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Mozart, Wolf und Webern

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Im vierten Abonnementskonzert des Zyklus „D i e große Symphonie“ dirigierte Alceo G a 1-1 i e r a die Suite für kleines Orchester „Die Vögel“ von Ottorino Respighi, das Konzert für Klavier und Orchester, KV 595, von Mozart und die „Vierte“ von Brahms. Unbestrittener Höhepunkt war das Mozart-Spiel Klara H a s k i 1 s, die wir im gleichen Werk .schein gehört .und„bewundert ,hjhe.n.i geheim nisehtKlarheit, GirisflijsAttStitHcki-.Mi T4(j fesödsf; Form im .Ausdruck — und dies alles in vollendeter Einfachheit, die fast wieder, zum Geheimnis wird. Diesem Erlebnis gegenüber blieben die Suite Re-spighis und selbst die Brahms-Symphonie, diese allerdings durch geringe geistige Ausschöpfung und eine gewisse Lustlosigkeit der Wiedergabe, im Schatten.

21 Hugo-Wolf-Lieder, die Draufgaben nicht mitgerechnet, sang Irmgard S e e f r i e d, von Eric Werba begleitet, ohne daß die Spannung des Hörers' auch nur einen Augenblick nachließ. Das sehr klug ausgewählte Programm umfaßte die Schaffensperioden Hugo Wolfs von den Mörike-Liedern über die Goethe-Lieder bis zu den Kostbarkeiten des Spanischen und des Italienischen Liederbuchs. Jedes Lied ein Erlebnis (Werbas subtile Begleitung eingeschlossen), ohne äußere Nachhilfe durch Gestik oder Mimik, aller Ausdruck und alle Darstellung lag in der Stimme. Ein Meisterabend des Liedgesanges.

Alfred Brendel, in steiler Aufwärtsentwicklung begriffen, spielt sich in die erste Reihe der jungen Pianistengeneration empor. Sein Beethoven-Spiel (Sonaten op. 2/1 und op. 31/3) ist aus allen subjektiven Tiefen steigend, in die klassische objektive Form mündend, leidenschaftlich und gebändigt zugleich. Vollkommen klarer Anschlag und absolute Sauberkeit in Phrasur und thematischer Gliederung ließ auch die Paganini-Etüden von Franz Liszt in neuem Licht erscheinen. Mit der exakten Wiedergabe von Arnold Schönbergs Klavierstück, op. 33 A, und der Trauermusik von Seymour Shifrin kam die Moderne zu Wort, in gleich überzeugender Nachzeichnung der Linien; doch scheint es, der Künstler hätte zu diesen Werken noch eine nicht überwundene Distanz.

Zum 75. Geburtstag Anton Webe ms veranstaltete die Internationale Gesellschaft für neue Musik (IGNM), Sektion Oesterreich, einen Abend, einer Auswahl seiner Werke gewidmet. Ob diese Auswahl die glücklichste war, vermögen wir nicht zu bestimmen; der zweite Teil des Programms machte allerdings einen nachhaltigen Eindruck und zwang auch die dieser Musik ewig Fremden zu ehrfürchtiger Verneigung. Wir meinen insbesondere die Sechs Lieder, op. 14, nach Gedichten von Georg Trakl, und das Konzert für neun Instrumente, op. 24. Die Geistigkeit des Komponisten kristallisiert sich hier gleichsam in aphoristischer Form und musiziert über alle Probleme I.inweg, die als punktuelle Musik heute bei einem Teil der Jugend mehr Schlagwort als musikalisches Verständnis bedeuten dürften, wie Prof. Wildgans in der Gedenkrede betonte. Wir schließen uns solchen Feststellungen insofer e an. als wir den „Komponisten“ Webern und seine

„Musik“ wesentlicher und feiernswerter finden als eine von seinen eigenartigen formalen Prinzipien hergeleitete programmatische Aktualität. Denn Webern fand diese Formen und Formeln für seine Musik, nicht aber goß er oder preßte er diese in ein (gerade aktuelles) Schema. Ilona Steingruber (Gesang) bewies einmal mehr ihr unbeirrbar sicheres Intonationsgefühl sowie ihr rhythmisch und musikalisch mitreißendes Talent, das immer in Führung liegt. Else Stock-Hug imponierte durch die Ge-. dächtnisleistung nicht minder als durch ihr klavie-ristisches Können. Ein Kammerensemble aus Mitgliedern des Staatsopernorchesters, geleitet von

Michael Gielen', stellte sich mit Hingabe in den diffizilen Dienst der Sache, ebenso Beatrice Reichert, Friedrich Cerha, Karl Oesterreicher und Josef Plichtä als Instrumentalsolisten.

Göta Blomberg (Helsinki) wählte für ihren diesjährigen Liederabend ein gemischtes Programm, dessen stärkste Nummer die erste blieb (Monte-verdi: Rez. u. Lamento aus „Arianna“). Ihre pastose Stimme, ein Mezzo mit Alt-Timbre, konnte sich allseitig günstig entfalten und ihren etwas orgelmäßigen Klang mit stilistischer Gültigkeit einsetzen. Bei Hugo Wolf war es immerhin erstaunlich, was die schöne, aber stilfremde Stimme erreicht, ebenso bei den ihr viel näher liegenden Gesängen von Ravel, Sibelius und Kilpinen. Dennoch, alles in allem, ist die Leistungsfähigkeit gesanglich weder durchgeformt noch so begrenzt, wie sie sich präsentiert.

Sakrale Chorkompositionen der Gegenwart brachte in ebenso aparter als anspruchsvoller Auswahl der Wiener Kammerchor unter seinem Leiter Hans Gillesberger zu vorbildlicher Wiedergäbe und stellte damit eine Spitzenleistung geistigen und musikalischen Könnens, die ihn zweifellos in die erste Reihe europäischer Chöre stellt. Mit der Urauf- führung der Ostermotette von Lothar Knessl hob der Kammerchor aber auch diesen Komponisten mit in die vorderste Reihe. Die Motette, inhaltsmäßig in Passion und Choral deutbar, findet im ersten Teil ganz neue dramatische Ausdrucksmöglichkeiten, im (etwas schwächeren) zweiten meditative Steigerungen (Variationen), denen vielleicht roch die letzten musikalischen Rundungen, nicht aber die großen Perspektiven mangeln. Irgendwie gegensätzlich zu diesem Stil mutet die achtstimmige Doppelchormotette „Fundata est“ von Oswald J a e g g i an. Fehlen dort die harmonischen Funktionen völlig, sind sie hier in voller und klarer Wirkung, bei aller ausschließlichen Polyphonie, die gesättigt aus der Tradition fließt, sich aber geistig zu ganz neuen Bildern formt und sich jubelnd ausströmt. Leider war die dreiteilige Komposition nur als Fragment zu hören, da nur der erste Teil, gleichsam die Exposition, gesungen wurde, was eine Gesamtbeurteilung ausschließt. Anton Heillers drei Motetten „Confirma“, „Hoc corpus“ und „Me-morare“ zeigen den bereits in großen Formen persönlichsten Stils erfolgreichen Komponisten in der Kleinarbeit äußerst diffiziler Ausdrucksformen mystischen Charakters, gleichsam hineingekniet in die letzten Möglichkeiten von Deutung und Schau. Der zweite Teil des Programms umfaßte die Canti di prigionia von Luigi Dallapiccola und die (immer schöner werdende) Messe von S t r a-w i n s k y.

Wie bei ihrer Uraufführung unter Beethovens Leitung am 22. Dezember 1808 standen auch diesmal seine „Fünfte“ und „Sechste“ gemeinsam auf dem Programm (Nicolai-Konzert der Philharmoniker unter K a r a j a n), denen die „Egmont“-Ouvertüre voranging. Manche Nuancen der Tempo-nahme, so etwa der Beginn der „Pastorale“ oder auch Stellen des zweiten Satzes in der „Fünften“, mögen wir langsamer erwartet haben; das ist freilich temperamentsbedingt und kaum zu „normieren“. Aber die gewaltige Ton-, Form- und Ausdruckswelt Beethovens baute sich unmittelbar lebendig und gegenwärtig auf, wie es vielleicht nur in diesem Rahmen möglich ist, der an sich mittönt und eine ganze reiche und glänzende Tradition zum Klingen bringt. Karajans Zeichengebung war klar, bei allem Temperament sparsam.

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