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Aus Perugia, Gubbio und Assisi

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In der Reihe der zehn Konzerte, welche die letzten Umbrischen Festwochen boten und mit Monte-verdis „Vespro della Beata V i r g i n e“ unter Krzysztof of Missona eingeleitet wurden, stand mit sechs Konzerten der Block der polnischen Künstler: Chor und Orchester der Philharmonie von Warschau mit ihren Dirigenten, von denen uns der ausgezeichnete Chorleiter Jozef B o k, ein Schüler Fitelbergs, bereits von der vorjährigen „Sagra“ her bestens bekannt war. Er brachte ein nie gehörtes Organum „Benedicamus Domino“ und einen Conductus „Sur-rexit Christus hodie“, beide aus dem dreizehnten Jahrhundert stammend, sowie einige Stücke anonymer Meister des 15. Jahrhunderts, um mit dem dreichörigen „Magnificat“ von Nicolaj Zielenski (♦1615), der als der bedeutendste polnische Komponist vor Chopin gilt, die Gruppe früher polnischer Sakralmusik abschließen.

Andrzej Markowski, erster Dirigent des Philharmonischen Orchesters von Krakau, bot eine glanzvolle Aufführung der „Neunten“ in der Kirche S Pietro in Gubbio, die, auf einem Platz von Perugia als frei zugängliche Freiluftveranstaltung wiederholt, Beethoven in die breiteren Schichten des Volkes za-

gen sollte. Vor der Kathedrale von Assisi, auf einem in seiner Abgeschlossenheit geradezu idealen offenen Konzertplatz, der als solcher nicht gebaut, aber jetzt als solcher erkannt und erwählt wurde, gestaltete Markowski mit stilsicherer Hand Haendels „Judas Makkabäus“. Als Überleitung zu den zeitgenössischen Autoren hatte er S z y-manowskis „Demeter“ bestimmt, den Mythos der Erde und ihres Wachens und Schlafens; hier konnte man das Irdische fühlen und das Überirdische erahnen, während die Sterne in Strawinskys Kantate für Männerchor und Orchester in eigentümlicher Starrheit nicht leuchteten, sondern kalt blitzten. „Das Antlitz Christi“ ist der russische Originaltitel — warum hat man daraus einen „Rci des Etoiles“ gemacht? Mit „T r e n o s“, einem „Trauergesang für Streichorchester“, hat der junge Krzystof Penderecki den Opfern von Hiroshima ein weniger ergreifendes als interessantes und brillant gekonntes Denkmal gesetzt und durch dieses im Jahre 1961 gesohaffene Werk seinen Ruf als ernstzunehmenden jungen Musiker bestätigt.

Nach der Uraufführung von G h e d i-n i s „Credo d i Perugia“ im T e a-

tro Comunale Morlacchi, die zu einem herzlich bereiteten Erfolg für den

anwesenden Komponisten wurde, kam es zur ersten musikalischen Sensation der „Sagra“: zur „Siebenten“ Bruckners. Und man war als Österreicher glücklich, daß ein solches Werk zum integrierenden Faktor und kostbarsten inneren Besitz unseres Volkes werden konnte, so sehr, daß wir uns diese familiäre Benennung erlauben dürfen. Sergiu C e 1 e b i d a-c h e dirigierte nicht nur die Aufführung, sondern auch die einzige Probe ohne Partitur und zauberte im Scherzo und Trio den duftigsten Elfenreigen und den skurrilsten Koboldstanz, den Bruckners Genius je erschaut hatte, vot ein völlig heterogen zusammengesetztes, aber einheitlich begeistertes Publikum.

Wie immer, steht die dramatisch-musikalische Aufführung, welche die „Sagra Musicale Umbra“ ihrem Gesamtprogramm einbaut, im Mittelpunkt der Festwochen. Die nach dem berühmten Roman von Niko K a z a n t-z a k i s geschaffene „Griechische Passion“ von Bohuslav Martinu wurde anläßlich ihrer Linzer Premiere eingehend besprochen („Die Furche“, Nr. 40). Wir wollen nur feststellen, daß dieses in deutscher Sprache aufgeführte Werk von dem der deutschen Sprache meist unkundigen Publikum in tiefster Ergriffenheit aufgenommen wurde.

Den Schlußpunkt dieser Festspielreihe, der zugleich ein mit größter Spannung erwarteter Höhepunkt wurde, setzte Pablo C a s a 1 s mit der europäischen Uraufführung seiner „Botschaft am Kreuzweg um den Frieden der Welt“, wie der Meister sein Oratorium „El Pete b r e“ genannt hat. Mit dem venezianischen Orchester des Teatro La Fenice, dem herrlichen Coro Orfed Catalä von

Barcelona und ganz hervorragenden spanischen Solisten erklang und erstrahlte dieses Vermächtnis eines ganz großen, ewig jungen Künstlers in der Kathedrale von

Assisi und wurde für alle, die es miterleben durften, zu einem wahrhaft beglückenden Ereignis. Mit hinreißendem Temperament dirigierte der Sechsundachtzigjährige selbst das Riesenwerk.

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