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Gastorchester und junge Solisten

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Im 6. Konzert.des Internationalen Orchester- und Chorzyklus spielte das Orchestre National de Belgique unter Leitung von Andre Clujytens „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ von Richard Strauss, das 3. Konzert für Klavier und Orchester von Bela Bartök mit Francois Glorieux als Solisten und die Symphonie fantasti-que, op. 14 von Hector Berlioz. Schon die behäbige und elegante Wiedergabe des „Eulenspiegel“ bewies den besonderen Rang des Orchesters, der bei Bartök in der Begleitung des ebenso sympathischen als sein Spiel in vorbildlicher Klarheit gestaltenden jungen Solisten zum andernmal legitimiert wurde. Mit Berlioz Phantastischer Symphonie wurde man in die Geburtsstunde der Programm-Musik zurückversetzt. Hauptsächlich die beiden letzten Sätze nahmen Späteres überraschend voraus, man denkt gelegentlich auch an Gustav Mahler. Diese beiden Schlußsätze sind es vor allem, die auch heute noch ihre zündende Wirkung haben. Cluytens brachte mit eleganter Geste alle Aussagen der Kompositionen zu voller Wirkung und klarer Gliederung. F. K.

Das 6. Konzert im Zyklus „Meisterwerke des 20. Jahrhunderts“ im

Großen Konzerthaussaal war sowohl durch sein Programm wie die Interpretation bemerkenswert. Am Anfang stand die etwa halbstündige „Lulu“-Suite von Alban Berg, neben deren dunkelglühenden Farben so manche impressionistische Werke anmuten wie von Kindern kolorierte Ansichtskarten. Das Lied der Lulu aus dem zweiten Akt der Oper (hier als 3. Satz) wurde von Christiane Sorell mit schonungslosem Einsatz ihrer bedeutenden Mittel und Fähigkelten gesungen, dennoch blieb ein Rest unbewältigt. Auch war der Ausdruck mehr aufgeregt als erregend. — Die Solistin des 3. Klavierkonzerts von Prokofieff, Martha Argerich, hat an der Wiener Akademie studiert und frühzeitig auf sich aufmerksam gemacht. Sie ist in der Tat ein Talent besonderer Art. Die junge schlanke Argentinierin mit den langen schwarzen Haaren sitzt wie eine Raubkatze zum Sprung geduckt vor dem Flügel und scheint Ihren Einsatz kaum erwarten zu können. Dann stürzt sie sich auf die Tasten und zeigt, vor allem in ihrem temperamentvollen Martellato, erstaunlich viel Kraft und Technik. Ein anderes, weniger robustes Stück wäre bei dieser Art der Behandlung leicht zu Schaden gekommen, aber Prokofieff, der sein Werk vor 45 Jahren In Chlkago selbst aus der Taufe hob, hätte wohl seine Freude am Spiel dieser jungen Wilden gehabt — er stend ja auch den „Fauves“ unter einen Malerkollegen nahe... Den 2. Teil des Programms bildete die IV. Symphonie von Franz Schmidt, als deren Melsterlnterpre-ten wir Hans Swarowsky, der das Konzert dirigierte, und die Wiener Symphoniker seit vielen Jahren kennen. Der Solotrompeter verdiente es, dm Programm genannt zu werden ...

Auch Shuhra Cherkassky, 1911 in Odessa geboren, war früher — bis vor acht oder zehn Jahren — in erster Linie Pianist, und zwar ein ganz großartiger, dem man überdies die explosive physische Kraft, die in dem kleinen, zarten Mann steckt, nicht zutraut. Mit der Zeit kam immer mehr der Musiker zum

Durchbruch (ohne den Virtuosen auszuschalten), ein Musiker, der es sich nicht leicht macht und nur noch in seinen Programmen Konzessionen spüren läßt. Im 8. Konzert des Zyklus „Die große Symphonie“ spielte er das 3. Klavierkonzert von Rach-maninow. Es ist in der Substanz schwächer, im Charakter weniger „russisch“ als das bekannte zweite und allenfalls um zehn bis zwölf Minuten zu lang. Rachmaninow schrieb es unmittelbar vor einer Amerikatournee zum eigenen Gebrauch und in kurzer Zeit. Das merkt man ein wenig. — Mario Rossi und die Symphoniker haben den eigenwilligen Pianisten nicht nur begleitet, sondern seinen Part auch in eine schimmernde Wolke orchestralen Wohllauts gehüllt. — Zu Beginn des Konzerts erklang, statt der angekündigten „Turandot-Suite“ von Busoni, Rezniceks Ouvertüre zu der im Spanien des 17. Jahrhunderts spielenden heiteren Oper „Donna Diana“: ein überaus spritziges, elegantes Orchesterstück von romanischer Brillanz, das Mario Rossi natürlich besonders gut lag. — Den zweiten Teil des Konzerts bildete die 2. Symphonie von Brahms, die der Referent nicht mehr hören konnte. — Vor der Pause gab es überaus herzlichen und langanhaltenden Beifall für den sympathischen Mario Rossi und den in Wien hochgeschätzten Cherkassky.

Peter Keuschnig und dem Ensemble Kontrapunkte, danken wir ein außerordentlich interessantes und gutstudiertes — wenn auch überlanges und anstrengendes — Kammerkonzert im Brahms-Saal. Olivier Messiaens Vogelstimmenphantasie mit dem Titel „Le Merle Noir“ möchte man am liebsten mit Schweigen übergehen, doch soll wenigstens der tüchtige Flötist Wolfgang Schulz, genannt sein. Da war die Aufgabe, die Ernst Kfenek in seiner „Sonatina“ einem Solooboisten gestellt hatte, schon dankbarer (Gerhard Turetschek). — Martin Bjeliks „Quintett 67“ für Bläser und Schlagwerk erklang als Uraufführung. Es ist, wie sein Rondo, das wir vor einem Jahr in der Sezession hörten, ein flottes, rhythmisch pikantes und auch harmonisch profiliertes Stück von ausgeprägtem gestischen Charakter, nicht unähnlich dem „Concerto manuale“ und dem Bläser-Rondo von Theodor Berger. — Das Concertino für Klavier und Kammerorchester von Jandöek mit Rainer Keuschnig als Solisten verstärkt den wiederholt geäußerten Wunsch nach mehr Janäcek in unseren Konzerten. — In Mussorg-skys „Liedern und Tänzen des Todes“ beeindruckte der junge Tscheche Jaroslav Stainc, ein baritonal gefärbter Baß von einem Volumen, das — wenn wir uns nicht täuschen — einem mittleren Opernhaus entspräche. Auch hier war Rainer Keuschnig der Begleiter. Aber das Beste servierte er, wie sich's gehört, zum Schluß: Strawinskys „Oktett für Bläser“ von 1922/23 — ein Meisterwerk von der ersten bis zur letzten Note, dessen letzten Satz (zumindest) man an den Schluß möglichst vieler Konzerte mit neuester Musik setzen sollte, um dem Publikum (und den jungen Komponisten) einen gültigen Maßstab in die Hand zu geben.

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