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Lorin Maazel, Gloria Davy und Quartette
Mit der Interpretation der Suite aus S t r a-winskys „Geschichte vom Soldaten“ hat Lorin Maazel ein Meisterstück als Geiger und Dirigent bestanden. Daß sein Violinspiel Format besitzt (dachte er doch zuerst an eine Laufbahn als Geigenvirtuose!), erkannt man schon am Solopart in J. S. Bachs Konzert für Violine und Orchester; die gleichzeitige, durch Blick und Geste erfolgte Leitung des Ensembles (bei Strawinsky ein Team hervorragender sieben Instrumentalsolisten), erfordert Begabung und Konzentration besonderer Art und erwies 6ich als absolut sichere Führung, die der Wiedergabe Schwung und Leichtigkeit verlieh. Die 2. Symphonie von Johannes B r a h m s erfuhr unter seiner Direktion wohl schöne klangliche Steigerungen, gab aber die formale Schlankheit auf, und wurde im Gegensatz zu ihrem Dirigenten dick und zäh.
In einem Konzert des Österreichischen Rundfunks hörten wir unter Leitung von Karl Österreicher (Niederösterreichisches Tonkünstlerorchester) die ver-wunderlicherweise ganz selten, aufgeführte „Iberia“ von Claude Debussy. Die unverbrauchte und immer einfallsreiche Musik der drei Sätze hat trotz aller Andersheit etwas von der Frische und (scheinbaren) Unbekümmertheit der „Cassation“ B-dur, KV 99 von W. A. Mozart. Zwischen beiden Werken stand das ernste Klavierkonzert d-moll von Johannes Brahms mit seinen tragischen Akzenten, von Hans G r a f mit männlicher Herbheit und formaler Klarheit tragiert. Ein schönes Programm und eine runde Leistung, wenngleich ohne subtilere Feinheiten.
Mit Gesängen von Debussy erreichte auch Gloria Davy an ihrem Liederabend ihre Spitzenleistung, die hoch über dem übrigen Programm stand (Händel. Mozart). Die einmalig schöne und kultivierte Stimme kann zwar „alles“ singen, auch Schumanns „Frauenliebe ujid, Leben“, doch war sie bezüglich des letzteren dennoch schlecht beraten. Arien aus „Porgy and Bess“ und „Tosca“ (Draufgaben) zeigten ihre stimmliche und künstlerische Persönlichkeit am überzeugendsten.
Das Wiener Konzerthausquartett (durch die Grippe in anderer Zusammensetzung, außerdem ergänzt durch Günther und Helmuth Weiss) überraschte dennoch mit einem ungewöhnlichen und anspruchsvollen Programm. Das II. Streichquartett von Dimitri S c h *> s t a k o w i t s c h. im kompositorischen Duktus ungleich (manche Stellen klingen sehr leichthin, andere haben lyrischen Tiefgang), gipfelt in den aparten Variationen über ein russisches Thema, Es folgten zwei Meisterwerke der Kammermusik: die Sextette von Anton Dvofak und Peter Iijitsch Tschaikowsky: ersteres erzmusikantisch, von innen her mitreißend, letzteres, mit dem Untertitel „Souvenir de Florence“, von eleganten Formen und subtilen Kontrasten, in der Schlußfuge sich zu genialer Kontrapunktik steigernd. Die gewohnte und geschätzte Qualität der Ausführenden wurde durch die personellen Veränderungen nicht beeinträchtigt.
Das Ungarische Streichquartett erfreute mit einer ebenso subtilen als musikalisch wie geistig hervorragend schönen Wiedergabe der „Fünf Sätze für Streichquartett“ von Anton Webern, die unseres Wissens von einem heimischen Quartett noch nicht gespielt wurden, obwohl sie schon 1909 entstanden. Ähnlich verhält es 6ich mit dem einsätzigen „Concertino“ von Igor Strawinsky. Die Gäste spielten auch einen Beethoven (Crdur, op. 59/3) und zelebrierten abschließend Schuberts Quartett „Der Tod und das Mädchen“ in besonders feiner, ausdrucksmäßig verhaltener und doch ergreifender Weise. Ihr Spiel (das auch ein Pianissimo von klarem und sauberstem Klang beherrscht) ist bei aller Selbständigkeit der Farben und Nuancen in den einzelnen Stimmen von solcher Homogenität, daß es wirklich ein Quartett (und nicht mehr vier Spieler) ist.
Auch das Ebert-Trio zeigte in drei Trios von Beethoven (op. 1, op. 70 und op. 97) eine Einheit des Klanges, die bei drei Stimmen noch schwieriger zu erreichen und zu bewahren ist als bei vier und mehr. Unter temperamentmäßig stärksten Impulsen der Geigerin leben sich Cello und Klavier voll aus, ohne jemals Form oder Ausdruck zu lockern oder zu übersteigern.
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