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Solistenkonzerte

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Im 7. Konzert des Zyklus „Die Große Symphonie“, dessen Hauptwerk Bruckners Fünfte war, spielte unter der Leitung Christoph von Dohna-nyis Viktor Tretjakow das Konzert für Violine und Orchester op. 47 von Jan Sibelius. Der etwa 25jährige russische Geiger wurde in seiner Heimat Sibirien entdeckt, erhielt in Moskau seinen letzten Schliff und hat innerhalb von zwei Jahren eine Weltkarriere gemacht. — Dieses Violinkonzert, das Sibelius zwischen seiner 2. und seiner 3. Symphonie geschrieben hat und dessen Neufassung 1905 unter der Leitung von Richard Strauss uraufgeführt wurde, ist das, was die Fachleute ein „dankbares“ Stück nennen, bei dessen Anhören der Musikfreund aber sein Haupt verhüllt. Man muß kein Gegner des großen finnischen Nationalkomponisten sein, um dieses halbstündige Werk voller sentimentaler und virtuoser Effekte ziemlich banal zu finden. Aber anscheinend brauchen die Geiger ab und zu so etwas. Tretjakow blieb dem Part nichts schuldig, obwohl am Donnerstagabend der Kontakt mit dem Dirigenten nicht immer der beste war. Tretjakow führt einen langen, vollausgenützten Bogen, hat einen großen, starken Ton, der das Orchester auch im Forte mühelos zu dominieren vermag, er investiert mit jugendlichem Enthusiasmus Leidenschaft und Intensität in eine zweitklassige Musik und kennt keine technischen Schwierigkeiten, einschließlich

rasanter Doppelgriffe. Was er vorläufig — oder zumindest bei der Interpretation dieses Parts — vermissen läßt, ist Durchgeistigung und Persönlichkeit. Doch müßte man Tretjakow, um seine künstlerischen Qualitäten verbindlich beurteilen zu können, etwa im Beethoven- oder Brahms-Konzert, in einem Werk Strawinskys oder Bergs hören. Dem Publikum hat er großartig gefallen, und auch die Geiger der Wiener Symphoniker beteiligten sich auf ihre Weise am Applaus.

Das gleiche Beethoven-Programm haben die beiden Künstler vor zwei Jahren im Großen Musikvereinssaal, jetzt — vorteilhafter für Kammermusik — im Mozartsaal gespielt: Erfreulich, daß zwei in verschiedenen Temperamenten beheimatete Musiker, Wolfgang Schneiderhan kontemplativer, Walter Klien ungeduldig-drängender, ein so gutes Zusammenspiel durch gegenseitiges, verstehendes Hineinhorchen in die Auffassung des Partners zuwege bringen. Die einer früheren Schaffensperiode angehörenden Sonaten in A-, F-, Es-Dur und c-Moll weisen noch nicht die eindringlich-motivi-sche Entwicklung einer späteren Zeit, dagegen eine merkliche Bedacht-nahme auf das Virtuos-Konzertmäßige auf. Und im Adagio der „Frühlingssonate“ (F-Dur) tritt in dem manchmal etwas robusten Spiel Kliens die romantisch betonte Melodik wunderbar hervor. Als Höhepunkt des Abends konnte die Wiedergabe der c-Moll-Sonate gelten mit dem heißen Atem des Allegro-Stirnsatzes und der Lyrik der zart retuschierten Adagio-Stellen.

Marie-Claire Alain, als internationale Orgelkünstlerin eigenster Prägung bei den Wiener Orgelfreunden gern gesehener Gast, gestaltete ihren Abend auf der Königin der Instrumente im Mozartsaal zu einer fast intimen Feier. Geistiger Habitus, technisches Können, männliche Kraft und weiblicher Charme vereinen sich im Spiel der Künstlerin zur Un-wiedePholbarkeit. Wenn sie ihren Landsmann Louis Marchand, von dem man nicht viel mehr weiß, als daß er 1717 einem Wettspiel gegen J. S. Bach auswich, in seiner Farbenkontrapunktik und seiner Variationstechnik vorstellt, zeigt sich dieser Barockmeister der Orgel in ganz anderem Lichte. Aber auch die norddeutschen Meister, der französischen Art in mehr als einem Punkt entgegengesetzt, weiß Marie-Claire stilgerecht und doch persönlich zu interpretieren (Buxtehude, Georg Böhm), und J. S. Bachs Fantasie G-Dur (BMV 572) kann man kaum liebenswürdiger realisieren. An der das Programm beschließenden „Suite Medievale“ von Jean Langlais ist der letzte Teil (Acclamations Carolin-giennes) am wirkungsvollsten. Also ein Abend ohne ungesagten Rest Oder doch? Aber das betrifft nicht Marie-Claire allein: Bei aller Verehrung der alten Meister und ihrer Unsterblichkeit sind der Orgel immerhin von Hindemith, J. N. David, Heiller, Messiaen und anderen neue Impulse gegeben. Ihre stärkere Heranziehung (neben den alten Meistern) würde nicht nur den Orgelfreunden Freude machen, sondern auch die Orgel selbst davor bewahren, allmählich in den Ruf eines „historischen“ Instruments zu geraten.Das Land Oberösterreich hat vier Kulturpreise in der Höhe von je 30.000 Schilling für Literatur, bildende Kunst, Musik und Wissenschaft ausgeschrieben.

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