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Backhaus und Casadesus

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Trotz des mutigen Durklanges aller Beethoven-Sonaten, die Wilhelm Backhaus im Großen Musikvereinssaal spielte: die in F, op. 10/2, jene in C, op. 5 3, die Sonate „Les adieux“ und nach der Pause die in Ä und E, op. 101 und 109 — immerfort war es ein Ringen mit den Schatten, mit den Mächten der Gewalt, des Unfriedens, der alles Schöne auf der Erde löschen möchte. In diesem Spiel, das in allen Einzelheiten von unerhörter Subtilität erfüllt und von einem phänomenalen Vermögen zur Tonmodellierung in den getragenen und gedämpften Partien gekennzeichnet ist, waren die Spuren einer Welteinsicht zu finden, die sich keineswegs vom Sonnenglanz anerzogenen optimistischen Gefühls täuschen läßt. Backhaus spielt Beethoven seit jeher unter völliger Hintansetzung von „Auffassungen“, er meditiert, er hat immerzu Zeit, Entwicklungen vorzubereiten, er horcht auf das Donnergrollen in der Luft und wartet auf Erdbeben in der Tiefe, und zeigt sich zuletzt in einer verklärten, souveränen Synthese von Materie und Geist. Trotz der nahezu zehn Minuten dauernden Schlußovationen gewährte der Pianist — völlig berechtigt — keine Zugabe.

Im Brahms-Saal des Musikvereins hat die Geigerin Ella K a s t e 1 i z, von Prof. Dr Hans Weber trefflich am Bösendorfer begleitet, der zeitgenössischen

Musik aus der Steiermark mit Werken von Joseph Marx und Otto Siegl gedient. Der gediegene, aus profunder Kenntnis dieser Musik kommende Vortrag, zu dem sich das technisch erstklassige Rüstzeug und der sangbare Ton des sonoren Instruments gesellten, haben der Solistin, die sich während der Wiener Festwochen so nachdrücklich in Erinnerung brachte, herzlichen Beifall eingebracht.

Gemeinsam mit dem Kammerorchester der Wiener Konzerthausgesellschaft (Dirigent Paul A n g e r e r) spielte Robert Casadesus das Klavierkonzert in C, KV. 467, von M o-z a r t. Mit einer höchst transparenten, aber nicht zu ätherischen, durchaus auf der Erde stehenden Interpretation, die sich bereits beim Eingangsthema und bei den dramatischen Kontrasten des ersten Satzes bewährten, einer Spielweise, die sich dann im Finale zu bezwingender Laune steigerte, hat der Solist den Beifall des vollen Großen Konzerthaussaales durchaus verdient. Auch das Konzert für zwei Klaviere (am zweiten Instrument Gaby Casadesus) überzeugte durch die Ausgeglichenheit, die harmonische Stimmung zweier gleichgesinn-ter Künstler — es bleibt freilich eine Frage, ob Mozart sich dieses Konzert als Zuordnung oder als gegenseitige Beleuchtung aus verschiedenen Sphären und demgemäß in den Soloinstrumenten etwas differenzierter gedacht hat. Das Kammerorchester, welches eingangs die Symphonie in C, KV. 425, und nach der Pause Ouvertüre und drei Contretänze spielte, wuchs bei der Begleitung der Solisten beträchtlich über den Durchschnitt hinaus.

In einer Abendmusik im Kuppelsaal des Palais Schwarzenberg spielte der Concentus M u s i c u s Werke von Scheidt, Schütz, Schein, Telemann, Biber und J.S.Bach. Die zehn jungen Musiker spielten die alten Meister der Vorklassik so ausgeglichen und präzis, wie man es heute nur selten hören kann. Der ganze Raum, der Ton der alten Instrumente, die meisterhafte Interpretation und das ungezwungene Miteinander von Künstlern und Hörern in der. Pause, all das war ein einmaliges Erlebnis. Die Technik, das jahrelange Studium alter Musik (das Ensemble probte fünf Jahre, bevor es zum erstenmal vor drei Jahren auftrat) und so manche musikwissenschaftliche Frage, die erst geklärt sein mußte — all das stand im Hintergrund, trat zurück vor der Freude am gemeinsamen Musizieren, die den Abend zum Erlebnis werden ließ.

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