6661898-1960_11_37.jpg
Digital In Arbeit

Oper, Konzert, Schule

Werbung
Werbung
Werbung

„Elektra“ von Richard Strauss zählt zu den stärksten musikdramatischen Erlebnissen unseres Jahrhunderts, allerdings auch zu den anspruchsvollsten für die Darsteller, besonders die Hauptdarstellerin. Gerda L a m m e r s als Gast erfüllte diese Ansprüche stimmlich in hervorragender Weise, ihr Spiel blieb dagegen mehr Sophokles als Richard Strauss. Else M a t h e i s als Chrysothemis, mehr Dame als hingebungsbereites Mädchen, hat in den hohen Lagen ihrer Stimme Kraft und Glanz, die der Mittellage leider fehlen. Empfindlicher noch fehlten sie der Klytämnestra Regina R e s n i k s, die stellenweise überhaupt nicht durchzudringen vermochte. Otto Wiener als Orestes entsprach stimmlich und darstellerisch am besten. Heinrich Hollreiser gab der Partitur echt straussi-sches, vibrierend lebendiges Leben.

Hollrehier^ war auch ^Dirigent zweier Konzerte^ grundverschiedenen “ProIiis. “Mit den Symphonikern (und Boy Gobert als Sprecher) präsentierte er eine fröhlich beschwingte Wiedergabe von P r o -kofieffs Märchen „Peter und der Wolf“, das sich immer noch stark an nachhaltigem Eindruck erwies, stärker als die „Sinfonia Parabolica“ von Theodor B e r g e r und das „Konzert für Orchester“, op. 3 8, von Paul Hindemith. Die Tonkünstler hingegen spielten unter seiner Leitung die „Menagerie“ von Fritz S k o r z e n y, ein „heiter-besinnliches Divertimento für Sprecher, Chöre und Orchester“, 15 kleine Stücke, manche recht anmutig, aber zusammen trotz des (unglücklichen) verbindenden Textes, für den Julius Patzak bemüht wurde, kein Ganzes, weil textlich und musikalisch der große, alles überspannende Bogen fehlt. Indes schon die Bezeichnung „Divertimento“ deutet die Anregung zur Auswahl an. Die Chöre (Wiener Lehrer-a-cappella-Chor mit Verstärkungen und Traute Skladal als Solistin) bestritten den ersten Teil des Abends unter Leitung von Alois Apfelauer mit unbegleiteten Chorliedern von Leukauf, Racek, Tittel und Kubizek, dessen „Rock“ durch ein witzig erfundenes pentatonisches Thema am originellsten wirkte. Leider gab es Mängel der Intonation und Homogenität der Stimmen.

Alexander B r a i 1 o w s k y, ein Erbe Corteaus, spielte Chopin gleichsam mit historischem Atem. Sein Programm baute hinter Polonaise, Mazurkas, Nocturne und Ballade die große h-moll-Sonate op. 5 8 als Hauptwerk des Abends in selten erlebter Dichte auf und lockerte die geballte Spannung mit Bolero, Improptu, den beiden Walzern in h-moll und Fis-dur, um sie im Scherzo b-moll und einigen Zugaben zu verströmen. Sein Spiel hat Größe und Klarheit, darin eingebettet jedoch männlich verhaltene Zartheit. — Ähnlich könnte man das Bach-Spiel von Yehudi M e n u h i n bezeichnen. Er spielte die beiden Partiten d-moll und E-dur sowie die Sonate C-dur, einen ganzen Abend also für Violine allein, und verstand wie stets trotz mancher persönlichen Eigenwilligkeiten zu fesseln und hinzureißen, und zwar um so stärker, je weiter der Abend fortschritt. Wenige Künstler vermögen ein derartiges Programm zu einem so tief erregenden Erlebnis zu machen.

Ein Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker unter Leitung von Hans S w a r o w s k y für die Schuljugend (während der Unterrichtszeit) umfaßte Werke von Beethoven. Theodor Berger, Weber, Sme-tana und Richard Wagner. Die exakte Wiedergabe beeindruckte die den Saal füllende Schuljugend in hohem Maße. Die dankenswerte Initiative des Kulturamtes der Stadt Wien macht es den Kindern leichter, mit der Kunst der Musik in Berührung zu kommen und sie in ihren Meisterwerken zu erleben.

Aber die Jugend soll nicht bloß hörend, sondern vor allem selbst musizierend Musik erleben. Die Sektion Döbling der Musikschule der Stadt Wien führte unter ihrem Leiter Franz Schm.itzer ein einzigartiges Programm vor. Schulkinder, von den kleinsten an, spielten Zwölftonmusik von Hans J e 1 i n e k, Hans Erich Apostel, Istvan Z e 1 e n k a und Arnold Schönberg. Aber sie spielten keineswegs eingelernte, aufgabenmäßige Stücke, sondern hatten spürbar ihr richtiges Verhältnis zu Reihe und Gewicht der Töne, zu deren rhythmischer und ausdrucksmäßiger Gestaltung, hatten vor allem spürbar Freude an dieser Musik — und gaben damit manchen Erwachsenen ein unwiderlegbares Beispiel. Man spürte ebenso das väterliche Verhältnis ihres Lehrers, mit dem sie ihre Musik in spielendem Wissen erleben, nicht bloß erlernen. Ein „Schülerkonzert“ solcher Art reißt ein .Toxins Morgen auf, weites im Heute steht. Es .hebt Lehrer und Schüler und nicht zuletzt die Schule selbst ins Licht besonderer Bedeutung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung