6836309-1975_16_16.jpg
Digital In Arbeit

Klassik, Romantik und Moderne

Werbung
Werbung
Werbung

Wer versteht vom Gesang mehr als Anton Dermota? Im Brahms-Saal legte dieser Großmeister teno-ralen Belkantos den praktischen Beweis vor: Zwar sang er mit wacher Vorsicht, aber es war alles „da“; Haydn gab ihm die Gelegenheit zum Einsingen, Mozart — seine stete Liebe und Zentrum seines künstlerischen Bemühens erfuhr die „leichte“ Wiedergabe , die so schwer ist, die „Abendempflndung“ ergriff durch Einfachheit und Tiefe; hier war die Vollendung eines künstlerischen Werdeganges zu erkennen; in fünf Schubert-Liedern sprach die Stimme nicht nur leicht und beweglich an, der Künstler verblüffte auch durch eine ruhige Kraft, um die ihn viele Junge beneiden könnten; nach fünf Perlen des Scfeumonnschen Liedschaffens gab es noch vier berühmte Lieder von Marx (und ein wie uns scheint ziemlich unbekanntes aus der Sammlung des Sängers) zu hören — perfekt und ergreifend zugleich, und als Überraschung konnte es sich Dermota leisten, mit einem „Kraftlied“ (Waldseligkeit) zu schließen. Nach Blumen und Jubel, in den zu Recht seine (auch treue Lebens-)Begleiterin Hilda Berger-Weyerwald eingeschlossen wurde, gab es kein Heimgehen ohne Zugaben.

Im Schubert-Saal hatte das Neue Wiener Streichtrio einen prachtvollen Abend; vor allem Thomas Kakuska, der diesmal überhaupt nicht nervös wirkte und mit bester Wiener Kammermusiktradition geigte, machte einen ausgezeichneten Eindruck, aber auch der schöne Ton von Tomislaw Sestak und Wilfried Rehms wache Musikalität waren Beglückend. Zwischen zwei Werken von Beethoven (op. 9/2, op. 3) stand die vituose Serenade op. 10 von Dohndnyi: nicht mehr ganz im Stil der Zeit, aber darnach fragt man 50 Jahre später nicht mehr. (Wie sagte Verdi: „Ich kenne nur zwei Arten von Musik — gute und schlechte.“)

Im Mozart-Saal debütierte das amerikanische Vermear-Quartett mit dem fünften Streichquartett von Beethoven, dem zweiten von Bartdk und dem dritten von Schumann. Der Klang des Ensembles ist von höchster Feinheit und Transparenz, alles geht ohne den kleinsten Bogen-kratzer ab, nur führt die vier Künstler das sympathische Bemühen um technische Vollkommenheit zu einem vergleichweise kühlen Vortragsstil, den sie erst im langsamen Satz des Schumannschen Werkes durchbrechen konnten. Jedenfalls war die Begegnung mit diesen ausgezeichneten Musikern eine große Freude.

Friedrich Cerha waren im Musikverein das ORF-Symphonieorchester, die ORF-Big-Band und das Ensemble „die reihe“ anvertraut, und Cerha, dieser fanatische Arbeiter, revanchierte sich für diesen großen Materialaufwand (es waren auch noch fünf Gesangssolisten und ein Instrumentalsolist dazugekommen) mit einer Spitzenleistung. Schon die einleitende Ballettsuite „La Creation du Monde“ von Milhaud wurde zu einem Erlebnis, weil der Komponist des 1923 entstandenen Werkes konziser Klarheit von Anfang bis Schluß treu bleibt Strawinskys „Rag-Time“ ist ein derartig raffinierter Witz, daß er immer einschlägt; diesmal mußte er auf Betreiben von Publikum und Musikern wiederholt werden. Das „Ebony-Concerto“ hingegen ist durchaus nicht so dankbar; Ottokar Drapal war der Solist auf der Klarinette, aber zu zeigen vergönnte ihm der Komponist wenig. — Kurt Weills „Sieben Todsünden“ ist vom Komponisten „Ballett mit Gesang“ benannt. Vor nicht allzu langer Zeit konnte man das Werk schon im Konzertsaal und im vergangenen Sommer außerdem im Rundfunk hören, und so sübstanzstark ist es doch nicht, daß die frech formulierten Songs beim öfteren Hören nicht verlören. Die beiden „Annas“ sang mit vorbildlicher Artikulation die ebenso hübsche wie stilecht gekleidete. Doris Bierret, das Herrenquartett mußte -von der Orgelgalerie singen und wurde des--halb durch einen Lautsprecher verstärkt; gutgetan hat es der Wirkung keineswegs. Die Solisten waren die Herren Winkler, Bruneder, lllavsky und Handlos.

Außerdem gab es in der letzten Woche zweimal die Wiener Symphoniker mit „neuen“ Dirigenten zu hören. Im Konzerthaus debütierte der jetzt in Amerika mit israelischem Paß tätige gebürtige Rumäne Sergiu Comissiona. Ihm gelang eine achtbare, geschlossene Wiedergabe der „Coriolan“-Ouver-türe von Beethoven und eine nicht minder temperamentvolle, plakative der „Symphonie fantastique“ von Berlioz. Dazwischen begleitete er seine Landsmännin Leonora Geanta, die das Violonkonzert von Bruch kraftvoll, in den Fortestellen allerdings geradezu grob und mit sicherer Technik spielte.

Im Rundfunk durfte der junge Wiener Dirigent Alexis Hauser mit dem Orchester arbeiten. Hauser ist Schüler von Swarowsky und hat seine Diplomprüfung vor fünf Jahren im Musikverein und sein Debüt mit den Symphonikern im Jahre 1973 gehabt. Anscheinend hatten ihn die Musiker noch in guter Erinnerung, jedenfalls folgten sie ihm willig und mit großer Aufmerksamkeit. Hauser zeigte sich aber auch bestens werkvertraut und erzielte mit den „Jeux“ von Debussy und Sibelius' zweiter Symphonie im übervollen Großen Sendesaal einen starken Publikumserfolg. Als Solist konnte Hans Kann mit dem Klavierkonzert in B-Dur, KV 238 von Mozart, den schlagenden Beweis erbringen, daß ihm derzeit die Beschäftigung mit dem Salzburger Genius nicht nur im Bereich der Violin-Klavier-Musik (derzeit spielt er mit dem japanischen Geiger Toyama Mozarts Gesamtwerk in diesem Genre) eine Herzenssache ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung