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Orchester und junge Solisten

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Seit dem Zerfall des ertolgreichen Ensembles „Wiener Solisten“ hat das Wiener Kammerorchester die schwer lastende Erbschaft angetreten, in seinem Zyklus Hauptwerke der Wiener Klassik in Kammerorchesterbesetzung die wichtigsten Stücke, herauf von der Romantik bis zur Gegenwart, aufzuführen und obendrein „Entdeckungen“ zu präsentieren. Nach einer langen Phase ziel- und ergebnislosen Abonnementkonzer- tierens nun endlich ein Abend, der den richtigen Weg zeigte: Horst Stein leitete das Konzert im Großen Konzerthaussaal; und ein Programm, für die „Jeunesses“ besonders geschmackvoll und eigenwillig zusammengestellt, zeigte, daß das Orchester über die schwierigsten Hürden endlich hinweg ist. Vor allem die Zusammenarbeit mit Stein wäre wert, intensivere Formen anzunehmen: Stein versteht die Musiker mitzureißen, hat das Ensemble klanglich entwickelt. Telemanns Ouvertüre „La putain“, Strawinskys zwei Suiten für kleines Orchester, auszugsweise aufgeführt, und Hinde- miths Kammermusik Nr. 2 wurden in schönen Klangproportionen dynamisch lebhaft gespielt. Beispielhaft gelang übrigens Robert Freund, dem hervorragenden Hornisten, Mozarts Es-Dur-Konzert. Perfekte Technik, die alle Schwierigkeiten leicht und ohne jede Verkrampfung meistert, der schöne runde Ton, in dem es keinen Moment an lebendigen Ausdrucksschattierungen fehlt, vor allem aber Freunds sicheres Empfinden für Mozarts kantable Bögen und klar- liniges Verzierungsspiel machten die Wiedergabe eindrucksvoll. Der Jubel des Publikums war dementsprechend.

R. W.

Im Großen Konzerthaussaal veranstaltete das ORF-Symphonieor- chester unter seinem ständigen Leiter Milan Horvat ein Konzert für die „Jeunesses“, das mit dem am 23. März dieses Jahres uraufgeführten Bruckner-Dialog von Gottfried von Einem, einem Auftragswerk zur Eröffnung des neuen Bruckner-Hauses in Linz, eröffnet wurde und an dieser Stelle damals ausführlich besprochen wurde. Geändert hat sich nur der Titel: er heißt jetzt „Dialoge mit Bruckner“, wurde aber nicht erweitert, sondern dauert, damals wie heute, eine Viertelstunde. — In den beiden folgenden Stücken war vor allem Gelegenheit geboten, zwei junge Instrumentalisten kennenzu- lemen. Das 8. Violinkonzert von Louis Spohr, zweiteilig, führt zurecht den Titel „Konzert in Form einer Gesangsszene“, was den Praktiker und Virtuosen Spohr freilich nicht hinderte, hierfür einen ungewöhnlich schwierigen Solopart zu schreiben, dessen Tücken vor allem darin bestehen, daß die Fingerfertigkeit des Aufführenden stets mit Gefühl gepaart sein muß (was man ja nicht von allen Concerti behaupten kann). Diesen Anforderungen war der 30 bis 35jährige Götz Bernau nicht ganz gewachsen. Obwohl er über ein beachtliches Können verfügt und sich voll einsetzt, kann man ihm nicht mehr als eine solide Leistung bescheinigen. Persönliche Kennzeichen: keine. — Ähnlich ist es, aber nur was die Komposition betrifft, mit der „Konzertanten Symphonie für Violoncello und Orchester“ op. 125 von Prokofjew bestellt. Zwar benützt er darin Gedanken aus einem bereits 1934—1938 geschriebenen und später verworfenen Werk, hat aber erst in den Jahren 1950—1952 die vorliegende Partitur geschrieben, und zwar, wie man beim ersten Anhören vermutete und dann bei der Lektüre des Programms bestätigt fand, in enger Zusammenarbeit mit einem Fachmann, nämlich mit dem Cellist Rostropowitsch. Denn der Solopart ist so gespickt mit raffiniert ausgeklügelten Effekten und technischen Schwierigkeiten, daß, sie von einem durchschnittlichen Solisten kaum zu bewältigen sind. Aber zu dieser Klasse zählt der junge Heinrich Schiff keineswegs. Gleich von den ersten Takten an zeigte er die Pranke des geborenen und gutaus- gebildeten Cellisten, brachte sein Solo über halsbrecherische Tempi und fingerbrecherische Pizzicati glanzvoll zu Ende und wurde entsprechend gefeiert. Wir wissen über seine bisherige Laufbahn nichts. Aber seiner Zukunft sind wir sicher.

H. A. F.

Der zweite Preis beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb 1966, dann der erste beim Juilliard-Beet- hoven-Wetbewerb, Stipendien, Auszeichnungen, Arbeit mit den bedeutendsten Orchestern: dem jungen Pianisten Misha Dichter eilt seit geraumer Zeit der Ruf voraus, eines der größten Versprechen der internationalen Pianistenszene zu sein. Sein Abend im Musikverein hat das alles nur halb bestätigt: Gewiß, Dichter ist ein fulminanter Techniker, der Brahms’ f-Moll-Sonate wie Schumanns „Symphonische Etüden“ (mit den posthumen Variationen) mit höchster Fingerfertigkeit vorträgt. An Bravour, an Sicherheit der Phrasierung, an Perfektion kein Mangel. Aber man wird den Eindruck nicht los, daß er manches mechanisch spielt, daß es in den Ausdrucksregistern an Zwischen- werten fehlt. Haydn geriet viel zu artistisch, zu kühl, fast blaß; Brahms und Schumann: kraftvoll, aber ohne eigentliche Festlichkeit, ohne alle romantische Melancholie, die die Vielfarbigkeit der Werke ausmachem. Doch da den richtigen Weg zu Anden, dürfte einem Künstler von Dichters Begabung nicht schwerfallen. R.W.

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