatur und die dadurch wenigen Konzerte für diese Besetzung machten den Abend zu reiner Freude und zum ständigen Erstauntsein, welche Fülle von Klang und Farbe in dieser Dreistimmigkeit aufscheint. Zum formalen Verständnis der Kompositionen war die ausgezeichnete Einführung im Programmheft ein wertvoller Mittler.

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