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Im Dienst der Gegenwart

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Die Wiener Symphoniker feierten ihr fünfzigjähriges Jubiläum. Die Geschichte dieses Orchesters wurde in einer Festschrift dargestellt, seine Verdienste im Musikleben Wiens in einem Festakt und durch die Tagespresse ausführlich gewürdigt. An dieser Stelle wollen wir besonders hervorheben, was die Wiener Symphoniker in der Gegenwart, insbesondere seit 1945, in unermüdlicher Arbeit leisten. Sie sind die Hauptträger unseres Konzertlebens im Rahmen der beiden großen konzertveranstaltenden Gesellschaften und der Ravag, sie waren die Ausführenden der drei repräsentativen Internationalen Musikfeste mit ihren zahllosen Ur- und Erstaufführungen, mit ihnen arbeiten die verschiedenen Gastdirigenten, und sie sind eines der besten Ensembles für zeitgenössische Musik, ja wir verdanken ihnen fast ausschließlich den Kontakt mit der Musik der Welt, von Amerika bis Rußland. Ihre Jubiläumsfeier entsprach durchaus dem Geist, in dem sie auch während des musikalischen Alltags wirken: weniger auf Repräsentation 's

Österreich im Europäischen Wiederaufbau. auf kulturelle Leistung bedacht, brachten sie im Rahmen zweier Festkonzerte insgesamt acht Werke lebender österreichischer Komponisten zur Uraufführung, daneben vermittelten sie eine Reihe interessanter Wiederbegegnungen mit neueren Kompositionen.

Der Absicht, einen Querschnitt durch das Schaffen der Gegenwart zu geben, entsprach die Wahl der Werke. Diese waren keineswegs gleichwertig, ja es ist fast nicht möglich, bei all dem Gebotenen denselben Maßstab anzulegen. Das zu überblickende Panorama ist nicht nur bunt, sondern weist auch beträchtliche, fast schwindelerregende Höhenunterschiede auf. Das bezieht sich vor allem auf das zweite Konzert, während das erste, trotz der verschiedenen Stilrichtungen, ein gleichmäßigeres Niveau aufwies. Armin Kaufmann, der Träger des Staatlichen Förderungspreises 1950, schrieb eine originelle, gutklingende Festmusik, der man als Motto „per aspera ad astra“ voraussetzen könnte. Seit seiner vor zehn Jahren geschriebenen und jetzt erst uraufgeführten „Musik für Streichorchester op. 34“ hat er sich sehr entwickelt. Seine musikantischen Qualitäten sind bekannt. Wenn er hiefür die entsprechende Kurzform findet, wie etwa in dem bei der Verleihung des Staatspreises vorgetragenen „Quartettino für Violine, Viola, Cello und Gitarre“ mit seiner reizvollen folkloristischen (rumänischen) Färbung, ist er ausgezeichnet. Alfred U h 1 war mit zwei Stücken aus den an dieser Stelle bereits besprochenen „Capricen“ vertreten, Karl S c h i s k e durch ein kurzes, virtuos-wirksames Tanzrondo. So präsentierten sich als die gewichtigsten Werke des ersten Konzerts Theodor B e r g e r s faszinierendes, technisch hochinteressantes und klanglich apartes „Rondo Ostinato“ für Bläser mit differenziertem Schlagwerk und Hans J e 1 i n e k s „Symphonie Brevis“ für großes Orchester op 16, welche geeignet ist, die These von der Un-brauchbarkeit der Zwölftonreihe zur Bildung größerer symphonischer Formen zu widerlegen und in ihrem langsamen Satz auch ergreifende Herzenstöne hören läßt.

Das zweite Konzert begann mit einem turbulenten „Zwischenspiel“, dem sich ein knallig instrumentierter Perchtentanz aus einer unaufgeführten Oper von Franz S a 1 m-h o f e r anschloß. Ein epigonales, wenig profiliertes „Konzert für zwei Klaviere“ von Felix P e t y r e k ließ eigentlich erst zu Beginn des dritten Satzes aufhorchen. Von den drei hübschen, kleinen Genrestücken, die das „Divertimento für Flöte und Orchester“ des im zweiten Weltkrieg gefallenen Emanuel S e i d 1 e r bilden, ist das erste mit seiner Pastoralen Stimmung — im Stil von Debussys „Apr£s-midi d'un faune“ — das gelungenste. Das weitaus bedeutendste Werk dieses Konzerts stand — ungünstig genug — am Ende des Programms: Ernst T o c h s Symphonie in vier Sätzen, ein großangelegtes, mit hoher technischer Meisterschaft ausgeführtes und ergreifendes Werk, in dem freilich die dunklen Farben dominieren. Doch befindet sich der Komponist mit dieser seiner „tragischen“ Symphonie in der besten Gesellschaft. Und als Gegengewicht gegen die Tendenz zur Genremalerei und zum Kulinarischen, wie sie in einigen anderen Werken offen oder subli-miert zum Ausdruck kam, bedeutet die Uraufführung dieses schwierigen und in jeder Hinsicht anspruchsvollen Werkes eine wirkliche Tat. Daher muß von den Dirigenten zunächst Herbert Häfner genannt werden, der die Symphonie aus der Taufe hob. Einige der Komponisten zogen sich als Interpreten ihrer eigenen Werke mit erstaunlicher Geschicklichkeit aus der Affäre. Felix Prohaska betreute im ersten und zweiten Konzert die übrigen Werke, die von ihren Vätern auf dem Podium im Stich gelassen worden waren.

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