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Strawinsky in Wien
erster? ult/lVWfeh'peUWeN. ic#miich kfeTWfflfi$.' rnVfeWJflfflSJ Einstellung, die das Orchester “bei“den ersten Proben gegen die Musik des .Petruschka' zeigte, kam mir völlig überraschend, in keinem Lande war mir bisher, etwas Aehnliches begegnet.“ So schreibt Strawinsky in seinen Lebenserinnerungen anläßlich der Schilderung eines Diaghilew-Gastspiels im Jahre 1913. — Erst 1930 kam der Komponist wieder nach Wien und wurde, als Solist in seinem „Capriccio“ für Klavier und Orchester (im Wiener Konzerthaus), wesentlich freundlicher aufgenommen. Nunmehr stattete der 76jährige Wien einen Besuch b und ließ sich in der Oper, im Konzert und von der Wiener Tagespresse als das feiern, was er zwar damals schon war, was aber nur von wenigen erkannt wurde: als einer der größten, wenn nicht der allerbedeutendste Komponist unserer Zeit.
Die Staatsoper hat seit den Wiener Festwochen 1958 „O e d i p u s Rex“ in ihrem Repertoire, so daß man Strawinsky zu einer authentischen Interpretation seines Werkes einladen konnte (Leider koppelte man dieses Werk mit Bartöks „Wunderbarem Mandarin“ und ließ sich die Gelegenheit eines großen Strawinsky-Abends entgehen: denn auch ..Petruschka“ findet sich auf dem Spielplan!) Trotzdem Strawinsky als Pianist und Konzertdirigent eine größere Erfahrung hat wie als Operndirigent, geriet die Aufführung dramatisch, packend und in jeder Hinsicht großartig. Am Orchester und den Hauptdarstellern Martha Mödl. Kmentt, Koreh, Frick, Equiluz und Czerwenka hatte der Komponist vermutlich mehr Freude wie an der Inszenierung.
Das interessiertere und begeistertere Publikum fand' Strawinsky einige Tage später freilich im K o'n z e r t h a u 9, wo ihm ein wahrhaft festlicher Empfang bereitet wurde. Diesem Auditorium hätte der Komponist allerdings mit seinem neuen Ballett „Agon“ eine größere Freude gemacht als mit dem während der letzten Jahre wiederholt gespielten „A p o 11 o n M u s a g e t e“ und der „Pule i-n e 11 a“-Suite. Aber Strawinsky wird für diese Wahl seine guten Gründe gehabt haben . . . Der kleine, elegante Herr verfügt auch heute noch über eine unwahrscheinliche Spannkraft und Vitalität. Seine Zeichengebun? ist eigenwillig-herrisch und, auf den ersten Blick, nicht immer ganz eindeutig. Aber die routinierten Symphoniker wußten, nach einigen peniblen Proben, genau, was. gemeint .war. und spielten zur vollen Zufriedenheit des sehr anspruchsvollen Meisters: womit sie sich als Künstler und Musiker einen echten Adelsbrief erworben haben. Der Beifall im vollbesetzten großen Saal war dementsprechend: er dauerte etwa zehn Minuten — und hätte wohl noch länger angehalten, wenn Strawinsky nicht vorzeitig verschwunden wäre.
Der November 1958 bedeutet jedenfalls ein -Bjtum, und £war~eirtfestlich-versöhnendes, in der Gescnichte der Musikstadt Wien.
Den ersten Teil dieses denkwürdigen Konzertes leitete der junge amerikanische Dirigent und Musikwissenschaftler Robert Cr a f t. Strawinskys Famulus und Mentor zur seriellen Musik. H a y d n s D-dur-Symphonie geriet ein wenig zu gemütlich und spannungslos, Schönbergs „Fünf Stücke für Orchester“ Op. 16 (aus dem Jahre 1909) mit den Untertiteln: Vorgefühle, Vergangenes, Farben, Peripetie und Das obligate Rezitativ klangen faszinierend, farbig und nervös. Für diese Art Musik scheint Craft der rechte Mann zu sein, zumal, wenn er sich durch ein so gefügiges und virtuoses Orchester, wie die Wiener Symphoniker, ausdrücken kann.
Das 3. Abonnementkonzert der Philharmoniker leitete Hans Knapperts-b u s c h. Eine H a y d n - Symphonie (G-dur, Gesamtausgabe Nr. 88), Theodor Bergers gefälliges Fünfminutenstück „Rondino-giocos o“, „T o d und Verklärung“ von Richard Strauss und die 3. Symphonie von Brahms: das war so recht ein Programm nach dem Sinn und Geschmack des Publikums, des Orchesters und (natürlich) auch des Dirigenten, der seine Zeichengebung auf ein — fast unvorstellbares — Minimum beschränkt hat. Zuweilen stand er mit unbeweglich erhobenem rechtem Arm da, und das Orchester spielte trotzdem ..Allegro molto“, das heißt in der Knappertsbusch-schen Umdeutung: Allegretto burschikoso. Vergleicht man mit dieser Art des Dirigierens (und seinem Effekt) die gymnastische und akrobatische
Schwerarbeit anderer Maestri, so ist man amüsiert und hingerissen zugleich von der Meisterschaft Knappertsbuschs.
Der Akademische Orchesterverein gab sein erstes Konzert in dieser Saison unter der Leitung von Karl Oesterreicher. Ein effektvoller Symphonischer Marsch von Alfred U h 1, das Violinkonzert D-dur von Tschaikowsky (mit dem Preisträger des Internationalen Musikwettbewerbes in Genf Josef Sivo) und die 1. Symphonie des bei uns sehr vernachlässigten Jean S i b e 1 i u s standen auf dem Programm. Die Leistung des Orchesters — und des Solisten — war sehr respektabel, das Zusammenspiel tadellos. Die technischen Möglichkeiten beider fanden im letzten Satz des Tschaikowsky-Konzerts ihre natürliche Grenze. — Sehr lebhafter Beifall des musikbegeisterten Publikums.
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