6774948-1969_18_14.jpg
Digital In Arbeit

Von Händel bis Mahler

Werbung
Werbung
Werbung

Warum der Concentus Musicus für sein sechstes Konzert im Händel-Zyklus im Mozart-Saal just den Organisten Horst Gehann aus Bukarest engagierte, ist ein Rätsel. Zumal der Künstler weder stilistisch noch technisch den Ansprüchen des A-Dur-Orgetfconzerts (op. 7/2) gerecht wurde. In rhythmischer Hinsicht wies seine Wiedergabe störende Ungenauigkeiten auf und die Phra-sierung wirkte überhaupt unregelmäßig. Im übrigen: ein etwas langweiliger Abend, an dem breit, nicht sehr elegant oder gar inspiriert musiziert wurde. Lediglich die d-Moll-Triosonate (Nr. 2) überzeugte. Die Concerti grossi (op. 3/5 und op. 6/6 und 7) gerieten recht trocken und akademisch.

In ihrer Matinee im Mozart-Saal spielten die Wiener Solisten Bachs „Musikalisches Opfer“ (BWV 1079). Die Vorzüge dieser Aufführung lagen vor allem in der Lebendigkeit der Darstellung, der Klangsinnlichkeit, Frische und Grazie, mit der die kunstvollen Stämmführungen vorgetragen wurden. Eigenwilligkeiten in den Tempi störten nicht sonderlich, die üppig spätromantische Wiedergabe des Ricercar a sei oci hingegen sehr. Isolde Ahlgrimm und Werner Tripp (Flöte) ernteten für ihr konzentriertes Spiel, besonders in der h-Moll-Suite, stürmischen Beifall.

Keine Beziehungen zu Gustav Mahlers „Sieben Liedern aus letzter Zeit“ hat Carl Melles, der im Schubert-Zyklus im Sendesaal das ORF-Orchester dirigierte. Es war eine kühle, oberflächliche Interpretation, häufig in den Tempi zu sehr forciert, so daß viele subtile, aber wichtige Details, etwa in dem Lied „Ich atmet einen linden Duft“, verwischt wurden. Donald Bell sang den Solopart ohne alle Einfühlung. Vorderhand läßt sein Baß allein schon in technischer Hinsicht manche Wünsche offen, ganz zu schweigen von den unbewältigten stilistischen Problemen. Schuberts „Neunte“ geriet in den Kontrasten eher überzeichnet, stellenweise etwas grell, wirkte aber im ganzen großzügig konzipiert, spannungsgeladen. Das ORF-Orchester zeigte sich bei Schubert gut disponiert, spielte temperamentvoll.

Das 5. Konzert des Symphoniker-Zyklus war zwei Werken Gustav Mahlers gewidmet. Unter Leitung von Wolfgang Sawallisch erklangen die „Kindertotenlieder“ und „Das Lied von der Erde“. Es war ein gleichsam andächtiges Musizieren, das nur ein oder das andere Mal ein zarteres Piano der Bläser wünschen ließ. Die dunkle, warme Altstimme von Margarita Lilowa und der helle Tenor von Martin Ritzmann waren stilistisch und ausdrucksmäßig von starker, fast spiegelhafter Wirkung, die Intensität ihres Vortrages, einander ergänzend und steigernd, immer im instrumentalen Farb-bogen irisierend, schuf Spannung bis zum Verklingen. Sawallisch führte das Orchester in genauer Kenntnis der oft ungestümen, oft zärtlichen Linien. Bei den vorausgehenden „Kindertotenliedern“ konnte sich Margarita Lilowa gegen das Orchester nicht immer unbedingt durchsetzen, was bei der Schönheit ihrer Interpretation zu bedauern ist.

Gerlinde Lorenz sang an ihrem Liederabend Gesänge von Schumann, Debussyt Dvorak und Alban Berg, begleitet von Irwin Gage. Ihre schöne, volle Sopranstiimme wurde den kleinen Liedbögen ebenso gerecht wie der Grundverschiedenheit der Stile. Innerlich näher steht sie unverkennbar Claude Debussy (Pro-ses Lyriques) und Alban Berg (sieben frühe Lieder). Die beiden Liedgruppen wuchsen zum dichtesten Erlebnis zusammen, an dem der ausgezeichnete Begleiter seinen gewogenen Anteil hatte, der nie „begleitet“, sondern immer musiziert. Beide Künstler gehören der jungen Generation an, die man zu solchen Spitzenleistungen beglückwünschen muß. F. K.

Alljährlich findet für die aus etwa 1000 Personen bestehende Raimund-Weißensteiner-Gemeinde ein Kompositionskonzert statt, das meist von den Wiener Symphonikern ausgeführt und während der letzten Jahre von Kurt Rapf geleitet wurde. Das heurige war dem Andenken der großen Staatsopernsängerin und Mäzenin Maria Nemeth gewidmet, die ihr gesamtes Vermögen der Votivkirche vermacht hat. Es brachte drei Uraufführungen: einen kurzen „Threnos“ für Streichorchester, eine große Kantate für Tenorsolo und Orchester und eine siebenteilige Konzertsuite. Zu der von Herwig Erb vorgetragenen Kantate hat sich Weißensteiner kurze Texte zusammengestellt: von Augustinus und Dante, von Kardinal Newman und Teresa von Avila bis Alessandro Manzoni, Dietrich Bonhoeffer und Alfred Delp. Die sieben Teüe der Konzertsuite sind farbiger, kontrastreicher als die symphonischen Sätze Weißensteiners aus früheren Jahren. Die Gemeinde Weißensteiners, der bis vor kurzem eine Klasse für Komposition an der Akademie für Kirchenmusik innehatte und Kaplan der Votivkirche ist, war begeistert und sehr beifallsfreudig.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung