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Beginn mit Bach und Strawinsky

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Die Gesellschaft der Musikfreunde hat in der neuen Spielzeit dem Ton-künUlerorchester, das vor kurzem von einer Spanientouirnee zurückgekehrt ist, sechs große Konzerte anvertraut, von denen drei Heinz Wallberg und je eines Caridis, Richter und Swarowsky dirigieren werden. . Das Programm des ersten Abends am vergangenen Sonntag lautete: J. S. Bach, 5. Brandenburgisches Konzert, Igor Strawinsky, Capriccio für Klavier und Orchester (1949), und Beethoven, 3. Symphonie. —: Jede Bach-Interpretation ist in Wien ein Abenteuer: man weiß nie, was einen erwartet. Diesmal war es nicht aufregend. Wallberg und die Tonkünstler haben in dem Streit zwischen den historisch-stilistischen Rigoristen und den Propa-gatoren einer zeitnahen (lies „romantischen“) Auifführungspraxis keine Stellung bezogen. Was die kleine Besetzung betrifft (knapp zwei Dutzend Mann), neigen sie nach der Seite der ersteren. Das Instru-mentalistentrio war. vor allem was die Tonstärke betrifft, ein wenig unausgeglichen (Cembalo und Flöte zu schwach, die Violine zu stark).

Nach Absolvierung seines Solo-pärts am Cembalo konnte sich Leonard Hokanson (1931 in den USA geboren, mehrere internationale Preise, Festspielpianist usw.) am Steinway-Flügel produzieren. Strawinsky schrieb im Frühjahr 1929 sein knapp 20 Minuten dauerndes dreiteiliges „Capriccio“ zunächst für den Eigengebrauch und hat sich damit nicht wenig zugemutet. Das effektvolle Werk ist heiter-kapriziös und sarkastisch-widerhaang zugleich. Technisch ist es durch die bis zur Austauschbarkeit reichende Ähnlichkeit des für den Orchester-und den Solopart verwendeten melodischen Materials gekennzeichnet. Leonard Hokanson spielte mit Sicherheit und mit Verve, aber im ganzen zu grob, wodurch besonders das Andante rapsodico zu Schaden kam. (Strawinsky selbst interpretierte den Solopart viel leichter und differenzierter, auch mochte er in dieser Zeit und in den späteren Jahren kein fff mehr hören. Jedenfalls darf man einen Solopart von Strawinsky niemals wie einen von Prokofieff herumter-dreschen.) An das Orchester stellt diese Partitur Aufgaben, denen auch die stark verjüngten und gut trainierten Tonkünstler noch nicht ganz gewachsen sind.

Helmut A. Fiechtner *

Der bereits geraume Zeit in Wien lebende amerikanische Pianist Frederick Marvin befaßt sich seit Jahren mit einer kritischen Ausgabe der Kompositionen Padre Antonio Solers. Fine ebenso mühevolle wie kulturhistorisch bedeutende Arbeit, wenn man bedenkt, daß zu Lebzeiten dieses spanischen Hofcomposi-teurs des Rokoko (1729 bis 1783) kein einziges seiner Werke gedruckt wurde. Lediglich 1796 erschienen in London 21 seiner rund 200 Klavier-sonaten. Bisher hat Marvin immerhin bereits fünf Hefte publiziert. In seinem Konzert im Mozart-Saal spielte er, mutigerweise, ausschließlich Piecen seines Lieblingsmeisters. Darunter auch einige, die in ihren dissonanten Stimmführungen ungewöhnlich „modern“ anmuten. So überraschte eine an Domenico Scar-latti orientierte zweisätzige Sonate in g-Moü durch ständigen Wechsel rhythmisch-melodischer Strukturen, eine andere in h-Moll durch geradezu

artistische Ansprüche, ein Fandango durch bunte Folkloreeffekte. Gemeinsam mit dem Roczek-Quartett präsentierte Marvin zum Abschluß ein Quintett in G-Dur, das bereits Charakteristika der klassischen Sonatenform vorwegnimmt. — Das hohe Niveau der Darbietungen milderte den Eindruck, daß es sich um einen Exkurs durch Padre Solers Oeuvre handeln könnte.

Es gibt nicht viele Quartettensembles, in denen die vier Interpreten mit so gleichmäßig ausgewogenen Leistungen aufwarten können wie im Quartetto Italiano. Hier tritt der seltene Fall ein, daß die Solisten nicht nur gleiche souveräne Techniker und Künstler von überragender Musikalität sind; sie repräsentieren vielmehr auch starke Persönlichkeiten. Gerade das gibt ihrem Musizieren den unverkennbaren Charakter: das Profil. In ihrem Konzert im Mozart-Saal führten sie Streichquartette von Beethoven (Es-Dur, op. 127), Mozart (G-Dur, KV 387) und Ravel (F-Dur) auf. Besonders die Wiedergabe des Ravel-Opus, bei dem sie das kantable Element etwas überbetonten, bestach durch die Klarheit der zarten Konturen, durch Nuancenmalerei voll Behutsamkeit. Beethovens Quartett geriet in der formalen Anlage durchsichtig, das von Mozart gewissermaßen „con delioatezza“. Ein eindrucksvoller Abend.

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