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Konzertmosaik

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Aus Berlin heimgekehrt, luden die Wiener Philharmoniker zum Nicolai-Konzert unter Karl Böhm, Beethovens „Fünfte“ und „Siebente“ standen auf dem eher knapp bemessenen Durchschnittsprogramm, das freilich immer wieder durch Ausgewogenheit In den Proportionen besticht. Beide Werk« gerieten klanglich wohlgerundet, gefielen durch Elan und Straffheit der Wiedergabe. Mit einfacher, markanter Zeichengebung führte Dr. Böhm sein Ensemble, wußte zu massiven Steigerungen und kraftvoll markierten Höhepunkten anzuhalten. Just an einer besonders exponierten Stelle des vierten Satzes der c-Moll-Symphonle stieg im Samstagkonzert ein Horn aus. Und auch einzelne andere Passagen dieser Stimme klangen eher unbefriedigend. — Makellos geriet die „Siebente“. Gut ausgewogene Proportionen, klangliche Frische und Ausdrucksintensität waren die Merkmale der Aufführung. Der Jubel für Karl Böhm und die Philharmoniker erreichte beträchtliche Hitzegrade.

Das 2. Konzert im Zyklus „Die große Symphonie“ dirigierte Thomas Schippers, den wir in Wien wiederholt gehört haben. Die Wiener Symphoniker waren die Interpreten einer selten gespielten Rossini-Ouvertüre („Die Belagerung von Korinth“) und der 9. Symphonie von Franz Schubert. Im Mittelpunkt des Konzerts und des Interesses stand ein hierorts noch unbekannter junger Geiger. Er heißt Gideon Kremer, wurde 1947 In Riga geboren, von seinem Vater und David Oistrach unterrichtet und in Brüssel, Montreal, Genua und Moskau ausgezeichnet. Kremer spielt eine von seinem Großvater geerbte Guarneri und interpretierte das 1910 durch Fritz Kreisler uraufgeführte Violinkonzert von Edward Elgar. »Fadesse abiige“, und der junge Rigenser hat 40 Minuten lang einen heroischen Kampf gegen diese unprofilierte Musik und einen sagenhaft schwierigen Solopart geführt. Gegen beide Widersacher konnte er sich siegreich durchsetzen. Zunächst fiel auf, wie seine Zartheit, sein nobler Ausdruck und sein schöner, voller Ton alle Lyrismen und Kantilenen veredelten. Technische Hürden nimmt er mit der größten Selbstverständlichkeit und zeigt dabei eine physische Kraft, die man dem eher zarten blonden jungen Mann mit Brille kaum zugetraut hätte. Er wurde vom Publikum und seinen Kollegen im Orchester als das erkannt, was er Ist: ein hochtalentierter junger Virtuose, der wahrscheinlich einmal ein sehr großer Geiger werden wird.

H. A. K

Das aus den Herren Dubinsfci, Alexandrow, Schebalin und Berlin-skij bestehende Borodin-Quartett hat schon mit dem eingangs gespielten Streichquartett A-Dur seines Namensträgers einen vorzüglichen Eindruck erweckt. Die von Borodin eingeschlagene, an Beethoven geschulte

Richtung findet eine gewisse Fortsetzung In Schostakowitschs op. 110 in c-MoU. Als originellster Teil des Werkes kann wohl der schnelle Walzer des dritten Satzes gelten, der über starre Bässe hinedlt und den einzelnen Instrumenten die Einsätze wie Bälle zuwirft. Die letzten Abschnitte des fünfsätzlgen Werkes, zwei Largos, weisen eine schön erfundene Melodik auf. Höhepunkt des Abends war Beethovens cis-Moll-Quartett, wohl eines der erhabensten Werke der Kammermusik überhaupt. Nach der Adagioeinleitung des Stirnsatzes wurde im folgenden Allegro vivace mit solcher Leidenschaft musiziert, daß eine Steigerung an klanglicher und ausdrucksmäßiger Schönheit nur noch in den Variationen des kan^ tablen Adagios und in dem virtuos gespielten Scherzo zu erreichen war.

Zu der Trias der mit Recht anerkannten Chopin-Spieler zählt neben Cherkassky und Brailowsky Adam Harasiewicz. Im Gegensatz zu manchen heutigen Tastenjüngern, welche, um ihre musikalisch-geistigen Potenzen in „Sachen Chopin“ zu dokumentieren, dessen Musik sachlich „aufarbeiten“, gibt Harasiewicz der Klaviermusik Chopins die ihr innewohnende Romantik ohne jede VersüßMchung und salonmäßige Sentimentalitätshascherei. Bei Harasiewicz ist auch Liszt — im wahrsten Sinn des Wortes — in guten Händen. Der „Mephisto-Walzer“ zeigte die schon bei Chopin bewiesene, vorzügliche Technik des Künstlers in Superdimensionen. Doch hätte man lieber einen musikalisch gehaltvolleren Liszt gehört als den in diesem Opus mit Fingerakrobatik, Passagen und Klavierdonner auftretenden Komponisten. Es gab Beifallsstürme.

P. L.

Im Mozart-Saal des Konzerthauses gab die in Rom lebende Australierin Margaret Baker einen Liederabend. Ein schönes Programm mit ausgesuchten Meisterwerken von Purcell, Hugo Wolf, Debussy und Rossini. Zu loben ist die Intelligenz der jungen Sängerin, die zwischen Oxford, Moskau und Graz sehr gefragt Ist, zu loben ist ihre saubere Aussprache des Deutschen und des Französischen, ihre Treffsicherheit und Wandlungsfähigkeit. Was ihr fehlt ist die Schönheit des Timbres: die Mittellage zuweilen „hauchig“, die Höhe immer grell und scharf statt intensiv. Ob dem mit „Technik“ jemals beizukommen sein wird? Der Begleiter Irwin Gage, den wir zuletzt in gleicher Eigenschaft in Salzburg hörten (Hindemiths „Marienleben“) ist einfach großartig, hat einen delikaten Anschlag, scheint in allen Stilen zu Hause und besitzt eine ideale Anpassungsfähigkeit. Angeblich will er nur begleiten. Aber einen Debussy-Abend sollte er einmal (als Solist) riskieren! H.A.F.

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