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Solisten, Dirigenten

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Der Sonatenabend Igor und Natalja Oistrach demonstrierte vor allem die Meisterkunst des Zusammenspiels. Das Ineinanderfließen von Geigenton und Klavier, oft bis zur Ver-wechselbarkeit vollendet und doch in klarer Linienführung nebeneinander singend, dürfte kaum noch zu überbieten sein, eine instrumentale Zweisamkeit, der auch der große Musikvereinssaal die kammermusikalische Intimität nicht schmälern konnte. In der Sonate op. 78 von Johannes Brahms leuchtete die hinter der herben Männlichkeit verborgene Zartheit beglückend auf; die stupende, ganz spielerisch wirkende Virtuosität absolvierte gleichsam lächelnd die TeufelstriUersonate von Giuseppe Tartini; Maurice Rauels Sonate G-Dur mit ihren skurillen Linien und Farben klang auf einmal klar und einfach. Die fast zärtliche Hingabe an Schuberts Fantasie C-Dur (D 934) war ein berauschendes Musizieren, dem man das fehlende tiefere Gemüt kaum anmerkte.

Man hat Das Buch mit sieben Siegeln von Franz Schmidt oft das letzte große Oratorium genannt, was im traditionellen Sinn zutreffen mag; seine Lebendigkeit und Wirkung auf die jüngere Generation bewies die Wiedergabe unter Carl Meües mit den Symphonikern, dem Singverein und einer Reihe von Solisten, unter denen Karl Richter an der Orgel dem Musikvereinspublikum auch als Dirigent eine bekannte Persönlichkeit ist. Den schwierigen Part des Johannes meisterte Theo Altmeyer mit metallisch glänzender heller Tenorstimme, die auch noch den milden Ausdruck Julius Patzaks erreichen dürfte. Ernst G. Schramm gab der Stimme des Herrn Majestät, leider ohne die ruhige Breite. Gerlinde Lorenz (Sopran), Ingrid Mayr (Alt), Franz Lukasowsky (Tenor) und Reid Bunger (Baß) waren ein Solistenquartett, in dem Alt und Baß stimmlich dem Charakter des Werkes besonders entsprachen. Die Schwierigkeit der Chöre ist eminent und wurde vom Singverein auf gutem Niveau bewältigt, Franz Krieg

Igor Oistrach Tschaikowskys Violinkonzert spielen zu hören, zählt zu den großen Erlebnissen. Da ist er — anders als bei Beethoven — ganz in seinem Element, schwelgt in warmer, sinnlich leuchtender Ton-gebung, weiß klangliche Süße und Schmelz auszukosten. Bravour ist da vom ersten Takt weg spürbar, die Thematik zündet. In der Canzonetta breitet er vor dem Publikum einen Schleier der Melancholie über das verhaltene Motivspiel. Um so rasanter geigt er das Allegro-vivacissimo-Finale, dessen technische Kunststücke er mit seiltänzerischer Eleganz ausführt. — David Oistrach dirigierte die Symphoniker. Jeder Zoll dieser Begleitung atmete Delikatesse. Fulminant geriet Tschaikowskys Sechste Symphonie: Pathos, leidenschaftliche Theatralik und ergreifender Schmerz stehen da in Oistrachs Wiedergabe nebeneinander. Die Resignation gewinnt allmählich spürbar an Boden. Die Symphoniker zeigten sich in Festwochen-Hochstimmung, folgten exakt wie schon lange nicht. *

Mit flotten Jägermärschen, Serenaden, Divertimenti spielt das Colle-gium Musicum Pragense im Brahms-Saal auf. Man lernte neun kammermusikalisch ausgezeichnet eingespielte Bläser kennen, die beste böhmische Musiziertraditionen repräsentieren. Besonders hübsch gerieten die Jagdsätze eines Wranitzky und Krommer, zweier Zeitgenossen Mozarts, anmutig-verspielt ein Quartett von Carl Stamitz (op. 8, Nr. 2). Werke von Haydn, Mozart und Beethoven rahmten den Raritätenmittelteil. Vor allem bei Mozart hätte man sich manche Phrase ebenmäßiger und weniger abrupt dynamisiert gewünscht.

Karl Richter spielte im Großen Musikvereinssaal ein höchst anspruchsvolles Bach-Programm: Präludium und Fuge, F-Dur, die Triosonate Nr. 6, zwei Toccaten und die c-Moll-Passacaglia. Richter bevorzugte wie stets eine romantisch farb-und ' kontrastreiche Registrierung, die stellenweise auch etwas aufdringlich wirkte. Allerdings weiß er musikalische Sachverhalte klarzulegen, Proportionen sehr wohl auszutarieren, im großen und ganzen Ökonomie walten zu lassen. Und um durchsichtige Zeichnung der Stimmführungskünste ist er immer bemüht. Das Publikum erklatschte sich etliche Zugaben.

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