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Orchesterkonzerte und Kammermusik

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Es war ein schöner Gedanke, für das Solistenkonzert mit Orchester zugunsten des Wiederaufbaufonds des Stephansdomes drei junge Künstler zu verpflichten. Die Jugend trägt die geringste Schuld an den Zerstörungen dieses Krieges und hat die sdiwere Aufgabe, seine Wunden zu heilen. Bei den Toten stelle sie Lichter auf und blicke dann, gestärkt und gestützt von der großen künstlerischen Tradition unserer Stadt, gläubigen und vertrauensvollen Herzens in die Zukunft!

An drei Meisterkonzerten der Wiener Klassik hatten sich die jungen Künstler zu bewähren. Haydns anmutig-melodisches Oboenkonzert, das dem Geist und pastora-len Klang dieses Instruments in so vollendeter Weise gerecht wird, wurde von Karl Mayerhofer sauber und stilrein musiziert. Beethovens G-Dur-Konzert für Klavier und Orchester spielte Felicitas K a r r e r mit jener beschwingten Leichtigkeit und rührenden Einfachheit, die aus der Reinheit der Empfindung kommt und den zarten Schmelz ungelebten Lebens hat. Jede virtuose Geste meidend, gelang es der jungen Künstlerin, den Zauber der Melodie umso reiner zu verwirklichen. Anton Fietz hatte sich mit Brahms Violinkonzert eine Aufgabe gestellt, der er vorläufig noch nicht ganz gewachsen ist. Das kann auch fast nicht anders sein, denn gerade dies Werk setzt reife Meisterschaft voraus. Vom Technischen allein her ist dies Konzert nicht zu erobern. Aber — wer wagt, gewinnt! Vielleicht wird Anton Fietz, der sehr gute Anlagen hat, das Brahms-Konzert einmal wirklich gut spielen können. Rudolf Moral t, der die Wiener Symphoniker dirigierte, konnten wir bei diesem Konzert nur als umsichtigen und aufmerksamen Begleiter kennenlernen. Er hatte nicht nur das Orchester, sondern audi die Solisten zu betreuen und tat dies so geschickt, daß nur die Beteiligten es gemerkt haben.

Mit einem Programm, das drei Werke von grundverschiedenem Stil umfaßte, stellte sich Hans Swarowsky an der Spitz* der Symphoniker dem Wiener Publikum vor. Seine Art zu dirigieren ist kraftvoll und männlich. Er liebt — ohne zu übertreiben und Nuancen außer acht zu lassen — die starken Akzente. Swarowsky dirigierte das ganze Programm auswendig und hatte das Ordiester sehr fest in der Hand. Besonders mit den Streichern, die von der Umsetzung des Orchesters (die. auch der französische Dirigent Münch vorgenommen hatte) am meisten profitierten, erzielte er sehr gute Wirkungen. In Regefs' Mözäft-Variationen war zu bewundern, mit welcher Umsicht und Systematik die große Steigerung der Schluß-Fuge vorbereitet wurde. Hier erwies sich Swarowsky als ausgezeichneter Orchestertediniker. In Haydns B-Dur-Symphonie gab es keine einzige l~ere, spannungslose Stelle. Den „Macbeth“ von Strauß wieder einmal aufs Programm zu setzen, war verdienstvoll. Hauptsächlich deshalb, weil dadurch Gelegenheit geboten wurde, sich ein für allemal über diese künstlerisch unmögliche Gattung, die sich „Tondichtung“ nennt, klar zu werden. Swarowsky hat mit den Symphonikern das Stück ganz ausgezeidmet musiziert, aber es war ein Versuch am untauglichen O'ojekt. Das Konzert wurde ein sehr schöner Erfolg für den Dirigenten und das Ovrhaster. 'l-'-'i ''''\*v %

Das Landes-Symphonieorchestei* dirigierte Günter Lehmann. Das Programm war etwas bunt und verzeichnete Werke von Brahms, Schönberg, Schostakowitsch und Tsdiaikowski. Schönbergs „Verklirte Nrdit“ fiel kommentarlos aus; nur das unmögliche Gedicht von Dehmel bekam man als Ersatz auf dem Programmzettel zu lesen. Lehmann gehört, äußerlich, zu den . sehr lebhaften, gestenreichen Dirigenten. Er besitzt zweifellos Gefühl für rhythmische und dynamische Abstufungen und versteht diese auch recht geschickt und bewegüdi auszudrücken. Weniger deutlich ist sein Gefühl für den Gehalt, den inneren Ablauf, — für Stimmung und Seele des Werkes. Zu gering ist auch die Suggestion, die er auf das Ord ester ausübt — trotzdem er auswendig dirigiert, wodurch die Vorbedingungen für einen engeren Kontakt mit dem Orchester gegeben wären. Gerne sei dem Dirigenten zuge'tan-den, daß er mit den Philharmonikern oder dem Symphonieorchester besser musiziert hätte. Woran es dem Landes-Symph nie-orchestei“ noch fehlt, ist schwer zu sagen. Es fehlt ihm von allem etwas. Alles Gut? ist nur in den Ansätzen vorhanden. In dem Programm Lehmanns interessierte vor allem Schostakowitschs Klavierkonzert op. 35. Freilich darf es an den Symphonien des jungen russischen Meisters nicht ger- “ssen werden: es ist das Kind einer frohen, übermütigen Laune, ein unbeschwertes, ironisches Spiel mit Formen und Stilwerten und zeigt eine deutliche Neigung zum Karikaturistischen. Clara Reganzini war die Solistin des Konzertes und spielte — eine beachtliche Gedächtnisleistung — das kapriziöse Werk auswendig.

Das Pariser Pasquier-Trio spielte Mozart, Schubert, Jean Francais und Albert Roussel. Mit der Interpretation von Mozart (Es-Dur) und Schubert (B-Dur) hatten die Künstler in Wien naturgemäß keinen leichten Start. Was sie boten, war hohe Meisterschaft jedes einzelnen Spielers, war vollendetes Zusammenspiel in der Vereinigung zu einem Klangkörper von seltener Präzision, Sdhmieg-samkeit und Nüancierung. Sehr dankbar waren wir den ausgezeichneten Musikern, daß sie uns die Bekanntschaft — oder das Wiedersehen — mit je einem französischen Komponisten der älteren und einem der jüngeren Generation vermittelten. In dem Trio von Francais erkannten wir, daß der 1912 geborene Komponist derselbe geblieben ist, als der er vor etwa zehn Jahren' als musikalisches Wunderkind hervorgetreten war: sehr geschickt und elegant, witzig und ironisch, aber mit sehr geringer musikalischer Substanz arbeitend. Jazz-Elemente werden ein wenig unbedenklich in die Kammermusik übernommen; alles ist unverbindliches Spiel. Francais stellt eine extreme Möglichkeit und Gefahr nicht nur der französischen, sondern überhaupt der neuen Musik dar. Ganz anders Albert Roussel (geboren 1869), der Meister der konzentrierten Form und der kontrapunktischen Verarbeitung. Seine Musik ist eher spröde, als gefällig. Er hat den Impressionismus nicht nur äußerlich überwunden und repräsentiert — neben Honegger und Messiaen — die andere, positive Möglichkeit der neuen französischen Musik.

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