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Psalmensymphonie und Kartenspiel

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Zar Igor“ nannte ihn einmal Arthur Honegger. Zar Igor regiert nun schon seit 50 Jahren, und seine .Werke behaupten sich auf eine, wahrhaft KOTiifllcne Art sowohl neben denen der Vergangen-, heft wie“ neben- Avantgardistisch-Zeitgenössischem. In einem repräsentativen Chor-Orchesterkonzert im Großen Saal des Wiener Konzerthauses hatte Paul Sacher • der „Psalmensymphonie“ Igor Strawi.n-skys die „Cäcilien-Ode“ Händeis vorangestellt. Wie das' 1736 entstandene „Alexanderfest“ ist auch die „Cäcflien -Ode“ von 1739 zum Preise der Musik geschrieben; Der barocke Text Drydens feiert die heilige Cäcilie als Erfinderin der Orgel und Vollenderin i der Musik. In der höchst abwechslungsreichen, inspirierten und hochmeisterlichen Partitur Handels wechseln Sopran- und Tenorsoli (Marie-Therese Escribano und Murray Dickie), die durch drei kürzere Chorsätze gegliedert sind. Paul S a c h e r wählte die kleinere Besetzung, worüber man verschiedener Meinung sein kann. (Hingegen bringt man Bachs Passionen und die h-moll-Messe meist mit großem Apparat...) — Strawinskys „P salin e h s y m p h p n i e“ ist fast 200 Jahre später entstanden und kann als ein Meisterwerk dieser ersten Jahrhunderthälfte bezeichret werden. Diese Komposition für gemischten Chor und Orchester auf lateinische Texte der Vu.lgata (Psalme 39, 40 und 150) ist eine Summa von Strawinskys bisherigem Chorschaffen und weist voraus auf die Messe von 1948. Der wohlstudierte Chor der Singakademie, der Wiener Kammerchor und das Orchester der'S y m p h o n i k e r vereinigten sich unter Paul Sachers intensiver Leitung zu einem großartigen Ensemble und verliehen diesem schönen Konzert festlichen Charakter.

Zwei weitere Meisterwerke Strawinskys brachte Wolfgang S a w a 11 i s c h im 2. Konzert seines Strawinsky-Tschaikowsky-Zyklus im Großen Musikvereinssaal: das Concerto für Klavier und Blasorchester (nebst Pauken und Kontrabässen) aus dem-Jahr 1924, ein an großen barocken und klassischen Vorbildern orientiertes Stück, gewichtig,. bedeutend und von herber Schönheit, mit gewaltigen Bewegungsenergien aufgeladen in den Ecksätzen, ausdrucksvoll-kantabel und russisch gefärbt im Largo, auf welches die gleichzeitige Ljeskow-Lektüre des Komponisten abgefärbt haben mag. Den virtuosen Solopart, den Strawinsky in den zwanziger Jahren in ganz Europa vorgetragen hat, spielte mit Bravour, Energie und musikalischer Intelligenz Alfred Brendel: eine Glanzleistung. — „Jeu de Car'tei schrieb Strawinsky 1936 für das „American Ballet“: eine von der ersten bis zur letzten Note sehr gestisch, erfundene..Musik, voller. Witf und Ironie, ntifcpejjjftift'endärn Ziesten aus RoJßdte eiihesT, ]a'n hann Strauß und Tschäikowsky, mit' instrumentalen Groteskeffekten gepfeffert und in fast ausgelassener Heiterkeit kulminierend. Dies Werk — zusammen mit einigen anderen von Strawinsky — sollte man für unser Staatsopernballett choreographieren, bevor man sich an „Agon“ die Köpfe zerbricht oder, um im Bilde zu bleiben, die Füße verrenkt. Im zweiten Teil des Programms stand Tschaikowskys 5. Symphonie, die vom 1. Satz an überhitzt, dynamisch und im Tempo übersteigert und stellenweise auch etwas grob geriet. Aber dem Publikum, das auch Strawinsky und seine Interpreten mit lebhaftem Applaus bedachte, hat sie trotzdem sehr gefallen.

Schließlich gab es noch einmal Strawinsky, und zwar „Le sacre du printemps“ von 1913, jene Ballettbilder aus dem heidnischen Rußland, die seinerzeit in Paris den größten Theaterskandal hervorgerufen haben und deren Musik heute kaum mehr jemandem wehtut. Wir hörten das Werk im letzten Konzert des Zyklus „M u s i c a n o v a“ im Großen Sendesaal des österreichischen Rundfunks, ausgeführt von den Wiener Symphonikern unter Bruno M a d e r n a. Als Solist des Violinkonzerts von Alban Berg zeichnete sich der junge Wiener Geiger Eduard Melkus aus, während von dem sensiblen, hochmusikalischen Dirigenten Maderna als Komponist einer „Seren ata“ leider gar nichts Vorteilhaftes zu. berichten ist. Er schreibt, wie heute so viele seines Alters und seiner Richtung schreiben: unpersönlich seriell, farblos und langweilig.

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