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Festwochenausklang mit Mahler und Bruckner

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„Das Lid von der Erde“ war auch im Festwochenprogramm trotz der Aufführungen der viel seltener gehörten 2., 5., 8. und 9. Symphonie das stärkste Mahler-Erlebnis, vielleicht, weil die Persönlichkeit des großen Komponisten sich hier in der uns heute verständlichsten Weise ausspricht. Die Wiedergabe unter Herbert von K a r a j a n und den Philharmonikern mit Hilde Rössel-Majdan und Fritz Wunderlichals Solisten war ein Musterbeispiel an innerer Konzentration, der Gesang Frau Rössel-Majd-ans deren vollkommenster Ausdruck. Als Gustav-Mahler-Feier der Staatsoper wurde das Werk im Haus am Ring abermals aufgeführt, wobei nur Fritz Wunderlich durch Anton Dermota ersetzt war. Prof Dr. Egon W e 11 e s z würdigte in seiner Festrede Mahler als Mensch, Künstler und Erneuerer der Oper sowohl im Spielplan als im Erleben des Gesamtkunstwerkes — zu dem allerdings der lieblose Hintergrund der Bühne und das Fehlen eines Programms im Widerspruch standen.

Bruckners 9. Symphonie wurde von den Philharmonikern unter Carl Schuricht im Stephansdom aufgeführt, da sie „dem lieben Gott“ gewidmet ist. Die sakrale Weihe und Würde des Hauses hob die Komposition Brucknets in die ihr gewiß innewohnende Sphäre; dennoch war es ein Wagnis, eine „Symphonie“ Bruckners (der genau wußte, was er komponierte), in der Kirche aufzuführen. Das Wagnis gelang, die Symphonie wurde zum hohen geistig-künstlerischen Erlebnis — während das folgende Tedeum an chorischen und solistischen Unzukömmlichkeiten litt. Dennoch kann vor der Nachahmung solcher nur als Einmaligkeit möglichen Veranstaltungen nur gewarnt werden.

Mit der 4. Symphonie von Bruckner bewiesen die Münchner Philharmoniker unter Fritz R i e g e r ihre Vertrautheit mit dem Ans-feldner Meister. Hier war gelöstes Musizieren von lebendiger Frische, eine sichere Ausgewogenheit der Tempi und Dynamik, eine richtige „Romantische“ in des Wortes bester und musischester Bedeutung. Das vorangehende 2. Brandenburgische Konzert von J. S. Bach sowie dessen Konzert in d-moll für zwei Violinen, Streichorchester und Continuo zeigten weniger Gelöstheit. Von den vier Solisten des ersteren verdient Rolf Quinque (Trompete) besonderes Lob. Die beiden Sologeigerinnen des letzteren, Pina Carmi-relli und Edith Peinemann, jede in ihrer Art künstlerisch und persönlich profiliert, konnten sich leider auf einen einheitlichen Bach-Stil nicht einigen.

Gustav M a h 1 e r s „Achte, die „Symphonie der Tausend“, 1909 unter .der- Leitung deWiKoiöpo-nisten in München uraufgeführt, bereitet nicht nur infolge des Riesenensembles, sondern auch wegen des minutenlangen Tutti-Musizierens im ff während des ersten, hymnischen Teiles, fast unlösbare akustische Probleme. Singakademie, Singverein, Sängerknaben und Symphoniker bildeten ein Ensemble von rund 500 Personen, das von Joseph K e i 1 b e r t h heldenhaft gesteuert wurde. Der zweite Teil dieser Vokalsymphonie (Schlußszene von „Faust II“) gelang vor allem dank des glänzenden Solistenoktettes wesentlich differenzierter, an dessen Spitze Melitta M u s z 1 e y und Hermann P r e y genannt werden müssen (In den übrigen Partien die Damen Scheyrer, Lipp. Rössel-Majdan und Boese sowie die Herren Wunderlich und Edelmann.)

Die seltener aufgeführte „Neunte“ Mahlers ist aus völlig anderem, wesentlich feinerem Holz. Sie wurde 1909 vollendet und erst ein Jahr nach des Komponisten Tod durch Bruno Walter uraufgeführt. Mehr als 70 Minuten dauert das Riesenwerk, dessen erster Satz kühn in polyphones und symphonisches Neuland vorstößt, während der folgende in der bekannten humorigen und karikierenden Art mancher Mahler-Scherzi abgefaßt ist und sowohl an Pfitzner wie an Strauss gemahnt. Der zweite Satz — Rondo-Burleske — klingt wie ein vorweggenommener Schostakowitsch (der übrigens Mahlers Werk sehr genau kennt und schätzt), während sich an dem ausdrucksvoll-intimen Schlußadagio Franz Schmidt zu seiner Vierten inspiriert zu haben scheint. Oder ist es der Abschied vom Leben, da und dort, der in ähnlichen Tönen und Wendungen zum Hörer spricht? Der in England lebende Jascha Horenstein hat ein echtes und persönliches Verhältnis zu dieser Musik, aber die Wiener Symphoniker schienen an diesem Abend ein wenig abgespannt, so daß man sich manches hätte intensiver vorstellen können. Oder fehlte es an Proben oder an Kontakt mit dem Dirigenten? (Der als Festkonzert der Internationalen Gustav-Mahler-Gesellschaft gekennzeichneten Veranstaltung wohnte auch der Herr Bundespräsident bei.)

Ein Werk Mahlers stand auch im Mittelpunkt des 1. Konzertes der Münchner Philharmoniker unter der Leitung Fritz R i e g e r s. Die „Lieder eines fahrenden Gesellen“, 1883 bis 1885 entstanden, wurden von Dietrich Fischer-Dieskau mit intensivem Ausdruck vorgetragen, wobei das volksliedhaft Lyrische ebenso zu seinem Recht kam wie das Hochdramatische. In Schuberts und Schumanns „Vierter“ erwies das Orchester seine Verwandtschaft mit unseren großen Orchestern und bewährte sich bei der Interpretation romantischer Musik durchaus als „Spitzenklasse“.

Im Großen Konzerthaussaal leitete Winfried Z i 1-1 i g ein Festwochenkonzert mit besonders interessantem Programm, das die Vielfalt „Ö s t e r-reichischer Musik von Schönberg bis zur Gegenwart“ (dies der Titel des Konzerts) demonstrierte. Wie groß ist zum Beispiel schon der Unterschied zwischen dem klangschwelgerischen Vorspiel zu der Oper „Die Gezeichneten“ von Franz Schreker und den „Elf Transparenten“ seines Schülers Ernst K r e n e k f Nur 22 Minuten dauern diese elf Miniaturen aus dem Jahre 1954, die zu Kreneks besten Stücken zählen und nach Form, Gehalt und Klang das Adjektiv „transparent“ durchaus verdienen. Auch Gottfried von Einems „Or che s t ermu sik“ op. 9 (1948, also bald nach der Uraufführung des „Danton“ entstanden) gehört zu des Komponisten besten Werken. Der tragische Grundton, der zu Beginn angeschlagen wird, beherrscht auch den rhythmisch belebten Mittelteil, der sich durch harte und klare Farben auszeichnet. Franz Schmidts III. Symphonie bildete den Abschluß des Konzerts, das von dem bekannten Komponisten und Musikschriftsteller Winfried Zill ig mit Kraft, Energie und Sensibilität geleitet und von den Wiener Symphonikern mit Virtuosität ausgeführt wurde.

Anton von Webern war das VII. und letzte Konzert der „Reih e“ gewidmet Trotz des Ausfalls mehrerer Programmnummern konnte man eine Übersicht gewinnen über ein Werk, das zu den wesentlichen Aussagen dieser Zeit gehört und die Jahre 1907 bis 1934 umfaßt. Von den Liedern muten die frühen nach Rilke natürlicher an als die späteren nach Trakl u. a. (Marie Therese Escribano war die Solistin). Webern strenges System in den Instrumentalwerken vergißt man am ehesten, wenn der Klangzauber sich verstärkt. (Also etwa in den „Fünf Orchesterstücken“, 1911 bis 1913.) Friedrich Cerha und Kurt Schwertsik dirigierten das junge Ensemble, dem wir während der vergangenen Spielzeit mehrere interessante Begegnungen zu danken haben.

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