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Concentus und Harfenmusik

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Im M o z a r t - S a a 1 des Konzerthauses veranstaltete das Ensemble für alte Musik „Concentus Musicus“ sein letztes Konzert, das durch die Mitwirkung des englischen Kontratenors Alfred Deller eine besondere Note erhielt. Zusammen mit dem berühmten Gast war insgesamt ein Dutzend Musiker am Werk, um große und schöne Musik aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert zu spielen. (Der älteste der an diesem Abend aufgeführten Komponisten ist John Dunstable. der 1385 geboren wurde, der jüngste Heinrich Schütz, der genau zwei Jahrhunderte später zur Welt kam.) Wie ehr im alten Europa das Geistige und Künstlerische kommunizierte, erweist der gemeinsame, nur durch Nuancen unterschiedene Stil eines Obrecht, Des Pres, Byrd oder Dowland. Der letztere hat einen gedämpften Schwermutston, den rmn v.'.c^t mehr vergißt, wenn man ihn einmal gehört hat, auch wenn das Elegische Zeitmode und vielleicht ein wenig affektiert war. Aber auch das geh?rt zum Stil.

Dazu gehört, untrennbar, auch die Klangfarbe und Spielweise, die von den Mitgliedern des „Concentus Musicus“ so gewissenhaft und fachkundig rekonstruiert und beachtet wird. Dafür gebührt ihnen und ihrem Leiter Nikolaus H a r n o n-c o u r t unsere Anerkennung. Dem Spiel der Concenrus-Leute haftet glücklicherweise nichts Historisierendes an. Das wäre ein Mangel. Denn diese Musik ist nur leiser und beherrschter, als die der nachfolgenden Jahrhunderte, aber keineswegs ärmer an Affekten und Nuancen. Jeder der meist jüngeren Leute, die größtenteils dem Orchester der Wiener Symphoniker angehören, kann als ein Meister auf seinem (alten) Instrument bezeichnet werden. Heben wir wenigstens den Posaunisten hervor, der auf seinem widerborstigen, schwer intonierenden Instrument wahre Wunder an Behendigkeit und Zartheit vollbrachte. Der Kontratenor ist „das raffiniert abgebildete Falsett von Männern, deren Normalstimme meist “Baririon ist“. Also eine männliche Altstimme, die bei Alfred D e 11 e r, dem

Meisterinterpreten von Dunstable. Dowland und Byrd, niemals weiblich klingt. Sehr einnehmend für den Hörer (und zwangsläufigen Zuschauer) ist auch die völlig unaffektierte Art, wie dieser merkwürdige Künstler vorträgt, er singt vor einem Notenpult sitzend, mit einer Brille auf der Nase, er singt stehend, mit oder ohne Noten, wie es ihm (und zur Musik) am besten paßt. Und paßt eich damit dem Stil dieses vorzüglichen, natürlich ohne Dirigenten musizierenden Ensembles vollkommen an, das in den doppelchörigen Can-^onen von Gabrieli und Massaiano auch ein volltöniges, aufs schönste ausgeglichenes Klangvolumen zeigte. Erfreulich, daß diese Art Musik und Musizieren in Wien ihr Publikum hat. (Das Konzert war seit Wochen ausverkauft.)

Ein interessantes Konzert gab es einen Tag vorher auch im Brahms-Saal des Musikvereins. Hier spielte Elisabeth Bayer Kammermusik für Harfe in verschiedenster Besetzung. Und auch hier waren es, neben der vorzüglichen Sopranistin Laurence Dutoit, Mitglieder der Wiener Symphoniker, die als Instrumentalsolisten mitwirkten. Wir hörten eine etwas unpersönliche Sonate für Flöte und Harfe von dem in Prag geborenen und in Paris 1790 verstorbenen J. B. Krumpholtz, zwei Harfenlieder von Robert Schumann, die Sonate für Flöte, Viola und Harfe von D e b u s s y, Maurice R a v e 1 s mit Recht beliebtes und oft aufgeführtes Septett „Introduction et AUegro“, zwei In-teTludes für Harfe, Flöte, Violine und Harfe von I b e r t, ein ganz unter dem

Einfluß Debussys und Ravels komponiertes (von Laurence Dutoit besonders schön vorgetragenes) Poem von de Falle und ein recht reizvoll altertümlich stilisiertes „Rondeau“ für Sopran, Flöte, Englischhorn, Viola und Harfe auf einen Text von Charles d'Orleans (den auch Debussy vertont hat) von dem Symphoniker Hans Hadamowsky. Anfänglich war das Zusammenspiel ein wenig zaghaft, die Technik der Harfenistin ist sicher tadellos, aber ihr Ton ein wenig spröd — was am Instrument liegen mag. Von den übrigen Solisten sei, pars pro toto, wenigstens der feine und gewandte Camillo W a n a u-s e k genannt, der in mehreren Stücken die „erste Röte“ blies. Das zahlreiche Publikum schien besonders aufmerksam.

Ein dem Anlaß besonders würdiges Furtwängler - Gedächtniskonzert veranstalteten die Wiener Philharmoniker gemeinsam mit dem Singverein: Carl Schuricht dirigierte Bachs 3. Suite in D-Dur und „Ein deutsches Requiem“ von Brahms. — Im Musikverein leitete Wolfgang Sawallisch ein Beethoven-Konzert mit der Ouvertüre op. 115 „Zur Namensfeier“, dem Violinkonzert und der VIII. Symphonie. Es spielten die Wiener Symphoniker, Solistin war Edith Peinemann. — Auf dem Programm eines außerordentlichen Konzerts der T o n k ü n s 11 e r, das von Gilbert Schuchter dirigiert wurde, standen Pfitzners Symphonie C-Dur, das f-Moll-Konzert von Chopin (mit Alexander Jenner als Solisten} und die II. Symphonie von Brahms.

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