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Das Konzert der Woche unter Cluytens

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Dem sechsten Konzert im Zyklus „Die große Symphoni e” gebührt das Prädikat „glanzvoll” in mehrfacher Hinsicht. Da war zunächst ein Programm, wie man es sich abwechslungsreicher und interessanter kaum wünschen kann: Stücke von de Falla und Ravel im ersten Teil, eine Mozart- Symphonie und der „Don Juan” von Strauss im zweiten — eine Parade von Meisterwerken. Dann der Dirigent Andre Cluytens, der das polyphone Geflecht der verschiedenen Partituren gewissermaßen wie unter dem Röntgenschirm bloßlegte und den Orchesterfarben irisierenden Glanz verlieh. Schließlich der Solist Friedrich Gulda, der den Klavierpart von de Fallas „Nächten in spanischen Gärten” mit glasklarem, farbig-glitzerndem Ton und das von Maurice Ravel für die linke Hand geschriebene Klavierkonzert in D-dur mit kaum über- bietbaref Bravour, Kraft und Musikalität spielte. Wie hier, aus brodelnden Streicherbässen, ein wuchtiges symphonisches Thema aufsteigt, dann ein „Allegro motorico” entwickelt und bis zum Paroxysmus gesteigert wird, wie dem mit einer Hand gespielten Klavier rauschende Akkorde und zarte Lyrismen „auf den Leib” geschrieben sind: das kennzeichnet das für Paul Wittgenstein geschriebene Konzert als ein Meisterwerk unserer Zeit. Mozarts g-moll- Symphonie faßt Cluytens zierlich-leicht an, nimmt ihr alle hintergründige Schwermut und transponiert sie gewissermaßen nach Dur. Straus- s e n s „Don Juan” hatte Tempo und Feuer, wurde von Cluytens freilich völlig „entdämonisiert” und klang stellenweise mehr nach „Till Eulenspiegel” (Aber darüber kann man streiten. Vielleicht sieht der Franzose den tragikomischen Weiberhelden mehr von der heiteren Seite.) Die Wiener Symphoniker waren in allerbester Form und wurden gemeinsam mit dem Dirigenten und dem Solisten lang und lebhaft gefeiert.

Die feinsinnige und zarte, harmonisch kühne, aber formenstrenge Musik des einstigen Organisten an Saint Sulpice, Kapellmeisters an der Madeleine und Direktors am Conservatoire zu Paris, Gabriel Urban F a u r ė, kam mit dem Klavierquartett c-moll op. 15 durch das Wiener Streichtrio (Wolfgang Poduschka, Helmut Weis, Otto Blecha) mit Eduard Mrazeks behutsam figurierender Klavierbegleitung zu einer geschlossenen und überzeugenden Gesamtwirkung. Die Streicher verfügten über einen nahezu entmaterialisierten, schwebenden Klang, der auch leidenschaftlicher Steigerung in den Schlußphasen fähig ist. Dazu stand die Wiedergäbe des Klavierquartetts g-moll, op. 25, von Brahms im Gegensatz. Hier wurde auf Geschlossenheit zugunsten von Bildhaftigkeit verzichtet.

Die Akademie für Musik und darstellende Kunst gedachte der zwanzigsten Wiederkehr des Todestages von Franz Schmidt mit einer Aufführung des Klarinettenquintetts, dem der letzte Glanz der Vollkommenheit beim instrumental ausgewogenen Zusammenklang fehlte. (Es spielten Alfred Prinz, Bruno Seidlhofer, Edith Steinbauer, Hertha Schachermeier und Senta Benesch). Professor Dr. Josef Dichler sprach die aus eigenem Erleben schöpfenden, herzlichen und klugen Worte des Gedenkens.

Bei den Hauskonzerten in Doblingers Barocksaal wurde des 75. Geburtstages von Hans Pless gedacht. Paul Köstler spielte eingangs drei Sätze aus einer Klaviersuite, die eine recht grüblerische Natur offenbarten. Der Komponist bemüht sich überall um eine sachliche Linie, die spezifischen Gefühlswerten nur in Uebereinstimmung mit reflektorischer Abwehr einer zu bunten Außenwelt Platz gibt. Die Lieder, welche .Elisabeth Tho- mann trotz angesagter Indisposition mit aller Beachtenswerten Spannweite ihres Soprans meisterte (der Komponist saß am Flügel), bedürfen größter Sammlung des Zuhörers, um die vielgestaltigen harmonischen Züge und den vollgriffigen Klavierpart im Einklang zu erfassen. Eine interessante Probe aus dem Opernschaffen des Komponisten bot der Schlußgesang aus der Oper „Der Page”, 1919 entstanden (ein deutliches Zeichen des Ringens um einen neuen musikdramatischen Stil).

Recht betrüblich erging es Beethoven bei einem Klavierabend, den Jenö Lenyei im Brahms-Saal veranstaltete. Die Sonate in Es, quasi una Fantasia, zerfiel in Augenblicksbilder, persönliche Bekenntnisse des blinden Pianisten, dessen Technik zudem aphoristisch wirkte. Für den überaus zarten Anschlag hätte bei dem Präludium und der Fuge cis-moll von Bach vielleicht ein Cembalo ein ungefähr befriedigendes Klangbild ergeben.

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