6577707-1950_52_06.jpg
Digital In Arbeit

Programm und Gestaltung

Werbung
Werbung
Werbung

Auch während der letzten Wochen im alten Jahr konnte man — gleichsam als Fazit und Bestätigung früherer Beobachtungen — feststellen, daß die interessantesten Programme in bescheidenem Rahmen oder von Laienensembles exekutiert werden, während sich Stars und Standardorchester an die altbewährten Standardwerke halten. So geschah es auch im 4. Abonnementkonzert der Philharmoniker unter Clemens Krauß. Schuberts jugendfrische, mit 18 Jahren komponierte 3. Symphonie, die Naturmagie der „Fontane di Roma“ von Respighi und das , stürmische Familienidyll der „Domestica“ von Richard Strauß — alle diese Stücke ließen in puncto Interpretation kaum einen Wunsch offen ...

Der Akademische Orchesterver-e i n zeichnete sich bereits im Vorjahr durch sein ambitioniertes und interessantes Programm aus. Seinem letzten Konzert danken wir die Begegnung mit Skrjabins 2. Symphonie (anscheinend in gekürzter Fassung?). Eine gewisse Hypertrophie des Ausdrucks und der Darstellungsmittel, gelegentliche Leerläufe und andere Schwächen reichen absolut nicht aus, diese originellen und erregenden Orchesterwerke aus unseren Konzertsälen zu verbannen. Debussys selten gespielte 1. Rhapsodie für Klarinette und Orchester wurde von L. Wlach sehr tonschön, poetisch und virtuos geblasen; weniger virtuos war freilich die Begleitung, die an ein Liebhaberorchester zu hohe Anforderungen stellt. „Danse macabre“ von Saint-Saens, diese Valse triste für Micky Mouse, hätte man entbehren können. Das von Leopold Emmer geleitete Konzert wurde mit einer originellen, gutklingenden „Festlichen Ouvertüre“ von Otto Siegel eingeleitet. Nach einer so gründlichen Vorbereitung des musikalischen Teiles sollte man auch den Programmeinführungen entsprechende Sorgfalt widmen.

Das erste Stück im 2. Konzert des Wiener Kammerorchesters war eine Manifestation der Söhne großer-Meister: Michael Mann, der Sohn des „Zauberberg'-Dichters, spielte das Violakonzert von Karl Stamitz, dem Sohn des Meisters der Mannheimer Schule, Johann Stamitz. — Jörg Demus bestätigte mit der Interpretation des Klavierkonzerts D-dur von Joseph Haydn die hohe Wertschätzung, deren sich der junge Künstler beim Wiener Musikpublikum erfreut. — Im 2. Teil des Konzerts brachte Franz Litschauer Neues: das an dieser Stelle anläßlich der Uraufführung am Ende der vergangenen Spielzeit bereits besprochene Konzert für Streichorchester op. 40 von J. N. David und zwei Sätze aus dem 1925 entstandenen Oktett von D. Schostakowitsch: ein an vorklassischen Mustern orientiertes Präludium und ein turbulentes, dissonanzenieiches Scherzo mit betont karikaturistischen Zügen.

Friedrich G u 1 d a spielte an seinem Klavierabend im Großen Musikvereinssaal, der bis auf den letzten Plat gefüllt war, Haydn (Andante von variazioni f-moll), Mozart (Sonate B-dur) und Beethoven (Sonate Es-dur, .Les Adieux“); im 2. Teil die „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky. Noch vor zwei Jahren saß der junge Künstler wie ein gewissenhafter Schüler aufmerksam über seine Aufgabe gebeugt am Konzertflügel. Damals schon hatte sein Spiel die wichtigste Vorbedingung vollkommener Schönheit: die vollkommene Deutlichkeit. Nun besitzt Gulda nicht nur überraschende Podiumsicherheit, sondern auch ein viel stärkeres Espressivo, das er zum Teil einer fortschreitenden Lockerung und Gelöstheit des gesamten Körpers verdankt. In den klassischen Werken ist noch eine gewisse gefühlsmäßige Distanz spürbar, während die Interpretation des zeitlich näheren Mussorgsky viel unmittelbarer gelingt. Wenn keine unvorhergesehenen Hemmungen eintreten, wird Friedrich Gulda nach einigen Jahren der Reife in die Reihe der größten Pianisten einrücken. •

Der Klavierabend von Irene Schneidmann vermittelte uns die Bekanntschaft der großangelegten, virtuosen „Sonate for Piano“ von S. Barber, deren Schlußfuge einen Liszt begeistert hätte. Sehr gut gelangen der jungen Pianistin auch die übrigen Stücke des Programms: die klassische, fast etudenhafte Klarheit der Variationen über ein Menuett von Duport von Mozart, die ausdrucksvollen Miniaturen des „Capriccios über die Abreise des vielgeliebten Bruders“ von J. S. Bach und schließlich die klangliche Differenziertheit von Chopin (Sonate h-moll) und Debussy (Suite pour le Piano). Die Zusammenstellung des Programms und die tadellose Interpretation zeigten ein schönes Talent auf richtigem Weg.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung